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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung von Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes betreffend Ordnungswidrigkeiten von Strafgefangenen mangels Präjudizialität; nur die von der belangten Behörde im Anlassfall konkret herangezogene Strafnorm bei Verhängung der Ordnungsstrafe vom Verfassungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Bescheides anzuwendenRechtssatz
Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §107 Abs3 und des §118 Abs3 StVG.
Die Rechtmäßigkeit eines Strafbescheides (oder eines strukturell gleichzuhaltenden Bescheides in einem von vergleichbaren Verfahrensgrundsätzen geleiteten Disziplinarverfahren) hängt ua davon ab, dass dem Bestraften die verletzte Vorschrift - im Bescheidspruch
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richtig und vollständig vorgehalten wird. Notwendiger Gegenstand des Spruches solcher Bescheide ist nämlich nicht nur die verhängte Sanktion, sondern auch der zur Tat verdichtete Sachverhalt sowie die (in der Regel präzise vorzunehmende) Bezeichnung jener Norm, die
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nach Auffassung der Behörde - bei diesem Tatbild die Verhängung der Sanktion gebietet (vgl §44a Z1 bis Z3 und Z5 VStG, der gemäß §107 Abs4 StVG insoweit auch im hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwenden ist).
Der Verfassungsgerichtshof hat daher im Fall der Anfechtung eines solchen Bescheides - aus materiell-rechtlicher Sicht - nur zu prüfen, ob der Behörde bei der Heranziehung einer Strafnorm ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen bzw ob jene Rechtsvorschrift, welche die Behörde tatsächlich herangezogen hat, verfassungskonform ist, ohne dass es darauf ankäme, ob die im Bescheid ausgesprochene Sanktion nicht richtigerweise auf eine andere Bestimmung zu stützen gewesen wäre. Daher hat der Verfassungsgerichtshof in einer solchen Konstellation nur jene Strafbestimmung anzuwenden, welche auch die Behörde für ihre Entscheidung herangezogen hat.
Präjudiziell ist daher nur die von der Behörde bei Verhängung der Ordnungsstrafe herangezogene Bestimmung des §107 Abs1 Z10 StVG, nicht aber auch §107 Abs3 StVG: Die belangte Behörde hat nämlich die Verhängung der Disziplinarstrafe ausschließlich auf die erstgenannte Norm gestützt. §107 Abs3 StVG ist daher vom Verfassungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden.
Dies gilt auch für §118 Abs3 StVG, der nur wegen des im Einleitungsbeschluss vorläufig angenommenen untrennbaren Zusammenhangs mit §107 Abs3 StVG in Prüfung genommen worden ist.
Anlassfall B1432/03, B v 15.12.05: Ablehnung der Behandlung der Beschwerde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bescheid Spruch, Strafvollzug, Verwaltungsstrafrecht, Straferkenntnis, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:G1.2005Dokumentnummer
JFR_09948799_05G00001_01