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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit des Grundtatbestandes der Besteuerung desErwerbs von Todes wegen im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz;Einstellung der Verfahren zur Prüfung der spezielleren Regelungen derBesteuerung von Abfindungen sowie der Bewertung von Grundvermögen;unsachliche Gleichbehandlung der Besteuerung von Grundbesitz beiAufhebung lediglich der auf den dreifachen Einheitswert Bezugnehmenden Bewertungsregelung; grundsätzliche Zulässigkeit derEinheitsbewertung sowie der besonderen Behandlung von Grundbesitz ausder Sicht der Erbschaftssteuer; pauschale Vervielfachung vonhistorischen Einheitswerten keine taugliche Grundlage fürsachgerechte ErbschaftsbesteuerungRechtssatz
Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung des §1 Abs1 Z1 ErbStG; Präjudizialität gegeben; scheinbar untrennbarer Zusammenhang mit §2 Abs2 Z4 ErbStG; keine gesonderten Überlegungen zur Präjudizialität des zunächst in Prüfung gezogenen §19 Abs2 ErbStG betreffend die Bewertung von Grundvermögen, weil die (im Prüfungsbeschluss vom 15.03.06 formulierten) Bedenken gegen diese Vorschrift nunmehr als Bedenken gegen die mit dem Beschluss vom 12.12.06 in Prüfung gezogenen Normen (ds §1 Abs1 Z1 und §2 Abs2 Z4 leg cit) erörtert werden.
Da nach dem Ergebnis dieses Verfahrens der Sitz der Verfassungswidrigkeit im Grundtatbestand des §1 Abs1 Z1 ErbStG selbst gelegen ist und diese Vorschrift aufgehoben wird, sind die zu §19 Abs2 und Abs3 sowie zu §2 Abs2 Z4 ErbStG geführten Gesetzesprüfungsverfahren gegenstandslos geworden und daher einzustellen.
Gleichheitswidrigkeit des Grundtatbestandes der Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen in §1 Abs1 Z1 ErbStG.
Es liegt grundsätzlich im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers der Erbschaftssteuer, die Besonderheiten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe bzw die von Liegenschaften überhaupt nach seinen rechtspolitischen Überlegungen bereits auf der Ebene der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
System der Einheitsbewertung als solches nicht in Frage gestellt, insbesondere nicht im Sinne der Verwaltungsökonomie.
Der Gesetzgeber hat auch nach 1988 eine Anhebung der land- und forstwirtschaftlichen Einheitswerte für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung im Hinblick auf die Wertentwicklung an sich für erforderlich gehalten, wollte dabei aber den aufwendigen Weg einer Hauptfeststellung vermeiden. Um Wertdiskrepanzen abzubauen bzw um Einheitswerte den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen im Einzelfall anzupassen, sind aber pauschale Vervielfachungen des Einheitswertes an sich ein untaugliches Mittel: Angesichts der unterschiedlichen regionalen und lokalen Entwicklungen ist eine derartige Vervielfachung von vornherein nicht in der Lage, die Wertentwicklung über den hier in Rede stehenden Zeitraum hinweg realitätsgetreu wiederzugeben.
Der Wert eines Grundstückes wird im Zeitablauf durch ganz unterschiedliche Faktoren beeinflusst, weshalb eine pauschale Vervielfachung von historischen Einheitswerten nicht geeignet ist, die Wertentwicklung von Grundstücken angemessen abzubilden, und daher als eine taugliche Grundlage für eine sachgerechte Erbschaftsbesteuerung nicht in Frage kommt.
Die Vorschrift des §19 Abs2 ErbStG hat somit - zusammenfassend - zur Folge, dass es für die Belastung mit Erbschaftssteuer im Fall des Erwerbs von Grundbesitz nicht darauf ankommt, was jemand heute erwirbt, sondern welcher Wert dem Grundbesitz vor Jahrzehnten beizulegen war bzw beigelegt wurde. Ein solches Ergebnis ist gleichheitswidrig. Es wird auch nicht dadurch gleichheitskonform, dass Grundbesitz anderen Steuerbelastungen unterliegt.
Die nunmehr festgestellte Verfassungswidrigkeit des §19 Abs2 ErbStG wäre durch eine Aufhebung bloß dieser Bestimmung nicht beseitigt. Diese Aufhebung hätte nämlich zur Konsequenz, dass Grundbesitz - angesichts des Fehlens substanzieller Freibeträge oder anderer Entlastungsregelungen - dem steuerpflichtigen Mobiliar- und Finanzvermögen gleichgestellt wäre und schlechter behandelt würde als jene Vermögenswerte, für deren Erwerb der Gesetzgeber ausdrücklich Befreiungen oder Begünstigungen vorsieht. Für dieses Ergebnis gibt es angesichts der Besonderheiten des Grundbesitzes keine sachliche Rechtfertigung. In dieser Situation entspricht es der bisherigen Judikatur des Gerichtshofes (vgl VfSlg 11190/1986), mit der Aufhebung der die Steuerpflicht selbst anordnenden Gesetzesregel vorzugehen.
Eine förmliche Einbeziehung der zu G9-11/07 und G15/07 protokollierten Anträge des Verwaltungsgerichtshofes in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozessgeschehen nicht mehr möglich. Der Verfassungsgerichtshof hat daher beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlassfallwirkung auch auf weitere beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Rechtssachen auszudehnen (vgl VfSlg 14801/1997, 15441/1999).
Fristsetzung bis 31.07.08.
Da die Bedenken des Gerichtshofes sich nicht gegen eine Besteuerung der Erwerbe von Todes wegen an sich richten, sondern gegen die gegenwärtige Ausgestaltung, soll dem Gesetzgeber damit die Möglichkeit einer verfassungskonformen Neuregelung eingeräumt werden. Die Länge der Frist trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht nur die Bewertung von Grundbesitz für sich (einschließlich der Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Grundvermögen) neu geregelt werden müsste, sondern dabei offenbar auch die steuerliche Behandlung des Grundbesitzes (einschließlich der damit zusammenhängenden Lasten) im Rahmen der Erbschaftssteuer insgesamt überdacht und mit der erbschaftssteuerlichen Behandlung anderer Vermögenswerte (im Hinblick auf die Steuerbarkeit, die Steuerbefreiungen, Freibeträge und Steuertarif) abgestimmt werden müsste, woraus sich - im Hinblick auf die im Prüfungsbeschluss vom 12.12.06 angesprochene Situation - die Notwendigkeit einer umfassenden Reform ergeben könnte.
(Anlassfall: B3391/05, E v 07.03.07 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; Quasi-Anlassfälle: B1246/06 ua, B251/07 ua, uva, alle E v 11.06.07).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Erbschafts- und Schenkungssteuer, Bewertung, VfGH / Präjudizialität,Ausnahmeregelung - Regel, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH /Prüfungsumfang, Rechtspolitik, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH /Verfahren, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G54.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009