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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine sachliche Rechtfertigung des Wegfalls der Betriebsrente in der Sozialversicherung der Bauern bei Anfall einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit; Betriebsaufgabe nicht Voraussetzung für den Anfall dieser Pension; keine Zerstreuung der Bedenken durch die vorgesehene Gewährung der Abfindung der versicherungsmathematisch berechneten Unfallrente in halber HöheRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung von Wortfolgen in §148i und §148j BSVG betreffend den Wegfall der Betriebsrente bzw die Abfindung von Renten.
Zulässiger Anfechtungsumfang iGgs zu B v 05.10.05, G43/05.
Die angefochtenen Gesetzesstellen könnten aus dem Blickwinkel der im damaligen Antrag aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen nicht isoliert - ohne Einbeziehung der den Abfindungsanspruch regelnden Bestimmungen - Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein.
Aufhebung der Wortfolge "geminderten Arbeitsfähigkeit bzw." in §148i Abs1 erster Satz BSVG, BGBl 559/1978, idF der 22. BSVG-Nov, BGBl I 140/1998, und der Wortfolge "der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw." im zweiten Satz leg cit.
Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §148j Abs2 erster Satz BSVG idF der 22. BSVG-Nov.
Siehe hiezu auch E v 10.03.05, G147/05: Pensionsbemessung nach BSVG nicht vom Einkommen, sondern vom Einheitswert abhängig.
In einem solchen System, welches auch der antragstellende Gerichtshof ausdrücklich für verfassungskonform erachtet, überschreitet der Gesetzgeber seinen rechtpolitischen Spielraum nicht, wenn er einen angefallenen Betriebsrentenanspruch nicht nur im Falle der Betriebsaufgabe, sondern auch schon im Falle der Inanspruchnahme einer Alterspension nach dem BSVG bei Erreichen des Regelpensionsalters (womit die Betriebsaufgabe häufig Hand in Hand gehen wird, wenn auch nicht muss), enden lässt. Die Höhe dieser Alterspension wird nämlich - soweit sie auf Zeiten der Pflichtversicherung nach dem BSVG beruht - auf Grund der Besonderheit der Errechnung ihrer Bemessungsgrundlage aus dem Versicherungswert der land(forst)wirtschaftlich genutzten Liegenschaften im Allgemeinen von der eingeschränkten Erwerbsfähigkeit des Landwirtes nicht beeinträchtigt. Gleiches gilt auch dann, wenn für die Gewährung einer solchen Alterspension nicht der Pensionsversicherungsträger nach dem BSVG, sondern ein anderer Pensionsversicherungsträger nach dem ASVG oder nach dem GSVG zuständig ist, da dabei in gleicher Weise die Versicherungszeiten aus allen Zweigen der Pensionsversicherung zur Pensionsberechnung herangezogen werden (vgl §242 Abs6 ASVG, §127 Abs2 GSVG), sodass aus der Zuständigkeit des einen oder des anderen Versicherungsträgers kein Unterschied in der Pensionsberechnung folgt. Soweit aber ein Landwirt ungeachtet der Inanspruchnahme der Alterspension den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb trotz Erreichens oder Überschreitens des Regelpensionsalters weiterführt, erhält er durch eine Abfindung in Höhe der Hälfte des Wertes des der Betriebsrente entsprechenden Kapitals einen (in einer Durchschnittsbetrachtung) angemessenen finanziellen Ausgleich, der eine (wenn auch zeitlich zunächst noch hinausgeschobene) "geordnete Betriebsübergabe" ermöglicht.
Mit einem solchen System steht dann aber notwendigerweise auch eine Regelung im Einklang, wonach die Betriebsrente mit dem Anfall eines anderen Anspruchs auf eine Eigenpension endet, sofern dieser eine Betriebsaufgabe voraussetzt.
Hingegen können mit diesen Überlegungen nicht auch die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen zerstreut werden, soweit sie eine vorzeitige Beendigung des Anspruchs auf Betriebsrente schon bei Anfall von Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ua auch nach dem ASVG und dem GSVG vorsehen.
Für den Anfall einer dieser Pensionen ist die Aufgabe der Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nicht erforderlich. Bei einer Durchschnittsbetrachtung kann in diesen Fällen - anders als bei den Alterspensionen wegen Erreichen des Regelpensionsalters - aber auch nicht ohne weiteres die Aufgabe des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes erwartet werden, da eine pensionsbegründende Minderung der Arbeitsfähigkeit auch in jüngeren Jahren eintreten und die betreffende Person gerade dann auf die (ungeschmälerten bzw durch die Betriebsrente ergänzten) Einkünfte aus dem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb angewiesen sein kann.
Ein derartiger Pensionsbezug lässt auch insoweit weder Rückschlüsse auf eine mutmaßliche Betriebsaufgabe zu, noch vermöchte er die Fiktion einer Betriebsaufgabe sachlich zu rechtfertigen.
Der Wegfall der Betriebsrente nach dem BSVG kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass der (Unfall-)Versicherte seinen Lebensunterhalt nur zu einem nicht wesentlichen Teil aus seinem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bestreitet (siehe Vorerkenntnis). Auch die hier zu prüfenden gesetzlichen Bestimmungen differenzieren weder nach der Höhe der ASVG- bzw GSVG-Pension, noch sehen sie überhaupt eine Bedachtnahme auf die sonstigen wirtschaftlichen Umstände der versicherten Person vor.
Keine Zerstreuung der Bedenken durch die vorgesehene Gewährung der Abfindung der versicherungsmathematisch berechneten Unfallrente in halber Höhe. Es ist nämlich - gemessen am sozialpolitischen Zweck der Betriebsrente - kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum einem Landwirt (wie dem Kläger des Ausgangsverfahrens), bei dem eine Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG (bzw GSVG) anfällt, anders als anderen eine Betriebsrente beziehenden Landwirten die durch die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachten Mehrkosten oder Mindereinnahmen für den Zeitraum bis zur Aufgabe des Betriebes bzw bis zur Inanspruchnahme einer Alterspension nur mit der Hälfte des Wertes der Betriebsrente abgegolten werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Zusammentreffen von Leistungen, Pensionsversicherung, Unfallversicherung, Versehrtenrente, Rechtspolitik, Sozialpolitik, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G16.2006Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008