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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zulässigkeit des Individualantrags eines Rauchfangkehrermeisters auf Aufhebung einer - eine untrennbare Einheit bildenden - Verordnung über die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe; kein Vorliegen einer dem verordnungserlassenden Organ - Landeshauptmannstellvertreter als nach der Geschäftsordnung zuständiges Mitglied der Landesregierung im Namen des Landeshauptmannes - zuzurechnenden Äußerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren; Aufhebung der Verordnung mangels zureichenden Ermittlungsverfahrens und mangels Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe; Gesetzwidrigkeit auch der rückwirkenden Inkraftsetzung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer RückwirkungRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl 50/2005.
Der Antragsteller ist als Rauchfangkehrermeister Adressat der Festlegung höchstzulässiger Tarife für seine Leistungen. Die Einnahme höherer Entgelte ist mit Verwaltungsstrafe bedroht (§367 Z31 GewO 1994). Ein anderer Weg, an die Verordnung heranzukommen, ist ihm nicht zumutbar.
Die Verordnung bildet insgesamt ein geschlossenes System für die Rauchfangkehrerentgelte und insoweit eine nicht trennbare Einheit. Dass der Antragsteller von irgendeiner Verordnungsstelle nicht unmittelbar betroffen wäre, ist nicht zu sehen. Jede Tarifpost und jede Begriffsbestimmung oder Berechnungsmethode kann im Zuge seiner gewöhnlichen Leistungen jederzeit wirksam werden.
Festzuhalten ist, dass die an den Landeshauptmann von Burgenland (als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung) gerichtete Aufforderung zur Äußerung im Verfahren zur Prüfung der in seinem Namen erlassenen Verordnung weder - wie zunächst geschehen - von der Landesregierung (als Organ des Landes) noch vom Landeshauptmann selbst, sondern durch den Landeshauptmannstellvertreter als nach der Geschäftsordnung zuständiges Mitglied der Landesregierung (Art103 Abs2 B-VG) in seinem Namen abzugeben gewesen wäre.
Eine dem verordnungserlassenden Organ zuzurechnende Äußerung liegt daher nicht vor.
Nach §125 Abs2 GewO 1994 ist vor der Festlegung der Höchsttarife unter anderem die zuständige Landesinnung der Rauchfangkehrer zu hören. Das ist nicht geschehen. Die Beiziehung der Wirtschaftskammer Burgenland genügt angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes nicht.
Nach §125 Abs1 GewO 1994 sind die Höchsttarife unter anderem so festzusetzen, dass die Betriebe leistungsfähig bleiben. In den Akten fehlt jeder Anhaltspunkt darüber, wie der Verordnungsgeber zu den verordneten Tarifpositionen gekommen ist und wie sich die Änderung des Tarifsystems im Zusammenwirken mit den Tarifsätzen insgesamt für die Gewerbetreibenden auswirkt. Weder der zur Begutachtung versendete Entwurf noch die Entschließung des Landtages, der die Verordnung ohne weitere Begründung folgt, enthalten irgendwelche Überlegungen (Rechenwerke), aus denen sich die Angemessenheit des Tarifs ergäbe. Es ist daher offenkundig und bedarf keiner weiteren Darlegung, dass die nach §125 Abs1 GewO maßgebliche Leistungsfähigkeit der Betriebe nicht erhoben wurde. Dazu war aber spätestens nach dem Ergebnis des Begutachtungsverfahrens Anlass: Sowohl der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wie die Wirtschaftskammer Burgenland haben konkrete Einwendungen in Bezug auf die zu erwartenden Auswirkungen erhoben. Eine Auseinandersetzung mit den im Begutachtungsverfahren erhobenen Einwendungen hat nicht stattgefunden. Setzt sich die Behörde mit den Ergebnissen der Anhörung nicht auseinander, wird aber der Zweck der Anhörung nicht erfüllt. Die Entschließung des für die Angelegenheit in der Sache selbst unzuständigen Landtags, deren Zustandekommen sich jeder Beurteilung entzieht, kann die notwendigen Ermittlungen nicht ersetzen.
Die am 15.07.05 kundgemachte Verordnung ist nach ihrem §7 Abs1 im Zusammenhalt mit dem Inkrafttreten des Kehrgesetzes mit Wirkung vom 01.07.05 in Kraft gesetzt worden. Ein rückwirkendes Inkrafttreten von Verordnungen ist aber nur zulässig, wenn das Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt (vgl zB VfSlg 155675/1999). Das ist nicht der Fall. §7 Abs1 der Verordnung ist daher auch aus diesem Grund gesetzwidrig.
Schlagworte
Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verfahren, Verordnungserlassung, Bundesverwaltung mittelbare, Rückwirkung, AnhörungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V82.2005Dokumentnummer
JFR_09939698_05V00082_01