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57 VersicherungenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung des Eigentums- und des Gleichheitsrechtes durch eine - mittels Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten angefochtene - Neuregelung im Pensionskassengesetz betreffend die Berechnung von Fehlbeträgen aufgrund der mehrjährigen Baisse am Veranlagungsmarkt; kein unverhältnismäßiger Eingriff ins Eigentumsrecht; öffentliches Interesse an Verhinderung der Beeinträchtigung der Bonität von Pensionskassen durch kontinuierliche Verminderung der Eigenmittel; ausreichende Interessenabwägung zwischen Interessen der Gesellschafter von Pensionskassen und der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten; keine Verletzung des VertrauensschutzesRechtssatz
Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrags eines Drittels der Abgeordneten zum Nationalrat auf Aufhebung des §2 Abs2, Abs3 und Abs4 PensionskassenG idF BudgetbegleitG 2003, BGBl I 71/2003; untrennbarer Zusammenhang der angefochtenen Absätze (Regelung des Fehlbetrages, daran anknüpfend Regelung für die Folgejahre sowie Anknüpfung an Berechnungsmodalitäten). Anwendungsbereich für Geschäftsjahre vor dem 01.01.05 auch nach der PensionskassenG-Nov 2005, BGBl I 8/2005, gegeben.
Keine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen.
Vorliegen eines Eingriffs ins Eigentumsrecht gegeben in Folge gesetzlicher Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen Privaten, nämlich den Pensionskassen und ihren Kunden.
Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse.
Das durch das PensionskassenG in der Fassung vor der PensionskassenG-Nov 2003 vorgegebene System, das im Wesentlichen auf der Novelle 1996, BGBl 755/1996, beruht, konnte nur funktionieren, solange der Markt für die Veranlagung so günstig war, dass Mindesterträge erzielt werden oder nur kurzfristig Eigenkapital der Pensionskassen zuzuschießen war und diese Zuschüsse nicht die im Gesetz vorgesehene Eigenkapitalbasis, die dem Gläubigerschutz und damit letztlich auch den Anwartschaftsberechtigten dient, gefährdeten.
Auf Grund der mehrjährigen Baisse am Veranlagungsmarkt drohte im Jahr 2003 eine Situation, die es den Pensionskassen unmöglich gemacht hätte, beide gesetzlichen Verpflichtungen (Nachschusspflicht und Eigenkapitaldeckung) zu erfüllen. Der Gesetzgeber sah sich daher veranlasst zu reagieren, indem er die PensionskassenG-Novelle 2003 erließ.
Die PensionskassenG -Novelle 2003 sieht nun vor, dass bei der erstmaligen Feststellung eines Fehlbetrages keine Ergänzung aus den Eigenmitteln der Pensionskasse erfolgt, sondern die Pension, die sich aus der Verrentung des Fehlbetrages ergibt, den Leistungsberechtigten im Folgejahr aus den Eigenmitteln gutzuschreiben ist. Die Eigenmittel der Pensionskassen werden somit erst im Folgejahr herangezogen, sofern der Fehlbetrag für den Leistungsberechtigten tatsächlich Auswirkungen hat. Ferner wird gemäß §2 Abs3 PensionskassenG vorgesehen, dass spätere über dem Mindestertrag liegende Erträge berücksichtigt werden und die Ergänzung aus den Eigenmitteln eingestellt werden kann. Im Ergebnis führt die Neuregelung also zur Verlängerung des Beobachtungszeitraums und damit zur Verringerung des Risikos der Heranziehung von Eigenmitteln der Pensionskasse. Durch die Einführung einer Mindestertragsrücklage (§7 Abs5 PensionskassenG) und die Änderung der Bestimmungen über die Eigenmittelverwendung im Falle des Auftretens von Fehlbeträgen (§2 Abs2 und 3 PensionskassenG) soll also das "Abschmelzen" der Eigenmittel verhindert werden.
Die Verhinderung einer Situation, die zu einer Beeinträchtigung der Bonität von Pensionskassen durch die kontinuierliche Verminderung der Eigenmittel, unter Umständen sogar zu deren Liquidation führt, liegt nicht nur im Interesse der Pensionskassen und ihrer Gesellschafter, sondern auch im öffentlichen Interesse. Allfällige Fehleinschätzungen der Marktlage durch Unternehmer liegen zwar allein in deren Risikobereich. Der Gesetzgeber hat aber bei der Erlassung der PensionskassenG-Nov 2003 nicht auf Fehleinschätzungen von Unternehmern reagiert, sondern auf die bei der Erlassung der Novelle 1996 von ihm nicht bedachte Marktentwicklung und die von ihm erst später erkannten Folgen daraus.
Einem Gesetzgeber, der bemüht ist, durch einen längeren Beobachtungszeitraum negative Folgen einer mehrjährigen Baisse am Anlagemarkt entgegen zu wirken, kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen getreten werden.
Verhältnismäßigkeit der Regelung. Nachschusspflicht wäre Eingriff ins Eigentum der Arbeitgeber bzw Gesellschafter mit bedeutenden negativen Folgen für das ganze Pensionskassenwesen bzw Hindernis für die Gründung weiterer Pensionskassen; Existenz möglichst zahlreicher Pensionskassen im Interesse der Kunden.
Keine einseitige Interessenabwägung; Interessen der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ausreichend berücksichtigt und nicht nur Interessen der Gesellschafter von Pensionskassen.
Keine Verletzung des Vertrauensschutzes, kein intensiver Eingriff weder in bestehende Pensionen noch in zukünftige Pensionsleistungen der Anwartschaftsberechtigten (siehe hiezu auch das von der Bundesregierung vorgelegte versicherungsmathematische Gutachten; im Gegensatz dazu abweichendes Gutachten der Antragsteller; beide Gutachten teils auf Mutmaßungen basierend); keine plötzlichen Auswirkungen der PensionskassenG-Nov 2003.
Schlagworte
Pensionskassen, VfGH / Prüfungsumfang, Novellierung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Eigentumseingriff, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G79.2005Dokumentnummer
JFR_09939682_05G00079_01