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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Regelung der Öffnungszeiten von Verkaufsstellen bestimmter Größe am Linzer Hauptbahnhof in einer Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich; verfassungskonforme Auslegung des Öffnungszeitengesetzes im Sinne der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen; gerechtfertigte Anpassung an die Bedürfnisse der Reisenden in Ansehung der Größe der Verkaufsfläche und in zeitlicher Hinsicht; keine unklare Regelung bezüglich der Öffnungszeiten an SamstagenRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags einer Warenhandelsgesellschaft auf Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, LGBl 38/2005, für Verkaufsstellen bestimmter Art.
Die bekämpfte Verordnung legt fest, wann Verkaufsstellen welcher Größe am Linzer Hauptbahnhof offen gehalten werden dürfen. Die antragstellende Gesellschaft betreibt eine Verkaufsstelle am Linzer Hauptbahnhof. Sie ist daher unmittelbarer Adressat der Vorschrift. Die Möglichkeiten des Offenhaltens ihrer Verkaufsstelle, durch deren Beschränkung sie sich beschwert erachtet, sind durch die bekämpfte Verordnung eindeutig bestimmt und bedürfen keiner Konkretisierung durch Urteil oder Bescheid.
An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass ohne die Verordnung die Öffnungszeiten für die Verkaufsstelle allein durch das Gesetz bestimmt wären und die Freiheit des Unternehmers, Lebensmittel zu verkaufen, noch stärker beschränkt bliebe.
Abweisung des Antrags.
Die angegriffene Verordnung ermöglicht es, die Verkaufsstelle am Linzer Hauptbahnhof von Montag bis Freitag 6 Uhr bis 21 Uhr mit 600 m² offen zu halten, belässt es aber für die übrigen Zeiten außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten bei der gesetzlich festgelegten Fläche von höchstens 80 m².
Die Ermächtigung des Landeshauptmannes zur Festlegung einer größeren Verkaufsfläche als 80 m² besteht nur, "soweit es die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden ..... erforderlich machen". Zwar darf die gesetzlich festgesetzte (und infolge dessen starre, als Mindestgröße des Zulässigen gedachte) Verkaufsfläche stets nach Maßgabe der Verkehrszeiten offen gehalten werden; Satz 2 der Z1 des §7 ÖffnungszeitenG 2003 ermöglicht die Anpassung an die Einkaufsbedürfnisse der Reisenden am Ort bestimmter Verkehrseinrichtungen an die jeweils konkreten Verhältnisse jedoch nicht nur in Ansehung der Größe der Verkaufsfläche, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Wohl kann der Landeshauptmann nur eine größere Fläche festlegen, das kann (und muss) er aber nach Maßgabe der Einkaufsbedürfnisse, und diese sind zu verschiedenen Zeiten eben verschieden. Zu Recht weist der Landeshauptmann darauf hin, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Ausnahmebestimmungen des Öffnungszeitengesetzes auch Wettbewerbsverzerrungen vermeiden muss. Überschreitet nämlich die Verkaufsfläche das zur Befriedigung der Einkaufsbedürfnisse der Reisenden erforderliche Maß in der Zeit, zu der andere Verkaufsstellen geschlossen halten müssen, wirkt die Erlaubnis zum Offenhalten als ungerechtfertigte Bevorzugung der sie betreibenden Unternehmen. Demgegenüber fällt es nicht entscheidend ins Gewicht, dass die vorübergehende Reduzierung der Verkaufsfläche von 600 m² auf 80 m² lästige Vorkehrungen erfordert.
Was die Beschränkung auf Werktage von Montag bis Freitag betrifft, hält es der Verfassungsgerichtshof schon im Hinblick auf den Berufsverkehr für offenkundig, dass das Reisepublikum mit seinen Einkaufsbedürfnissen an Werktagen ein anderes ist als an den Wochenenden. Die Erwartungen der Reisenden stehen außerdem in einem gewissen Verhältnis zu den allgemeinen Ladenöffnungszeiten, indem die Notwendigkeit der Benützung von Verkehrseinrichtungen in gewissem Maße nur das sonst bestehende Einkaufsverhalten modifiziert, so zwar, dass das an Werktagen zu befriedigende Einkaufsbedürfnis am Ort der Verkehrseinrichtung befriedigt wird, während zu Zeiten allgemeinen Ladenschlusses nur besondere Bedürfnisse befriedigt werden müssen. Halten Verkaufsstellen an Bahnhöfen auch an Sonntagen in jenem Ausmaß offen, das während der Woche gerechtfertigt ist, erfüllen sie allenfalls ein Bedürfnis jedermanns, auch an Sonntagen einkaufen zu können. Das wäre im Verhältnis zu jenen Unternehmen, die in dieser Zeit ihre Verkaufsstellen geschlossen halten müssen, ein deutlicher Wettbewerbsvorteil. Die bloße Lage in Bahnhöfen würde eine solche Privilegierung allein nicht rechtfertigen. Darf die Verkaufsfläche am Linzer Hauptbahnhof von 6 Uhr bis 21 Uhr (statt bloß 80 m²) 600 m² betragen, so ist das plausibel und steht auch mit der Dichte des genutzten Verkehrsangebotes in Einklang. Dass vor 6 Uhr früh und nach 21 Uhr abends ein derart starkes Einkaufsbedürfnis (mit größerem Sortiment) bestehe, kann aus dem Umstand, dass auch zu diesen Zeiten Züge verkehren, nicht abgeleitet werden (und wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet).
Zu den Eventualanträgen auf Aufhebung von Teilen des §1 Abs1 und des Abs2 der Verordnung:
Keine weitere normative Wirkung des §1 Abs2 der Verordnung; bloße Klarstellung, dass es außerhalb der in Abs1 der Verordnung behandelten Zeit von Montag bis Freitag bei der im Gesetz vorgesehenen Verkaufsfläche von 80 m² verbleibt.
Keine unklare Regelung der Öffnungszeiten an Samstagen.
Das Fehlen einer besonderen Regelung für den Samstag in einer Verordnung nach §7 Z1 ÖffnungszeitenG 2003 hat zwar zur Folge, dass an Samstagen außerhalb allgemeiner normaler Öffnungszeiten keine größere Verkaufsfläche offen gehalten werden darf, dass aber das Offenhalten der 80 m² nicht übersteigenden Verkaufsstellen ebenso wenig durch eine Gesamtoffenhaltezeit beschränkt ist wie an anderen Tagen der Woche.
Dass der Landeshauptmann für die Zeit von Samstag 6 Uhr früh bis 18 Uhr abends keine Regelung getroffen hat, bedeutet, dass in dieser Zeit für die Verkaufsstellen am Linzer Hauptbahnhof die allgemeinen Öffnungszeiten von 6 Uhr bis 18 Uhr, und zwar wie für alle Verkaufsstellen flächenmäßig unbegrenzt gelten, weil für diese Zeit die 80 m²-Grenze des §7 Z1 ÖffnungszeitenG 2003 nicht maßgeblich ist.
Da die bekämpfte Verordnung für die Zeit von Montag bis Freitag von 6 Uhr bis 21 Uhr die zulässige Verkaufsfläche nach §7 ÖffnungszeitenG 2003 und damit für Verkaufsstellen, deren Öffnungszeiten nicht von einer Gesamtöffnungszeit beschränkt werden, festlegt, kann sich die Frage der Einhaltung einer Gesamtöffnungszeit nur für jene Zeiten stellen, für die keine Regelung nach §7 ÖffnungszeitenG 2003 getroffen wurde. Die allgemeinen Öffnungszeiten an Samstagen schöpfen aber die Grenze bei weitem nicht aus.
§7 Z1 Satz 1 ÖffnungszeitenG 2003 (Regelung der Rechtslage ohne Erlassung einer Verordnung) kein Prüfungsmaßstab bei Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung; daher keine Präjudizialität dieser Bestimmung.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Gewerberecht, Ladenschluß, Öffnungszeiten, VfGH / Individualantrag, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V80.2005Dokumentnummer
JFR_09948794_05V00080_01