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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Aufhebung einer weiteren straßenpolizeilichen "Ortstafelverordnung" in Kärnten wegen Widerspruchs zum Minderheitenschutz im Staatsvertrag von Wien; Hinweis auf die Vorjudikatur; Rechtspflicht der Bezirkshauptmannschaft zur Festlegung der Ortsbezeichnungen sowohl in deutscher als auch in slowenischer SpracheRechtssatz
Präjudizialität der von Amts wegen in Prüfung gezogenen Verordnung der BH Völkermarkt vom 15.07.82 betr Straßenverkehrszeichen im Verlauf der Bleiburger Bundesstraße B 81 idF der Verordnung vom 11.11.98 (VfSlg 16404/2001).
Anlassverfahren: Strafbescheid wegen überhöhter Geschwindigkeit im Ortsgebiet, Festlegung des Ortsgebietes durch die in Prüfung gezogene Verordnung.
Die im zweiten Satzteil des §12 Abs2 erster Satz VolksgruppenG getroffene Regelung betreffend die Festlegung der topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen gilt im Hinblick sowohl auf ihren eindeutigen Wortlaut als auch wegen ihres Zusammenhanges mit der restlichen Bestimmung des §12 Abs2 erster Satzteil sowie des §2 Abs1 Z2 VolksgruppenG für solche Fälle, in denen durch eine auf das VolksgruppenG gestützte Verordnung ein Gebietsteil als ein solcher bestimmt wurde, in dem topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. Für die im vorliegenden Zusammenhang allein maßgebliche Frage, ob die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen dem Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien widersprechen, weil in der Ortschaft Bleiburg die straßenpolizeilichen Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" - wie es in Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien heißt - "sowohl in slowenischer Sprache wie in Deutsch" zu verfassen gewesen wären, ist hingegen die Verordnung BGBl 308/1977 betreffend die Festlegung slowenischer Bezeichnungen ua in der Gemeinde Bleiburg (nicht jedoch für die Ortschaften Bleiburg und Ebersdorf) ohne Bedeutung.
Aufhebung der Worte "Bleiburg-Ebersdorf" und "Bleiburg" im Abschnitt
B) Punkt 3 lita und litb des §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15.07.82, Zahl 4600/1/81, idF der Verordnung vom 11.11.98, Zahl 1830/1/98, wegen Widerspruchs zu Art7 Z3 StV Wien 1955.
Siehe VfSlg 16404/2001.
Abstellen auf "Ortschaften" und nicht auf "Gemeinden" oder "Verwaltungsbezirke"; Relevanz des Ortsgebietes iSd straßenpolizeilichen Regelungen. "Ortschaftsbezogener Topographieregelungsansatz" iSd genannten Vorerkenntnisses aufgrund der spezifischen Siedlungsstruktur der slowenischen Volksgruppe.
Der Minderheitenprozentsatz (10% iSd Vorerkenntnisses), der sich aus dem Begriff "gemischte Bevölkerung" iSd Art7 Z3 StV Wien ergibt, ist - vor allem mangels einer diesbezüglich differenzierenden Regelung in der genannten Staatsvertragsbestimmung - ein einheitlicher, gleich, ob es um die Frage der Zulassung des Slowenischen als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen geht (Art7 Z3 erster Satz StV Wien) oder um das Verfassen von Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer Sprache als auch in Deutsch (Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien), und gleich welche territoriale Gliederung jeweils als "Verwaltungsbezirk" in Betracht kommt.
Eignung statistischer Erhebungen im Rahmen der Volkszählung zur Ermittlung von Gebieten mit "gemischter Bevölkerung".
Aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese - solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß §12 Abs2 VolksgruppenG nicht gilt - von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen.
Fristsetzung von sechs Monaten erforderlich, um der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt die rechtzeitige Erlassung einer der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragenden und dem Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien entsprechenden (Ersatz-)Regelung zu ermöglichen und dem §53 Abs1 Z17a StVO ("Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an ...") folgend durch Verordnung die Ortsbezeichnung in deutscher und slowenischer Sprache festzulegen.
Anlassfall: E v 12.12.05, B1307/04 - Abweisung der Beschwerde unter Hinweis auf die Vorentscheidung VfSlg 16403/2001 (Verhalten nach wie vor strafbar, Ortsgebiet auch durch §2 Abs1 Z15 iVm §20 StVO 1960 festgelegt).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Präjudizialität, Volksgruppen, Minderheiten, Ortstafeln, VfGH / Anlaßfall, VfGH / AnlaßverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:V64.2005Dokumentnummer
JFR_09948788_05V00064_01