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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung des Antrags der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse auf Ersatz der Kosten für intensivmedizinische Betreuung eines Versicherten im häuslichen Bereich durch den Oö Krankenanstaltenfonds; keine medizinische Hauskrankenpflege iSd ASVG; Anspruch im Hinblick auf die erforderliche, aber mangels Vorhandenseins verfügbarer Einrichtungen nicht mögliche Anstaltspflege vom System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung erfasst; Zuständigkeit der Schiedskommission nach dem Oö KAG 1997 daher gegebenRechtssatz
Bei dem in Rede stehenden Leidenszustand (beatmungspflichtiger Tetraplegiker) handelt es sich um einen solchen, der seiner Art nach grundsätzlich die dauerhafte Unterbringung in einer apparativ und personell entsprechend ausgestatteten Abteilung einer bettenführenden Krankenanstalt erfordern würde (vgl auch OGH, Beschluss vom 21.06.04, 10 ObS 68/04d).
Diese ist aber nicht möglich, weil eine solche Unterbringung auf Dauer in den faktisch im Land Oberösterreich vorhandenen Einrichtungen (zB Intensivstationen) medizinisch kontraindiziert wäre und geeignete Einrichtungen für eine solche Unterbringung nicht vorhanden sind. Die an die Stelle der Anstaltspflege tretende qualifizierte häusliche Betreuung ist weder eine vorübergehende, noch genügt die Beiziehung qualifizierten Personals, sondern es bedarf überdies auch der apparativen Ausstattung, wie sie sonst nur in Krankenanstalten vorhanden ist.
Die medizinische Hauskrankenpflege iSd §144 Abs1 iVm §151 ASVG ist von den Bund-Länder-Vereinbarungen über die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997-2000 bzw 2001-2004 nicht erfasst, auch wenn sie der Sache nach Krankenhausersatzpflege ist (vgl schon VfSlg 17155/2004). Die Kosten der medizinischen Hauskrankenpflege sind daher von den Krankenversicherungsträgern unmittelbar zu tragen. Bei dem hier in Rede stehenden Fall handelt es sich aber nicht um medizinische Hauskrankenpflege im Verständnis des §144 Abs1 iVm §151 ASVG (bei der die Art der Krankheit die häusliche Pflege zulässt), sondern um einen Fall, in dem Anstaltspflege geboten, aber aus besonderen Gründen nicht durchführbar ist. In einem solchen Fall sind die Kosten nach dem Gesetz im Rahmen des von den Krankenversicherungsträgern (mit)finanzierten Systems der Krankenanstaltenfinanzierung von den Landesfonds zu bedecken.
Den Krankenversicherungsträgern kommen gemäß §1042 ABGB Ersatzansprüche gegenüber den in Betracht kommenden Landeskrankenanstaltenfonds zu, soweit Leistungen, die mit den Pauschalbeiträgen der Sozialversicherungsträger zur Krankenanstaltenfinanzierung abgegolten sind, in Fondskrankenanstalten nicht erbracht worden sind (vgl VfSlg 15972/2000 - Dialysebehandlungen und VfSlg 16959/2003 - Laborleistungen), und daraus für die Krankenversicherungsträger Mehrkosten entstanden sind; der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch stets die Schiedskommission nach dem jeweiligen Landeskrankenanstaltengesetz als zur Entscheidung über solche Ansprüche berufene Behörde erachtet (vgl auch E v 28.11.05 B433/05).
Um einen solchen Anspruch handelt es sich auch hier:
Es liegt hier nämlich nicht medizinische Hauskrankenpflege im Verständnis des §144 Abs1 ASVG (bei dem die Art der Krankheit die häusliche Pflege zulässt) nach Maßgabe des §151 ASVG vor, sondern ein besonderer Fall, in dem für den Versicherten eine an sich erforderliche Anstaltspflege mangels geeigneter, diesem medizinisch auch zumutbarer Ressourcen ausnahmsweise nicht erbracht werden konnte, sodass eine häusliche Pflege mit entsprechend apparativem und personellen Aufwand an Stelle der Anstaltspflege treten musste. Der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse sind daraus Kosten erwachsen, die ansonsten in Krankenanstalten entstanden und daher vom Oö Krankenanstaltenfonds zu bedecken gewesen wären. Der Anspruch des beschwerdeführenden Versicherungsträgers besteht auf Grund des Systems der Krankenanstaltenfinanzierung gegen den Krankenanstaltenfonds (und nicht etwa gegen das Land), zumal der Versicherte in erster Linie in eine fondsfinanzierte Krankenanstalt einzuweisen gewesen wäre.
Für die Beantwortung der Frage, von welchem Teil des Finanzierungssystems die Kosten einer intensivmedizinischen Langzeitbehandlung zu tragen sind, ist es auch unerheblich, ob die Einrichtung und Vorhaltung von Spezialabteilungen außerhalb der Intensivstationen, wie sie für Leidenszustände wie den hier in Rede stehenden erforderlich wären, bewusst unterbleibt; dies kann durchaus nahe liegen, wenn es in den wenigen Einzelfällen, in denen sie benötigt würden, kostengünstiger und für den Pflegeerfolg an sich vorteilhafter ist, die häusliche Umgebung des Patienten entsprechend auszustatten und die Leistung durch ausgelagerte Anstaltspflege in Form einer besonderen Art der Hauskrankenpflege extramural zu erbringen.
Schlagworte
Krankenanstalten, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Krankenanstaltenfinanzierung, KostenersatzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B304.2005Dokumentnummer
JFR_09939683_05B00304_01