RS Vfgh 2006/10/3 G33/06 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2006
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z3, Z7
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art129a Abs1, Art129c Abs1
GrundversorgungsG-Bund 2005 §9 Abs2, Abs3, Abs3a

Leitsatz

Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Grundversorgung von Asylwerbern aufgrund des engen sachlichen Zusammenhanges zwischen den Versorgungsleistungen und dem Fremdenrecht; Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Regelung der Behördenzuständigkeit außerhalb des dem Unabhängigen Bundesasylsenat vorbehaltenen Kernbereichs an Asylsachen; keine Unsachlichkeit der Übertragung der Berufungskompetenz in Verfahren wegen des Entzugs oder der Einschränkung der Versorgung an die Unabhängigen Verwaltungssenate; Zurückweisung von (mangels Präjudizialität) enger gefassten Anträgen infolge eines untrennbaren Zusammenhanges der Bestimmungen

Rechtssatz

Zulässigkeit der Anträge zweier UVS auf Aufhebung des §9 Abs2, Abs3 und Abs3a des Bundesgesetzes, mit dem die Grundversorgung von Asylwerbern im Zulassungsverfahren und bestimmten anderen Fremden geregelt wird - GrundversorgungsG-Bund 2005, BGBl I 100/2005 (vormals BundesbetreuungsG).

Zurückweisung der Anträge zu G 41, G 45, G 46, G 120, G 150, G 169 und G176/06, in denen Abs3 des §9 leg cit nicht (mehr) angefochten wurde.

Auch wenn diese Bestimmung in den Anlassfällen für sich nicht präjudiziell ist, wäre sie wegen des Zusammenhanges mit Abs2 mitanzufechten gewesen (vgl B v 08.03.06, G41/05 ua).

Keine Kompetenzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen.

Der Gesetzgeber hat es als unzumutbar erachtet, dass Asylwerber, die gerade erst das Bundesgebiet betreten haben, während der kurzen Dauer des Zulassungsverfahrens, das sie für den Großteil ihrer Zeit durch Verfahrenshandlungen oder durch die Vorbereitung intensiv persönlich in Anspruch nimmt und von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf des Asylverfahrens ist, eine Unterkunft und dgl organisieren müssen. Deshalb sollte Asylwerbern für den (durch gesetzliche Fristen begrenzten) Zeitraum, in dem das Zulassungsverfahren durchgeführt wird, ein Rechtsanspruch auf Versorgung eingeräumt werden.

Aber auch die Grundversorgung von Asylwerbern nach deren Zulassung erfolgt im Zusammenhang mit einem laufenden Asylverfahren.

Jene Asylwerber bzw Fremde, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren zurückgewiesen oder unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung abgewiesen wurde, bleiben bis zum Verlassen des Bundesgebietes in Betreuung. Mögen sie auch dann keine Asylwerber mehr sein, so ist die Betreuung doch die Folge ihres früheren Status als Asylwerber.

Wie sich aus dem Erkenntnis VfSlg 4609/1963 ergibt, kommt es auf den Zusammenhang der Geldleistung mit jener Verwaltungsmaterie an, in deren Rahmen sie gewährt wird. Nur wenn die Geldleistung ohne Zusammenhang mit einer bestimmten Verwaltungsmaterie allein aus dem Motiv der Hilfsbedürftigkeit gewährt wird, kommt der Kompetenztatbestand des Armenwesens in Betracht. Leistungen nach dem GrundversorgungsG-Bund 2005 werden aber ausschließlich Fremden gewährt, die Asylwerber sind oder waren. Dass dabei auch auf die Hilfsbedürftigkeit abgestellt wird, ist nicht erheblich.

Der Bundesgesetzgeber hat sich daher zu Recht aufgrund des engen sachlichen Zusammenhanges zwischen den Versorgungsleistungen und dem Fremdenrecht auf Art10 Abs1 Z3 und Z7 B-VG gestützt.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die verfassungsgesetzliche Ermächtigung des Art129c B-VG zur Einrichtung eines (mit besonderen Garantien für seine Unabhängigkeit ausgestatteten) Bundesasylsenates, insoweit der einfache Gesetzgeber davon mit dem AsylG 1997, BGBl I 75/1997, iVm dem Gesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, BGBl I 77/1997, Gebrauch gemacht hat, die Kompetenzen des UBAS vorherbestimmt, dass er mit keinen anderen als Asylsachen betraut werden darf. Art129c Abs1 B-VG bindet den Gesetzgeber aber angesichts seines Ermächtigungscharakters ("kann") nicht insoweit, dass er die Zuständigkeit des UBAS für sämtliche Asylsachen vorzusehen hat. Soweit es sich nicht um einen bestimmten engeren und jedenfalls der Kompetenz des UBAS vorbehaltenen Kernbereich an Asylsachen handelt, ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in der Regelung der Behördenzuständigkeit von Angelegenheiten, die als Asylsachen iSd Art129c Abs1 B-VG zu qualifizieren sind, lediglich durch das Sachlichkeitsgebot beschränkt.

Keine Änderung an diesem Verfassungsverständnis infolge Novellierung des Art129c Abs1 B-VG durch BGBl I 100/2005.

Nach dem GrundversorgungsG-Bund 2005 haben die UVS - wie auch in den vorliegenden Anlassverfahren - über Rechtsmittel gegen die bescheidmäßige Einschränkung oder Entziehung (bzw den Ausschluss von) der Grundversorgung zu entscheiden. Verfahrensgegenstand ist dabei insbesondere, ob der Berufungswerber die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung gefährdet hat oder gemäß §38 SicherheitspolizeiG (also wenn ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht) aus der Betreuung weggewiesen worden ist. Darüber hinaus entscheiden UVS aber auch über Verwaltungsübertretungen gemäß §10 GrundversorgungsG-Bund 2005, wie zB das unbefugte Betreten einer Betreuungseinrichtung des Bundes.

Ausgehend von dieser Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof keine Unsachlichkeit zu erkennen, wenn der einfache Gesetzgeber neben ihrer nach Art129a Abs1 Z1 B-VG gebotenen Zuständigkeit in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen den UVS auch die Kompetenz als Berufungsbehörde in Verfahren wegen des Entzuges oder der Einschränkung der Versorgung zugewiesen hat.

Entscheidungstexte

  • G 33/06 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 03.10.2006 G 33/06 ua

Schlagworte

Asylrecht, Kompetenz Bund - Länder, Annexmaterie, Fremdenrecht, Sicherheitspolizei, Armenwesen, Behördenzuständigkeit, Unabhängiger Verwaltungssenat, Unabhängiger Bundesasylsenat, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G33.2006

Dokumentnummer

JFR_09938997_06G00033_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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