RS Vfgh 2006/3/3 G105/05 ua, V79/05 ua

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Veröffentlicht am 03.03.2006
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Index

14 Organisationsrecht
14/03 Abgabenverwaltungsorganisation

Norm

B-VG Art5
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art77
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
AVOG (AbgabenverwaltungsorganisationsG) §2, §17a
Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Einrichtung der Steuer- und Zollkoordination, BGBl II 168/2004

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz betreffend die Dezentralisierung der Finanzverwaltung durch Einrichtung besonderer regionaler, als Organe des Ministeriums tätiger Verwaltungseinheiten; verfassungskonforme Auslegung als Regelung der inneren Organisation des Finanzministeriums; Steuer- und Zollkoordination keine nebengeordnete Dienststelle oder untergeordnetes Amt; verfassungskonforme Auslegung auch der Verordnung zur Einrichtung der Steuer- und Zollkoordination; keine Einrichtung eigener Organisationseinheiten außerhalb Wiens; Vorliegen einer Rechtsverordnung jedenfalls aufgrund einer übergangsweisen Zuständigkeitsregelung

Rechtssatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §2 AVOG - AbgabenverwaltungsorganisationsG - unter dem Aspekt des Art5 B-VG. Verfassungskonforme Auslegung möglich.

Für eine Dienststelle (iSd Definition in der Allgemeinen Verwaltungslehre, siehe hiezu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³ 332), die als Hilfsorgan des jeweiligen Bundesministers, also eines individuellen (obersten) Verwaltungsorganes fungiert, bedeutet die aus Art5 Abs1 iVm Art77 B-VG folgende Anordnung, dass auch diese dem obersten Organ zugeordnete Dienststelle der Bundesverwaltung in Wien, also auf dem Territorium der Bundeshauptstadt Wien, einzurichten ist. Ausgehend davon ist eine Dekonzentration eines Bundesministeriums der Art, dass einzelne seiner Organisationseinheiten außerhalb des Gebietes der Bundeshauptstadt Wien eingerichtet werden, mit Art5 Abs1 B-VG unvereinbar.

Die Steuer- und Zollkoordination ist Teil (eine Organisationseinheit) des Bundesministeriums für Finanzen; sie ist also weder eine diesem Bundesministerium (im Hinblick auf Art77 Abs1 unzulässige, vgl etwa VfSlg 4117/1961) "nebengeordnete" Dienststelle, noch ein (im Hinblick auf Art77 Abs1 zulässiges) dem Bundesminister für Finanzen bzw dem von ihm geleiteten Bundesministerium "unterstelltes Amt".

Dem gemäß stellt §2 AVOG also eine Regelung der inneren Organisation des Bundesministeriums für Finanzen dar. Vom Wortlaut des §2 AVOG ausgehend ermächtigt diese Bestimmung weiters nicht dazu, die dort vorgesehenen Organisationseinheiten dieses Bundesministeriums außerhalb des Territoriums der Bundeshauptstadt Wien einzurichten;

auch die in §2 AVOG verwendete Formulierung: "... besondere

Organisationseinheiten ... mit regionalem Wirkungsbereich" ist

nämlich in verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu verstehen, dass es sich dabei um Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Finanzen handelt, die in Wien eingerichtet sind, deren Wirkungsbereich sich jedoch auf regional abgegrenzte Teile des Bundesgebietes erstreckt.

Keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Einrichtung der Steuer- und Zollkoordination, BGBl II 168/2004.

Auch der Wortlaut dieser Verordnung lässt eine verfassungs- und gesetzeskonforme Auslegung dahingehend zu, dass damit nicht die Einrichtung von (besonderen) Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Finanzen außerhalb Wiens normiert wird.

Tauglicher Prüfungsgegenstand iSd Art139 Abs1 B-VG; keine lediglich die innere Organisation betreffende Verwaltungsverordnung, sondern Vorliegen einer Rechtsverordnung.

Die in Rede stehende Verordnung ist nicht bloß auf §2 AVOG, sondern auch auf dessen §17a gestützt. Im Hinblick darauf ist mit dieser Verordnung aber (auch) eine - übergangsweise - Zuständigkeitsregelung iSd §17a Abs1 AVOG dahingehend getroffen worden, dass die bisher von den Finanzlandesdirektionen besorgten Aufgaben nunmehr insoweit von näher definierten Zollämtern oder Finanzämtern wahrzunehmen sind, als diese Aufgaben nicht gemäß der in Rede stehenden Verordnung der Steuer- und Zollkoordination des Bundesministeriums für Finanzen bzw diesem Bundesministerium gemäß §17a Abs2 AVOG zukommen. Im Hinblick darauf hat die in Rede stehende Verordnung aber jedenfalls normative Bedeutung.

Anlassfall: E v 17.03.06, B218/05 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgrund verfassungswidriger Gesetzesauslegung; Bescheiderlassung als eigene Organisationseinheit "Steuer- und Zollkoordination Region West" für den Finanzminister. Siehe auch Quasi-Anlassfälle B7/05 und B28/05 vom selben Tag; weiters B908/05, E v 06.06.06.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verwaltungsorganisation, Behördenzuständigkeit, Abgabenverwaltungsorganisation, Finanzbehörden, Oberste Organe der Vollziehung, Auslegung verfassungskonforme, Verordnungsbegriff, RechtsV, VerwaltungsV, Zollbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G105.2005

Dokumentnummer

JFR_09939697_05G00105_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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