Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.815,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein je vom 6.4.2004 wurden über die Beschwerdeführer als handelsrechtliche Geschäftsführer einer Abfallbehandlungsanlage, der
T I GmbH, wegen der Unterlassung der Verbringung von nicht verwertbarem Restmüll auf die Deponie Wörgl-Riederberg im Jahr 2001 gemäß §8a Abs3 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 1992, mit der ein Abfallwirtschaftskonzept erlassen wird, LGBl. 1/1993 idF 13/2000 (im Folgenden: TAWK) Geldstrafen verhängt. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 29.6.2004 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung ua. in Rechten wegen der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (§8a Abs3 TAWK) behauptet wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1.12.2005, V81/05, ausgesprochen, dass §8a Abs3 TAWK gesetzwidrig war sowie dass die Absätze 1 und 2 des §8a TAWK als gesetzwidrig aufgehoben werden.
2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am 1.12.2005. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 20.8.2004 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig erkannte Verordnungsbestimmung des §8a Abs3 TAWK an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre der Beschwerdeführer nachteilig beeinflusst wurde. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B1091.2004Dokumentnummer
JFT_09948795_04B01091_2_00