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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch verfassungswidrige Auslegung einer Bestimmung des Einkommensteuergesetzes über die Besteuerung von Renten; Mehrbedarfsrenten einer behinderten Person mangels eines Zuwachses an Leistungsfähigkeit von der Besteuerung ausgenommenRechtssatz
§29 Z1 EStG 1988 bildet einen Sondertatbestand, der nicht an das Vorhandensein einer Einkunftsquelle, sondern bloß an den wiederkehrenden Zufluss von Bezügen, die allerdings auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage beruhen müssen, anknüpft.
Leistungsfähigkeitsprinzip Grundlage der Besteuerung auch im Bereich des §29 Z1 EStG 1988 (vgl zB VfSlg 16678/2002).
Eine Besteuerung von wiederkehrenden Bezügen allein auf Grund der Rentenform ist gleichheitswidrig, wenn ihr nicht ein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entspricht.
Jedenfalls im Fall einer Mehrbedarfsrente fehlt es - anders als bei Renten, die Einkommensersatzfunktion haben (vgl etwa VfSlg 16754/2002 zu Versehrtenrenten) - an einem solchen Zuwachs an Leistungsfähigkeit: Die zufließenden Beträge sollen den durch die Schädigung ausgelösten erhöhten Existenzbedarf des Steuerpflichtigen abdecken; dieser erlangt, soweit die Rente (nur) den Mehrbedarf betrifft, kein zusätzliches disponibles Einkommen; er ist nicht leistungsfähiger als eine nicht-behinderte Person, die ein entsprechend geringeres Einkommen zur Verfügung hat. Die lediglich zum Ausgleich für den schädigungsbedingt entstandenen zusätzlichen Bedarf gezahlten Rentenleistungen steigern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ebenso wenig wie die bloße Umschichtung von Privatvermögen. Würde §29 Z1 EStG 1988 sich auf solche Renten beziehen, wäre er wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig. Einer einschränkenden Auslegung (teleologischen Reduktion) steht der Wortlaut dieser Bestimmung jedoch nicht entgegen.
Im Hinblick auf das vom Gesetzgeber bei der Rentenbesteuerung verankerte sog Korrespondenzprinzip trifft es zwar zu, dass zwischen der Behandlung der Renten beim Rentenberechtigten und beim Rentenverpflichteten eine (gewisse) Korrespondenz besteht: Die beim Rentenberechtigten nach §29 Z1 EStG 1988 steuerpflichtigen Renten sind grundsätzlich beim Rentenverpflichteten abzugsfähig, im Privatbereich zumindest als Sonderausgaben (§18 Z1 EStG 1988). Indessen ist die Korrespondenz nicht so zu verstehen, dass die Steuerpflicht beim Berechtigten die Abzugsfähigkeit beim Verpflichteten voraussetzt oder dass der Entfall der Steuerpflicht notwendig die Abzugsfähigkeit hindert.
Da der angefochtene Bescheid auf der unzutreffenden (verfassungswidrigen) Auffassung beruht, §29 Z1 EStG 1988 erfasse - in Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips - auch Schadenersatzrenten, die nur dem Ausgleich eines persönlichen Mehrbedarfes des Rentenberechtigten dienen, ist er schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass sich der Gerichtshof mit der Frage der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen beschäftigen muss.
Schlagworte
Einkommensteuer, Einkünfte, Einkunftsarten, Renten, Behinderte, Auslegung verfassungskonforme, Auslegung teleologischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B242.2006Dokumentnummer
JFR_09938793_06B00242_2_01