RS Vfgh 2005/12/13 V67/05

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Veröffentlicht am 13.12.2005
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan der Stadtgemeinde Kufstein vom 29.05.02
Tir RaumOG 2001 §29 Abs5, §55

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines Bebauungsplanes wegen Unterlassung einer objektiven Nachprüfung eines vom Bauwerber beauftragten raumplanerischen Gutachtens als Entscheidungsgrundlage durch die Gemeinde; nachprüfende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde nicht ausreichend

Rechtssatz

Für die Präjudizialität ist es unerheblich, ob die Gemeinde auch ohne Erlassung des Bebauungsplans gemäß der Ausnahmebestimmung des §55 Tir RaumOG 2001 eine Baubewilligung erteilen hätte dürfen, da die Stadtgemeinde Kufstein jedenfalls einen Bebauungsplan erlassen hat und diesen im Verfahren auch angewendet hat.

Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 29.05.02, mit der ein allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan erlassen wurde.

Für die Ausarbeitung eines Bebauungsplanes dürfen gemäß §29 Abs5 Tir RaumOG 2001 nur staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker und Technische Büros im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnis (lita) oder Bedienstete von Gemeinden, die eine den nach lita Befugten vergleichbare fachliche Qualifikation aufweisen, im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit, herangezogen werden.

Die nachprüfende Kontrolle der Landesregierung in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde kann die gesetzmäßige Vorgangsweise der Gemeinde zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage dabei in keiner Weise ersetzen.

Um die Objektivität eines raumplanerischen Gutachtens sicherzustellen, muss die Gemeinde selbst eine Sachverständigenauswahl treffen und den Auftrag zum Entwurf eines Bebauungsplanes samt Grundlagenforschung erteilen. Es mag zulässig sein, dass ein Dritter die Kosten der Änderung des Planes einschließlich jener der Erstellung eines raumplanerischen Gutachtens trägt. Ein Gutachten jedoch, das ein Raumplaner - und sei es auch der Ortsplaner der Gemeinde - im Auftrag eines Bauwerbers erstellt, kann die Gemeinde ihrer Entscheidung nicht ohne Beurteilung unter ihrer Verantwortung zugrunde legen, weil die Objektivität des Gutachters infolge des Auftragsverhältnisses zwischen dem Gutachter und dem Auftraggeber und den sich daraus ergebenden gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen nicht zweifelsfrei gegeben ist.

Anlassfall B927/03, E v 15.12.05, Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Sachverständige, VfGH / Präjudizialität, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V67.2005

Dokumentnummer

JFR_09948787_05V00067_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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