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16 MedienrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Aufhebung eines Bescheides des Bundeskommunikationssenates betreffend Feststellung des Rechtes des ORF gemäß Fernseh-Exklusivrechtegesetz auf Kurzberichterstattung über sämtliche Fußballspiele der T-Mobile Bundesliga bzw die Verpflichtung von Premiere Österreich zur Überlassung der Signale unter den im Bescheid angeführten Bedingungen; Verfassungskonformität der Regelung der Kurzberichterstattung sowohl im Hinblick auf die Eigentums- als auch auf die Kommunikationsfreiheit; Bindung der belangten Behörde an die verfassungskonforme Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Interessen des Inhabers der Verwertungsrechte und jenen des Fernsehveranstalters bzw dessen Publikum; Verletzung von Premiere Österreich im Gleichheitsrecht wegen völliger Verkennung der Rechtslage sowie des ORF im Recht auf freie Meinungsäußerung infolge Beschränkung der Kurzberichterstattung durch inhaltliche VorgabenRechtssatz
§5 Fernseh-ExklusivrechteG, der das Recht zur Kurzberichterstattung vorsieht, dient einem öffentlichen Interesse. Ziel der Bestimmung ist zu verhindern, dass de facto ausschließliche Übertragungsmöglichkeiten über Ereignisse von allgemeinem Informationsinteresse nur einem einzigen oder wenigen Fernsehveranstaltern zukommen und Teile des Fernsehpublikums aus technischen Gründen oder wegen des notwendigen Abschlusses von Verträgen mit Pay-TV-Sendern von der Fernsehberichterstattung über solche Ereignisse völlig ausgeschlossen sind. Die Kurzberichterstattung soll wenigstens ein Minimum an Informationsübermittlung ermöglichen. Eine Regelung über die Kurzberichterstattung dient in diesem Sinne der Kommunikationsfreiheit (Art10 EMRK).
Der Gesetzgeber hatte sowohl das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 des 1. ZPEMRK) als auch das Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit (Art10 EMRK) zu beachten und dabei die konkurrierenden Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung der in den Gesetzesvorbehalten angesprochenen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen und auf diese Weise die damit zusammenhängenden Interessen der Parteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.
§5 Fernseh-ExklusivrechteG gibt ausreichend Kriterien vor, die eine angemessene Berücksichtigung sowohl der privatrechtlichen Rechtsstellung des Rechtsinhabers als auch jener des Fernsehveranstalters und dessen Publikum ermöglichen und die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Richtung beider Grundrechte Rechnung tragen. Die Bestimmung ist daher nicht verfassungswidrig.
Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes zwischen möglichen Auslegungen eines einfachen Gesetzes zu wählen, sofern nicht eine der Auslegungen zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt.
Die belangte Behörde war verpflichtet, im Ersatzbescheid der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs zu folgen. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, aus verfassungsrechtlichen Gründen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzutreten. Ein unentgeltlicher Eingriff in die Verwertungsrechte der Premiere Österreich wäre unverhältnismäßig und würde auch den Gleichheitsgrundsatz verletzen. Weder gebietet der Text des §5 Fernseh-ExklusivrechteG die Mitberücksichtigung der Wertminderung der Verwertungsrechte durch Kurzübertragungen noch hat die belangte Behörde diese außer Ansatz gelassen.
Die belangte Behörde hat zwar in Befolgung der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl E v 20.12.05, Z2004/04/0199) jedes Spiel als Ereignis gewertet, aber dabei sowohl die maximale Höchstdauer der Kurzberichterstattung (90 Sekunden pro Einheit) für jedes der in der Berichterstattung meist zusammenhängenden Ereignisse als auch die finanzielle Abgeltung (€ 1.000,-- pro Minute), in der auch die Abgeltung für die Verwertungsrechte enthalten ist, gleich belassen, obwohl die Festlegung des Umfanges der Kurzberichterstattung und das für die Rechteabgeltung zu entrichtende Entgelt in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Hingegen hat sie eine Beschränkung der Kurzberichterstattung in verfassungswidriger Weise durch inhaltliche Vorgaben für die Kurzberichterstattung vorgenommen.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage grundlegend verkannt, die notwendige Abwägung unterlassen und damit das Recht von Premiere Österreich auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.
Mit der Abweisung des Antrags der Premiere, als Teil der Kurzberichterstattung dem ORF die Kurzberichterstattung in Unterhaltungs- oder Magazinsendungen sowie in Verbindung mit Analysen und Interviews, Hintergrundberichten und Studioberichten und anderen zusätzlichen Unterhaltungselementen zu untersagen, hat die belangte Behörde keine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt.
Die Beschränkung auf die "nachrichtenmäßige" Berichterstattung reicht zur Beachtung der Interessen der Beschwerdeführerin aus. In welches Fersehformat der ORF die nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung einbaut, bleibt diesem überlassen.
Die Behörde ist ermächtigt, auf Basis der gesetzlichen Vorgaben technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Kurzberichterstattung festzulegen.
Aus Art10 EMRK folgt aber, dass es allein dem Fernsehveranstalter obliegt auszuwählen, welche Szenen er für interessant genug erachtet, um sie seinem Publikum zu präsentieren. Eine Befugnis der Behörde, die inhaltliche Gestaltung einer nachrichtenmäßigen Kurzberichterstattung zu regeln und etwa selbst zu beschreiben, welche Szenen eines Fußballspieles gesendet werden dürfen, wäre im Lichte des Art10 EMRK ein Eingriff, der weder durch das öffentlichen Interesse gerechtfertigt, noch zum Schutz der Rechte Dritter erforderlich ist. Gäbe es eine solche Ermächtigung im Gesetz, so wäre diese nicht mehr mit Art10 Abs2 EMRK vereinbar. Der angefochtene Bescheid unterstellt dem Gesetz somit einen verfassungswidrigen Inhalt.
Der ORF wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt.
Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze mangels Trennbarkeit.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rundfunk, Privatfernsehen, Auslegung verfassungskonforme, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunkfreiheit, Kommunikationsfreiheit, Ersatzbescheid, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VwGH), Bescheid Trennbarkeit, öffentliches Interesse, Interessenabwägung, EigentumsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B551.2006Dokumentnummer
JFR_09938799_06B00551_01