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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch Verneinung des Bedarfs an einer öffentlichen Apotheke bei Existenz einer ärztlichen Hausapotheke in einem bestimmten Umkreis und durch Abstellen auf eine bestimmte Zahl zu versorgender Personen; keine Rechtfertigung der Errichtung einer Zutrittsschranke für Konzessionswerber bloß zur Sicherung des Mindestversorgungspotentials ärztlicher Hausapotheken trotz öffentlichen Interesses an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung und an der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen; keine Anwendbarkeit der aufgehobenen Bestimmungen auch in weiteren Verfahren vor dem UVS trotz Zurückweisung des diesbezüglichen Antrags aus formalen GründenRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge von Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS) und des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung von Teilen des §10, §28 und §29 ApothekenG.
Der normative Gehalt des §10 ApothekenG - wonach ein Bedarf zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5500 beträgt - ergibt sich nicht allein aus dem Gesetzeswortlaut des §10 ApothekenG, sondern jedenfalls auch in Zusammenschau mit den Regelungen des §28 Abs2 und Abs3 iVm §29 Abs4 ApothekenG, die ebenfalls das Verhältnis der öffentlichen Apotheken zu den ärztlichen Hausapotheken zum Gegenstand haben.
Indem §28 Abs2 ApothekenG die Anordnung des §10 Abs2 Z1 ApothekenG aus Sicht der Dispensationsbefugnis der Ärzte widerspiegelt, würde diese Regelung nämlich im Ergebnis - auch unter der Annahme des Wegfalls des §10 Abs2 Z1 ApothekenG - bewirken, dass die Arzneimittelabgabe in Standorten, in denen eine ärztliche Hausapotheke weniger als 5500 Personen zu versorgen hat, weiterhin (ausschließlich) durch die ärztlichen Hausapotheken besorgt wird. Da §29 Abs4 ApothekenG vorsieht, dass die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen ist, wenn unter anderem im Konzessionsbescheid der öffentlichen Apotheken festgestellt wurde, dass ein Versorgungspotential im Sinne des §10 ApothekenG von mindestens 5500 Personen für die neue öffentliche Apotheke besteht, ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgeht, dass er auch diese Bestimmung anzuwenden hat und eine allenfalls bestehende Verfassungswidrigkeit sich nur durch den - weiten - Anfechtungsumfang gänzlich beseitigen lässt.
Zurückweisung hingegen eines Antrags lediglich auf Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApothekenG idF BGBl I 5/2004 wegen zu engen Anfechtungsumfanges: B v 14.10.05, G201/04.
Aufhebung des §10 Abs2 Z1, Abs3, und der Wortfolge "3 und" in Abs5 ApothekenG, RGBl 5/1907, idF BGBl I 16/2001, sowie des §28 Abs2 und Abs3 leg cit, und der Wortfolge "und in dem rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des §10 von zumindest 5500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde" in §29 Abs4 leg cit.
Surrogatfunktion der ärztlichen Hausapotheken (Schließung erforderlich bei Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke in einem bestimmten Umkreis) durch die Apothekengesetz-Novelle 2001 geändert.
Schwerer Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, (objektive) Schranke, die der Apotheker aus eigener Kraft nicht zu überwinden vermag.
Die zu beurteilende Frage, ob der Bedarf an der Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke ausgeschlossen werden darf, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte bereits eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5500 beträgt, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht im Ergebnis nicht anders als im Erkenntnis VfSlg 15103/1998 zu beurteilen. Lag dem Erkenntnis VfSlg 15103/1998 das Verhältnis von öffentlichen Apotheken untereinander - nämlich von Konzessionsinhabern und Konzessionswerbern - zugrunde, ist es nun das Verhältnis von ärztlichen Hausapotheken und Konzessionswerbern von neu zu errichtenden öffentlichen Apotheken.
Der Gesetzgeber hat für die an der Errichtung einer öffentlichen Apotheke interessierten Konzessionswerber eine Zutrittsschranke mit dem Ziel errichtet, bestehenden ärztlichen Hausapotheken ein Mindestversorgungspotential zu sichern; dabei stellt er wieder darauf ab, wie viele Personen zu versorgen sind.
Soweit eine Bestimmung das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel verfolgt, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, sieht der Verfassungsgerichtshof keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen; er ist weiterhin der Auffassung, dass eine Regelung, die einen Bedarf an einer öffentlichen Apotheke schon deshalb verneint, weil eine bestimmte Zahl von mit Heilmitteln zu versorgenden Personen nicht erreicht wird, wegen des Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art6 StGG verfassungswidrig ist.
Keine Änderungen der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für öffentliche Apotheken und ärztliche Hausapotheken.
Keine Rechtfertigung der Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Erwerbsausübungsfreiheit durch das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen.
Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark zu Zl UVS 90.16-4/2004-2 anhängigen Verfahren, nicht mehr anzuwenden sind, zielt darauf ab, dass diese nicht nur deshalb weiter anzuwenden sind, weil über den beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (zu G201/04) aus formalen Gründen nicht in der Sache zu entscheiden war.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Apotheken, Bedarfsprüfung, Konzessionserteilung, Hausapotheken, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G13.2005Dokumentnummer
JFR_09948986_05G00013_01