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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 über die nachträgliche Anmeldung von Freizeitwohnsitzen; Verletzung im Eigentumsrecht durch Versagung der weiteren Verwendung von (mehr als drei) Eigentumswohnungen in einem nicht als Apartmenthaus errichteten Gebäude als Freizeitwohnsitze mangels gesetzlicher Grundlage; keine Auswahlbefugnis der Behörde; einstimmiger Beschluss aller Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz erforderlichRechtssatz
Keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Tir RaumOG (§16 Abs1 und Abs3 Tir RaumOG 1997 idF LGBl 28/1997 iVm §115 Tir RaumOG 2001).
Die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung über die Feststellung der Zulässigkeit bzw Unzulässigkeit der Verwendung von Wohnsitzen als Freizeitwohnsitz am 31.12.93 war im Wesentlichen unverändert bereits Teil des als verfassungswidrig erkannten Tir RaumOG 1994 war (she VfSlg 14679/1996). Die Bestimmung ist nunmehr jedoch in ein völlig anderes Regelungssystem betreffend Freizeitwohnsitze eingebettet. Das Tir RaumOG kennt bereits seit der Novelle LGBl 28/1997 kein generelles Verbot der Schaffung neuer Freizeitwohnsitze mehr, sondern lässt die Neuschaffung bei entsprechender Flächenwidmung, die auf die regionalen Verhältnisse abzustimmen ist, zu. Den fortgeltenden Bestimmungen über die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Verwendung als Freizeitwohnsitz am 31.12.93 kommt im neuen Regelungssystem somit die Funktion zu, eine damals rechtmäßige Nutzung als Freizeitwohnsitz für die Zukunft jedenfalls abzusichern. Sie schließen es jedoch - im Fall der Feststellung der Unzulässigkeit der Verwendung als Freizeitwohnsitz am 31.12.93 - nicht (mehr) aus, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des geltenden Rechts erstmals eine Bewilligung für einen Freizeitwohnsitz erteilt wird.
Auch die behauptete Kompetenzwidrigkeit einer solchen Bestimmung in einem Landesgesetz ist nicht ersichtlich.
Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs davon aus, dass in jenen Fällen, in denen die Baubewilligung keine ausdrückliche Aussage über die Zulässigkeit der Nutzung von Wohnungen als Freizeitwohnsitz trifft, deshalb nicht die Benützung aller Wohnungen als Freizeitwohnsitz zulässig ist. Denn eine Baubewilligung, die zur Freizeitwohnsitznutzung nichts Explizites enthält, muss im Sinne der raumordnungsrechtlichen Vorschriften ausgelegt werden. Der Auslegung des Baubewilligungsbescheides im Lichte der raumordnungsrechtlichen Regelung betreffend Apartmenthäuser in §16a Tir RaumOG 1984, wonach nur drei Wohnungen auch als Freizeitwohnsitz genutzt werden dürften, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten. Die Beschwerdeführer konnten daher durch §16 Abs1 Tir RaumOG 1997 in ihrem Vertrauen auf Nutzung ihrer Wohnungen als Freizeitwohnsitz nicht verletzt werden.
Es ist unzulässig, die Bestimmung des §4 Tir FreilandbautenG, die als Regelung über die nachträgliche Baubewilligung für rechtswidrige Gebäude in Freiland einem völlig verschiedenen Regelungssystem angehört, als Vergleichsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des §16 Abs1 Tir RaumOG 1997 heranzuziehen.
Die Behörde hat dadurch, dass sie unter Berufung auf Bescheide, mit denen sie auf Grund von Anträgen ohne Zustimmung sämtlicher Miteigentümer in drei Fällen (entsprechend der zeitlichen Rangfolge der Anmeldungen) festgestellt hat, dass die Wohnungen weiterhin als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfen, den Antrag der Beschwerdeführer (betreffend die Nutzung ihrer Wohnungen als Freizeitwohnsitz) abwies, ohne gesetzliche Grundlage in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer eingegriffen. Nach dem Wohnungseigentumsgesetz hat keiner der Wohnungseigentümer die Befugnis, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer die Verfügungsmöglichkeit über das Wohnungseigentum zu beeinträchtigen. Wenn die Inanspruchnahme von drei Wohnungen als Freizeitwohnsitz die Benützung von Wohnungen als Freizeitwohnsitz durch andere Wohnungseigentümer ausschließt, so ist dafür grundsätzlich ein einstimmiger Beschluss der Wohnungseigentümer erforderlich. Die Annahme einer Auswahlbefugnis durch die Behörde würde, entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes im E v 25.04.06, Zl 2004/06/0143, - abgesehen vom Übergehen der betroffenen Miteigentümer - eine gesetzliche Ermächtigung erfordern, die jedoch fehlt und für die angesichts der Regelungen über das Wohnungseigentum keine sachliche Rechtfertigung zu finden wäre.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Baubewilligung, Auslegung verfassungskonforme, Wohnsitz Freizeit-, Schwarzbauten, Wohnungseigentum, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B694.2005Dokumentnummer
JFR_09938988_05B00694_2_01