Index
L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Abspruch über einen Schadenersatzwegen gesetzwidriger Abfindung in einem Zusammenlegungsverfahren;Verfassungswidrigkeit der alten Rechtslage aufgrund Ausschlusseseines Schadenersatzanspruchs; verfassungskonforme Auslegung der neueingeführten Regelung über den Schadenersatz hinsichtlich einesErsatzes des gesamten bereits früher entstandenen Schadens geboten;Verstoß gegen das Eigentumsrecht durch Verweigerung einerSchadenersatzleistung für die Zeit vor der Novellierung desSteiermärkischen ZusammenlegungsgesetzesRechtssatz
Seit dem Inkrafttreten der Novelle zum Stmk ZusammenlegungsG LGBl 26/1995 (auf der Grundlage der Novellierung des §10 FlVfGG 1951 durch BGBl 903/1993) am 25.03.95 kann, wenn die Entscheidung über einen Zusammenlegungsplan formell rechtskräftig geworden ist, innerhalb eines Monates der Ersatz des Schadens begehrt werden, wenn sich die übergebene Abfindung als gesetzwidrig erwiesen hat.
Der EGMR verkennt in den Entscheidungen vom 23.04.87, Zln 16/1986/114/162 (Fall Erkner/Hofauer) sowie 17/1986/115/163 (Fall Poiss), nicht das Ziel des Gesetzes, zu einem frühen Zeitpunkt des Zusammenlegungsverfahrens im Interesse des einzelnen Eigentümers und der Gemeinschaft die nachhaltige Bewirtschaftung zu sichern und letztlich den Ausgleich in Grundstücken zu verschaffen, hält aber die Rechtslage für zu starr: Bei länger andauernden Verfahren bestehe keine Möglichkeit, die Lage der Eigentümer vor dem Inkrafttreten eines Zusammenlegungsplanes zu ändern oder sie für den Nachteil zu entschädigen, den sie bis zu einer endgültigen Grundabfindung erlitten haben können. Dieses Ungleichgewicht zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts des Einzelnen und dem öffentlichen Interesse läge den über das endgültige Schicksal im Unklaren Bleibenden eine unverhältnismäßige Last auf, was Art1 des 1. ZP EMRK verletze.
Aus diesen Urteilen des EGMR folgt, dass die österreichische Rechtslage vor ihrer Änderung mangels jeglicher Möglichkeit, den aus einer gesetzwidrigen Abfindung entstandenen Schaden ersetzt zu erhalten, gegen Art1 des 1. ZP zur EMRK verstieß und verfassungswidrig war. Offenkundig wäre aber auch die Aufrechterhaltung dieses verfassungswidrigen Zustandes bis zum Wirksamwerden der Änderung verfassungswidrig.
Die Einführung des Anspruchs auf Schadenersatz wegen gesetzwidriger Abfindung kann daher verfassungskonform nur so verstanden werden, dass seit diesem Zeitpunkt nicht nur binnen eines Monates nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes Schadenersatz begehrt werden kann, sondern dass dann auch der gesamte, infolge länger dauernder Beeinträchtigung des Eigentums entstandene Schaden zu ersetzen ist. Die Verweigerung einer Schadenersatzleistung für die Zeit vor Inkrafttreten der Novelle würde einen Verstoß gegen Art1 des
1. ZP EMRK darstellen und zur Verurteilung Österreichs vor dem EGMR führen.
Keine Aufrollung bereits abgeschlossener Sachverhalte, Begehren auf Schadenersatz wegen gesetzwidriger Abfindung allerdings erst nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes möglich.
Fälle wie der vorliegende sind also auch dann nicht teilweise bereits abgeschlossene Sachverhalte, wenn der Schaden vor Inkrafttreten des Gesetzes entstanden ist.
Mit der (kaum realistischen) Möglichkeit, dass die Behörde den gesetzwidrigen Zustand im "Vertrauen" auf das Fehlen schadenersatzrechtlicher Folgen länger als nötig aufrecht gehalten hat, muss der Gesetzgeber nicht rechnen. Aus der nachträglichen Einführung der Möglichkeit, Schadenersatz zu begehren, entstehen daher keine gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Schadenersatzleistung ins Gewicht fallende übermäßigen Lasten für Dritte (hier: das Land Steiermark).
Keine unsachliche Bevorzugung der erst nach 1995 abgeschlossenen Zusammenlegungsverfahren, keine gesetzliche Anordnung einer Rückwirkung.
Schlagworte
Zusammenlegungsverfahren, Schadenersatz, Grundabfindung, Bodenreform,Flurverfassung, Auslegung verfassungskonforme, RückwirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B183.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009