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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines behördlich bereitsaufgelösten Vereins auf Aufhebung von Bestimmungen desVereinsgesetzes 2002 betreffend den Ersatz der Barauslagen bzw dieBestellung des Abwicklers des Vereinsvermögens mangels einer sich aufdiese Angelegenheit erstreckenden Vertretungsbefugnis des Abwicklersbzw mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre desAntragstellers; Fortbestehen einer eingeschränktenRechtspersönlichkeit des Vereins in - die Liquidation desVereinsvermögens betreffenden - Vermögensangelegenheiten; Anspruchdes Abwicklers auf Ersatz der Barauslagen ein der Exekutionunterworfener Vermögensbestandteil und als solcher nicht von derVertretungsbefugnis des Abwicklers umfasstRechtssatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §30 Abs3 und des §29 Abs4 zweiter Satz VereinsG 2002.
Beim Antragsteller handelt es sich um einen in Liquidation befindlichen Verein; die Beendigung der Abwicklung wurde noch nicht im Vereinsregister eingetragen. Dem antragstellenden Verein kommt eine auf die zum Zwecke der Liquidation erforderlichen Rechte und Pflichten eingeschränkte Rechtspersönlichkeit zu.
Die Rechtsfähigkeit des Vereins besteht demnach - bis zur Beendigung der Abwicklung - fort, insoweit sie zum Zwecke der Liquidation erforderlich ist bzw auf die Verwaltung und Verwertung des Vereinsvermögens gerichtet ist.
Die gemäß Art140 Abs1 B-VG vorgesehene Einbringung eines Individualantrages kann grundsätzlich dem Bereich der zum Zwecke der Liquidation erforderlichen Rechte und Pflichten angehören, insoweit die angefochtenen Normen das - abzuwickelnde - Vermögen des antragstellenden Vereins betreffen.
Die Bestimmungen des §29 Abs4 und des §30 Abs3 VereinsG vermitteln dem von der Vereinsbehörde bestellten Abwickler einen vermögensrechtlichen Anspruch gegenüber dem Verein, über dessen Vermögen im vorliegenden Fall bereits der Konkurs eröffnet wurde.
Die Anfechtung des §29 Abs4 und des §30 Abs3 VereinsG betrifft sohin auch das abzuwickelnde Vereinsvermögen und zählt dadurch zum Bereich der zum Zwecke der Liquidation erforderlichen Rechte und Pflichten, sodass dem antragstellenden Verein insoweit Rechtspersönlichkeit zukommt.
§30 Abs3 VereinsG verpflichtet den in Liquidation befindlichen Verein, dem behördlich bestellten Abwickler den Ersatz seiner notwendigen Barauslagen sowie eine angemessene Vergütung seiner Tätigkeit aus dem Vereinsvermögen abzugelten. Die allfällige Aufhebung dieser Bestimmung hätte auch unmittelbare Konsequenzen für die vermögensrechtliche Situation des Vereins.
§30 Abs3 VereinsG steht sohin in derart engem Zusammenhang mit der Vermögenssphäre des Vereins, dass seine Anfechtung gemäß Art140 Abs1 B-VG als ein der Exekution unterworfener Vermögensbestandteil iSd §1 KO zu qualifizieren ist.
Der Antrag auf Aufhebung des §30 Abs3 VereinsG ist daher mangels einer sich auf diese Angelegenheit erstreckenden Vertretungsbefugnis des Abwicklers als unzulässig zurückzuweisen.
Was den Antrag auf Aufhebung des §29 Abs4 zweiter Satz VereinsG betrifft, ist der Abwickler zwar zur Vertretung des Vereins befugt; die Verpflichtung der Vereinsbehörde, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ausnahmsweise einen von der Vereinsbehörde verschiedenen Abwickler zu bestellen, greift jedoch nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins ein. Normadressat der in Rede stehenden Bestimmung ist vielmehr die Vereinsbehörde, die im Regelfall die Abwicklung des Vereinsvermögens vorzunehmen und eigenständig zu beurteilen hat, ob besondere, etwa betriebswirtschaftliche Kenntnisse zur Abwicklung erforderlich sind, welche die Betrauung eines von ihr verschiedenen Abwicklers - insbesondere im berechtigten Interesse Dritter - geboten erscheinen lassen.
Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos.
Siehe auch G25/08, B v 27.04.09:
Soweit der Einschreiter mit Blick auf die Aufhebung des über das Vereinsvermögen eröffneten Konkurses von der Zulässigkeit der Anfechtung des §30 Abs3 VereinsG ausgeht, übersieht er, dass auch diese Regelung nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins eingreift. Sie ist vielmehr allein an den Abwickler gerichtet. Diesem stünde im Übrigen ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen diese Regelung - etwa im Zuge eines zivilrechtlichen Verfahrens zur Durchsetzung seiner (Ersatz-)Ansprüche oder eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens zur Bekämpfung der Enthebung von der Funktion als Abwickler - zur Verfügung.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe, Vereinsrecht,Insolvenzrecht, Person juristischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G49.2006Zuletzt aktualisiert am
30.11.2010