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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art139 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung der Anträge von Bürgerinitiativen auf Aufhebung einer Trassenverordnung betreffend ein Autobahnteilstück mangels Legitimation; antragstellende Personenmehrheiten keine "Bürgerinitiative" im Sinne des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) mangels ausreichender Zahl von Unterschriften bzw mangels einer zur Unterstützung geeigneten schriftlichen Stellungnahme zum Vorhaben; genaue Überprüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Parteistellung bzw Antragslegitimation iSd UVP-G erforderlichRechtssatz
Zurückweisung der Anträge zweier Bürgerinitiativen auf Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A 5 Nord Autobahn, Abschnitt Eibesbrunn - Schrick, im Bereich der Gemeinden Großebersdorf, Wolkersdorf, Ulrichskirchen-Schleinbach, Hochleithen, Bad Pirawarth und Gaweinstal, BGBl II 131/2005, mangels Legitimation.
Die Einräumung weit reichender Verfahrens- sowie Rechtsmittelbefugnisse einschließlich der Legitimation zur Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für eine juristische Konstruktion, nämlich für eine vom Gesetzgeber sog "Bürgerinitiative", gebietet, dass das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Parteistellung oder Antragslegitimation iSd §19 Abs4 und §24 Abs11 UVP-G 2000 genau zu prüfen ist (vgl auch VfSlg 16242/2001).
Keine bloßen Form- oder Ordnungsvorschriften.
Unter der Bezeichnung "Bürgerinitiative" werden vom Gesetzgeber Kollektivgebilde mit minimalem Organisationsgrad mit der Parteistellung in äußerst komplexen (Verwaltungs-)Verfahren ausgezeichnet, die der schwierigen Klarstellung der Umweltauswirkungen von Großprojekten ebenso wie dem rechtsstaatlichen Rechtsschutz (auch in Gestalt der Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß §24 Abs11 UVP-G 2000) dienen sollen.
Für das Vorliegen einer "Bürgerinitiative" als nach §19 Abs4 UVP-G 2000 berechtigter Personenmehrheit ist notwendig, dass die physischen Personen, welche nachfolgend als "Bürgerinitiative" einschreiten, eine gleichgerichtete Interessenstruktur (vgl §24c Abs5 Z2 UVP-G 2000) in Bezug auf den Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung aufweisen.
§19 Abs4 UVP-G 2000 verlangt daher, dass eine bereits vorliegende schriftliche Stellungnahme zum Vorhaben und (wohl auch: oder) zur Umweltverträglichkeitserklärung durch die Unterschrift des zukünftigen Mitgliedes der Bürgerinitiative in Gestalt der Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt wird und dass die zur Unterstützung erstellte Unterschriftenliste "gleichzeitig mit der Stellungnahme" während der Auflagefrist einzubringen ist.
Weiters ist davon auszugehen, dass die (schriftliche) Stellungnahme zu umweltverträglichkeitsprüfungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich unmittelbar an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (allenfalls an den Landeshauptmann; vgl §24 Abs2 leg cit) zu adressieren ist.
Das Vorhaben gemäß §2 Abs2 UVP-G 2000 umfasst nicht nur das Projekt ieS, sondern auch damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Maßnahmen.
Als Stellungnahme genügt die Abgabe einer wertenden Meinung zum Projekt oder/und zur dazu vom Projektwerber vorgelegten und von der Behörde aufgelegten Umweltverträglichkeitserklärung; sie muss inhaltlich zumindest derart beschaffen sein, dass sich die Sachverständigen - wie in §24c Abs5 Z2 UVP-G 2000 vorgesehen - in dem von der Behörde zwingend einzuholenden Umweltverträglichkeitsgutachten damit fachlich auseinandersetzen können.
Floskelhafte Ablehnung eines Projekts nicht ausreichend.
Die Unterstützungsunterschriften müssen sich auf eine konkrete, zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterschriften bereits schriftlich vorliegende Stellungnahme in der Sache beziehen.
Bloße Unterschriftensammlung zum Zweck der Gründung einer Bürgerinitiative nicht ausreichend.
Die Unterschriftenliste (zur Gründung der Bürgerinitiative ROSA IGEL) entbehrt des erforderlichen Zusammenhanges mit der gebotenen schriftlichen Stellungnahme nach §9 Abs4 UVP-G 2000 (idF vor der Novelle BGBl I 153/2004).
Der auf den Unterschriftenblättern selbst abgedruckte Text ist nicht geeignet als Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000 gewertet zu werden, weil er inhaltlich nicht "zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung" des öffentlich aufgelegten Projekts Stellung nimmt.
Da auf 33 Blättern (mit zusätzlichem Text auf der Rückseite) lediglich insgesamt 166 Personen unterzeichnet haben, scheitert das Entstehen einer Bürgerinitiative iSd §24 Abs11 iVm §19 Abs4 UVP-G 2000 und Art139 Abs1 B-VG bereits wegen der zu geringen Unterstützung (mindestens 200 Unterschriften erforderlich).
Es finden sich weiters keine Anhaltspunkte, dass die vom "BI-Sprecher" der "Bürgerinitiative 'KaA5'" dem Bundesminister vorgelegten "Einwändungen zur Planung und zum geplanten Verlauf der geplanten A5" den Unterzeichnern im Zeitpunkt der Eintragung in die Unterschriftenlisten als schriftliche Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000 bekannt waren.
Der von 235 Personen unterschriebene Text (auf 36 Blättern von 81 vorgelegten "Originallisten" mit Unterschriften) enthält keine Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000. Auf weiteren 45 (textlich zT anders gestalteten) Blättern beträgt die Zahl der Unterschriebenen lediglich 118.
Die - schlichte - Mitteilung des Ergebnisses einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Wege der Amtshilfe veranlassten Überprüfung der überreichten Unterschriftenlisten in Bezug auf die Wahlberechtigung der Unterschriftleistenden an die Bürgerinitiativen und die mitwirkenden Behörden, dass sich "beide Bürgerinitiativen konstituiert haben", kann für sich keine normative Wirkung in Anspruch nehmen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Parteistellung, VfGH / Legitimation, Trassierungsverordnung, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V14.2006Dokumentnummer
JFR_09938786_06V00014_01