RS Vfgh 2006/9/29 G37/06

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Veröffentlicht am 29.09.2006
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art15 Abs1
ArbeitnehmerInnenschutzG §7, §8
BauarbeitenkoordinationsG §4 Abs1

Leitsatz

Kompetenzwidrigkeit einer Bestimmung des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes betreffend die Verpflichtung des Bauherren zur Berücksichtigung der allgemeinen Gefahrenverhütung bereits bei der Vorbereitung eines Bauprojektes; Arbeitnehmerschutz nur im Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Beschäftigten; keine Zuständigkeit des Bundes zur Normierung von Pflichten des Bauherren zum Schutz der Beschäftigten

Rechtssatz

Kompetenzwidrigkeit des §4 Abs1 BauarbeitenkoordinationsG, BGBl I 37/1999, betreffend die Verpflichtung des Bauherren zur Berücksichtigung der allgemeinen Gefahrenverhütung bereits bei der Vorbereitung eines Bauprojektes.

Keine Angelegenheit des Arbeitsrechtes iSd Art10 Abs1 Z11 B-VG; Arbeitnehmerschutz nur im Verhältnis zwischen Betriebsinhaber und Beschäftigten.

In seinem Prüfungsbeschluss hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "Arbeitnehmer" im weiteren, Beschäftigungsverhältnisse aller Art umfassenden Sinn pars pro toto verwendet, ihn aber wie in den Vorerkenntnissen VfSlg 1936/1950 und VfSlg 7932/1976 so verstanden, dass es sich um Angelegenheiten im Verhältnis des Betriebsinhabers (Arbeitgebers) zu den in seinem Betrieb (allenfalls in seiner Hauswirtschaft) Beschäftigten handeln muss. Nur in diesem Verhältnis nämlich spielt die unselbständige Beschäftigung als der Regelungsgrund des Arbeitsrechts ihre Rolle. Auch die von der Bundesregierung erwähnten "überlassenen" Arbeitnehmer sind in dem Betrieb des Beschäftigers eingeordnet. Dass sich auf Baustellen Betriebe verschiedener Arbeitgeber "vermischen", macht den Bauherrn nicht zu einem Betriebsinhaber.

Zur Hintanhaltung von Umgehungshandlungen mag es zulässig sein, im Zuge dieser Kompetenz auch Dritten Pflichten aufzuerlegen; von einem solchen Anliegen kann hier aber keine Rede sein.

Es ist offenkundig, dass von - insbesondere größeren - Bauvorhaben Gefahren nicht nur für die an den Baustellen Beschäftigten, sondern potentiell für jedermann ausgehen; der Schutz vor diesen Gefahren wird aber nicht allein deshalb zu Arbeitsrecht, dass der Gesetzgeber dem Bauherrn besondere Pflichten im Interesse der von seinen Vertragspartnern Beschäftigten auferlegt. Die Notwendigkeit der Koordinierung unterschiedlicher Arbeiten auf ein und derselben Baustelle ist - wie §8 ArbeitnehmerInnenschutzG deutlich macht - eine Aufgabe der mit dem Arbeitnehmerschutz betrauten Unternehmer (Betriebsinhaber, Arbeitgeber), die mit den für sie jeweils einschlägigen Problemen des Arbeitnehmerschutzes vertraut sind. Sie knüpft an die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch sie als Arbeitgeber (Betriebsinhaber, Unternehmer) an.

Die Koordinierung der an diese Unternehmer erteilten Aufträge (Werkverträge) ist freilich eine wichtige Voraussetzung unter anderem auch für die Beachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften durch diese Unternehmer. Sie wird dadurch nicht schon selbst eine Maßnahme des Arbeitnehmerschutzes im Sinne des Kompetenztatbestandes Arbeitsrecht. Sie wird es auch nicht deshalb, weil sie ein frühes Stadium der Prävention erfasst. Die von der Bundesregierung ins Treffen geführte, im Versteinerungszeitpunkt des Kompetenztatbestandes Arbeitsrecht schon grundgelegte Prävention war (und ist) eine Pflicht des Arbeitgebers.

Der Bund ist zur Erlassung von Vorschriften, die dem Bauherrn Pflichten (wenn auch zwecks besserer Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes durch die Arbeitgeber) auferlegen, nicht zuständig.

Anlassfall: E v 29.09.06, B556/05 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, Kompetenz Bund - Länder, Bauarbeitenkoordination, Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G37.2006

Dokumentnummer

JFR_09939071_06G00037_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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