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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Aufnahme bestimmter Arzneimittel in den Gelben Bereich des Erstattungskodex mangels ausreichenden Nachweises des therapeutischen Nutzens; keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch bloß nachprüfende Kontrolle durch die Unabhängige Heilmittelkommission; hinreichende Bestimmtheit der Rechtsgrundlagen für die Entscheidung des Hauptverbandes; kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht; keine Bindung des Hauptverbandes an den arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid; keine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit; keine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen für die Einrichtung von SelbstverwaltungskörpernRechtssatz
Keine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK durch Beschränkung der Unabhängigen Heilmittelkommission auf eine bloß nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen des Hauptverbandes gemäß §351i Abs4 ASVG (ausführliche Hinweise auf die Rechtsprechung zum Erfordernis der Entscheidung eines Tribunals über "civil rights").
Handelt es sich um Streitigkeiten, die nicht über "civil rights" selbst entstanden sind, sondern solche nur in ihren Auswirkungen berühren - wie die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex -, so reicht es aus dem Blickwinkel des Art6 Abs1 EMRK aus, wenn eine Verwaltungsbehörde unter der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache tätig wird. Dies gilt auch dann, wenn die zunächst einschreitende Stelle (hier: der Hauptverband) der nachprüfenden Kontrolle einer - gleichsam an die Stelle des Verwaltungsgerichtshofes tretenden Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, wie sie die Unabhängige Heilmittelkommission darstellt, unterliegt.
Keine Bedenken ob der hinreichenden Bestimmtheit der Rechtsgrundlagen der Entscheidung des Hauptverbandes, insbesondere der - in §31 Abs3 Z12 und §351c ASVG enthaltenen - Kriterien für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex.
Kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch Einräumung eines gewissen Beurteilungsspielraums an die zuständigen Behörden.
Keine Bindung des Hauptverbandes an den arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid (siehe hiezu auch §22 Abs1 Z8 ArzneimittelG) bei Beurteilung des therapeutischen Nutzens einer Arzneimittelspezialität; keine Vorfrage iSd §38 AVG. Keine Bedenken gegen die selbständige Entscheidung des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneien in den Erstattungskodex.
Im Aufnahmeverfahren kommt dem arzneimittelrechtlichen Zulassungsbescheid nur insoweit Tatbestandswirkung zu, als nur zugelassene Arzneispezialitäten für die Aufnahme in den Erstattungskodex in Betracht kommen.
Kein Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs iSd Art28 EG, keine Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art234 EG.
Die Bestimmungen über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex fallen insoweit nicht einmal in den Anwendungsbereich des Art28 EG: Sie betreffen nämlich offensichtlich nicht die "Merkmale der Ware selbst", sondern bloß deren Vertrieb (vgl E v 10.03.05, B1703/03).
Keine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen für die Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern durch die Zuständigkeit des Hauptverbandes zur Erlassung des Erstattungskodex sowie zur Regelung des damit in Zusammenhang stehenden Verfahrens; Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Versicherten und den Krankenversicherungsträgern, Angelegenheit, die den Sozialversicherungsträgern zur eigenverantwortlichen Besorgung übertragen werden darf.
Keine Willkür, keine Verletzung des Eigentumsrechtes durch denkunmögliche Gesetzesauslegung.
Ausreichende Bescheidbegründung, keine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission. Keine Missachtung des Neuerungsverbotes durch Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Publikationen. Höhe des Arzneimittelumsatzes kein taugliches Kriterium.
Auch der in den Beschwerden ins Treffen geführten Richtlinie 89/105/EWG betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme, ABl. 1989 L 40/8, kann nicht entnommen werden, dass im Aufnahmeverfahren auf die wirtschaftliche Lage des antragstellenden Unternehmens Bedacht zu nehmen wäre.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Arzneimittel, Determinierungsgebot, Selbstverwaltung, EU-Recht, Sozialversicherung, Verwaltungsverfahren, Vorfrage, Bindung (der Verwaltungsbehörden an Tatbestandsmerkmale), NeuerungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B446.2005Zuletzt aktualisiert am
14.02.2012