RS Vfgh 2006/3/16 G85/05 ua - B463/04, B740/04

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Veröffentlicht am 16.03.2006
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Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/01 Fernmeldewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 dritter Satz
FernmeldegebührenO §47 Abs2, §48 Abs2
RundfunkgebührenG §2

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit der ORF-Gebührenbefreiung für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen in der Fernmeldegebührenordnung; keine unsachliche Differenzierung zwischen den generell von der Rundfunkgebühr befreiten Pflegeheimen für derartige Personen und den bloß im Fall der Nichtüberschreitung eines bestimmten Haushalts-Nettoeinkommens befreiten betroffenen Personen selbst; kein Verstoß gegen das Verbot der Gleichbehandlung behinderter und nichtbehinderter Menschen bei sachlich gebotener Differenzierung

Rechtssatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "lit. b" in §48 Abs2 der Anlage zum FernmeldegebührenG (FernmeldegebührenO), BGBl 170/1970, idF BGBl I 71/2003, betreffend die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Heime für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen ohne die ansonsten geltende Einkommensgrenze.

Gemäß §47 Abs2 Z2 litb iVm §48 Abs2 FernmeldegebührenO (idF BudgetbegleitG 2003) kommt die Befreiung von der Entrichtung der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen lediglich den Pflegeheimen für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen als solche zugute. Die dort lebenden Personen profitieren bloß indirekt von der Gebührenbefreiung für Fernsehempfangseinrichtungen. Da die Personen(gruppen), die in Pflegeheimen leben, heterogen sind, ist eine Bedachtnahme auf die persönliche Einkommenssituation, wie sie §48 Abs1 FernmeldegebührenO vorsieht, nicht möglich. Die typisierende Betrachtungsweise ist daher zulässig und sachlich gerechtfertigt.

Auch keine Bedenken dagegen, dass Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen (, die in einem Haushalt mit einem Haushalts-Nettoeinkommen über dem in §48 Abs1 FernmeldegebührenO festgesetzten Richtsatz leben) zur Entrichtung der (gesamten) Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen verpflichtet sind, obwohl sie aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, die gebührenpflichtige öffentliche Leistung des Fernsehempfangs in vollem Ausmaß zu konsumieren.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Rundfunkgebühr gemäß §2 Abs1 RundfunkgebührenG eine Form einer (nutzungsunabhängigen) Abgabe auf den Betrieb oder die Betriebsbereitschaft einer Rundfunkempfangseinrichtung ist und unabhängig davon anfällt, ob das Fernsehgerät tatsächlich benützt wird, ob damit Programme des ORF oder ausschließlich privater (ausländischer) Rundfunkanbieter empfangen werden sowie von der Nutzung des Fernsehgerätes innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts. Daher ist für das Entstehen der Gebührenpflicht die Wahrnehmbarkeit oder Nicht-Wahrnehmbarkeit von Rundfunkprogrammen, die verschiedene Ursachen haben kann, nicht maßgeblich.

Art7 Abs1 dritter Satz B-VG, idF BGBl I 87/1997, verbietet es dem Gesetzgeber auch, behinderte und nichtbehinderte Menschen in allen Fällen gleich zu behandeln, in denen eine Differenzierung sachlich geboten ist. Der Gesetzgeber ist dem Gebot in Art7 Abs1 dritter Satz B-VG im vorliegenden Fall dadurch nachgekommen, dass er die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen auf Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen erstreckt hat. Es kann ihm aber auf der anderen Seite nicht entgegengetreten werden, wenn er diese Begünstigung auf Fälle sozialer Bedürftigkeit beschränkt und ab einer bestimmten Einkommenshöhe entfallen lässt, zumal es sich - wie hier - um eine relativ geringfügige finanzielle Belastung handelt.

Anlassfälle: B463/04 und B740/04, beide E v 10.06.06, Abweisung der Beschwerden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fernmeldegebühren, Gebühr (Fernmelderecht), Rundfunkgebühren, Behinderte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G85.2005

Dokumentnummer

JFR_09939684_05G00085_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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