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95 TechnikNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Unsachlichkeit einer Regelung im Vermessungsgesetz betreffend dieZulässigkeit einer Berichtigung des Grenzkatasters durch dieVermessungsbehörde trotz eines möglichen Gutglaubenserwerbes imVertrauen auf den Grenzkataster; Fehlen einer gesetzlichen Regelungfür diesen Fall; keine verfassungskonforme Auslegung möglich inHinblick auf Wortlaut und System des Vermessungsgesetzes sowie aufdurch eine solche Auslegung entstehende rechtliche Unklarheiten, wiezB die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit von Vermessungsbehördenund GerichtenRechtssatz
Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung von Teilen des Grenzberichtigungen betreffenden §13 VermessungsG; kein zu enger Anfechtungsumfang in Hinblick auf §49 VermessungsG betreffend den Rechtserwerb im Vertrauen auf den Grenzkataster.
§13 und §49 VermessungsG regeln völlig unterschiedliche Fragen, stehen zueinander offensichtlich nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis und bilden auch sonst keine diesem Verhältnis entsprechende normative Einheit: Die Möglichkeit der Berichtigung des Grenzkatasters hat mit seiner Wirkung als Vertrauensgrundlage nichts zu tun, ist nicht eine Voraussetzung dieser Wirkung des Grenzkatasters und diese Wirkung nicht ihre Folge, kurz, jede der beiden Bestimmungen entfaltet ihre Wirkungen ohne die andere in gleicher Weise.
Unsachlichkeit des §13 Abs1 bis Abs3 des Bundesgesetzes über die Landvermessung und den Grenzkataster (Vermessungsgesetz), BGBl 306/1968 idF BGBl 238/1975, und Widerspruch zur Garantie eines gerichtlichen Verfahrens gem Art6 Abs1 EMRK.
Keine verfassungskonforme Auslegung in Hinblick auf die Zulässigkeit von Berichtigungen nur dann, wenn kein Eigentumserwerb stattgefunden hat, möglich.
Die Bundesregierung kann nicht dartun, was nach einem Erwerbsvorgang - worunter wohl nur eine Einzelrechtsnachfolge zu verstehen sein würde, weil der Erbe die Rechtsstellung des Erblasser übernimmt - Rechtens sein soll. Dass eine Richtigstellung des Grenzkatasters nach einem abgeleiteten Erwerb überhaupt ausgeschlossen sein sollte, geriete gleichfalls mit §49 in Widerspruch, der eine Berichtigung offenkundig nur für den Fall eines Gutglaubenserwerbes ausschließt. Es gäbe auch keinen vernünftigen Grund und wäre dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, auch bei einem nicht im Vertrauen auf den Grenzkataster stattgefundenen Erwerb eine Richtigstellung auszuschließen.
Es könnte im gegebenen System also nur daran gedacht werden, den Gerichten die Beantwortung der Frage zu überlassen, ob der Erwerbsvorgang, weil im Vertrauen auf den Grenzkataster erfolgt, eine Berichtigung (durch die Vermessungsbehörde) ausschließt oder mangels eines Erwerbes im Vertrauen erlaubt. Auch eine derartige Vorfragenbeantwortung für das Vorgehen der Vermessungsbehörde bedürfte aber (wie etwa früher der Erbrechtsstreit im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens) einer besonderen Regelung.
Schließlich wären die Zuständigkeit zwischen Vermessungsbehörde und Gericht erst im Einzelnen abzugrenzen.
Eine Analogie zu der bei der allgemeinen Neuanlegung des Grenzkatasters vorgesehenen Verweisung auf den Zivilrechtsweg (§25 Abs2) scheitert schon daran, dass es dort um die Feststellung des tatsächlichen Grenzverlaufes in der Natur geht, was keinesfalls in die Zuständigkeit der Vermessungsbehörden fällt, die ihre Tätigkeit vielmehr auf dieser Feststellung aufbauen.
Bloß bemessungstechnische Vorgänge im Berichtigungsverfahren; Verweisung auf den Zivilrechtsweg nicht vorgesehen.
Insgesamt steht der von der Bundesregierung vorgeschlagenen verfassungskonformen Auslegung des §13 VermessungsG nicht nur der Wortlaut und das System des VermessungsG, sondern auch der Umstand entgegen, dass sie eine Reihe von unbeantworteten Fragen aufwerfen würde, die zu lösen dem Gesetzgeber obläge.
Anlassfall B410/06, E v 08.03.07, Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Schlagworte
Vermessungswesen, VfGH / Prüfungsumfang, Ausnahmeregelung - Regel,Zivilrecht, Auslegung verfassungskonforme, Gesetzeslücke, GerichtZuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G203.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009