RS Vfgh 2007/3/7 A4/02

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Veröffentlicht am 07.03.2007
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art22
B-VG Art102 Abs1, Abs2
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
F-VG 1948 §2
LMG 1975 §36, §39, §43, §44, §45, §49
StPO §381
ZPO §226, §235 Abs2, §393

Leitsatz

Zulässigkeit der Änderung bzw Erweiterung des Klagebegehrens derBundesländer Wien und Kärnten auf Ersatz der Kosten fürLebensmitteluntersuchungen ohne Gerichtsauftrag; kein Einwand desbeklagten Bundes; Feststellung des Bestehens dieses Klagsanspruches -im Umfang des Anspruches des Bundes auf Ersatz derUntersuchungsgebühren gegen die zum Kostenersatz nach der StPOverpflichtete Partei - dem Grund nach zu Recht durch neuerlichesZwischenerkenntnis; spezielle von der grundsätzlichen Pflicht derLänder zur Tragung des Personal- und Amtssachaufwandes in mittelbarerBundesverwaltung abweichende Kostentragungsregel imLebensmittelgesetz; Abweisung der Klage auf Ersatz des konkretenSachaufwandes für das Tätigwerden derLebensmitteluntersuchungsanstalten im Fall gerichtlicher Aufträgemangels Darlegung (der Höhe) des durch die Erfüllung konkreterUntersuchungsaufträge ausgelösten Aufwands nach früheremZwischenerkenntnis

Rechtssatz

Gegenstand des dem Zwischenerkenntnis VfSlg 16992/2003 zugrunde liegenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens war nur ein Anspruch der Länder auf Kostenersatz für Tätigkeiten der Lebensmitteluntersuchungsanstalten aufgrund konkreter gerichtlicher Aufträge an diese Anstalten.

Die bloße Wiedergabe von Rechtsvorschriften (hier §44 LMG 1975) kann die als Mindestinhalt einer Klage (§226 ZPO) geforderte Behauptung der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht ersetzen. Umdeutung der Klage und des darüber ergangenen Zwischenerkenntnisses nicht möglich.

Entgegen seiner Bezeichnung bildet der Fortsetzungsantrag der Kläger daher nicht nur eine Klagsausdehnung (der Höhe nach), sondern, soweit nunmehr - über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus gehend - auch der Ersatz eines Aufwands infolge von Tätigkeiten der Anstalten ohne vorhergehenden Gerichtsauftrag geltend gemacht wird, auch eine Klagsänderung dem Grunde nach. Da sich der beklagte Bund ohne Einwände darauf eingelassen hat, war diese Klagsänderung zuzulassen (§235 Abs2 letzter Satz ZPO).

Feststellung des Bestehens des Anspruches der Länder Kärnten und Wien gegen den Bund auf Vergütung der von den Lebensmitteluntersuchungsanstalten dieser Länder vorgenommenen Untersuchungen dem Grunde nach insoweit zu Recht, als der Bund seinerseits für diese Untersuchungen nach §381 Abs1 Z3 StPO einen Anspruch auf Ersatz der Untersuchungsgebühren gegen eine zum Kostenersatz verpflichtete Partei hat. Im Übrigen Abweisung des erweiterten Klagebegehrens.

Abgesehen von dem den Gerichten zur Vollziehung zugewiesenen Bereich handelte es sich bei der Vollziehung des LMG 1975 um Maßnahmen der Verwaltungs- (bzw: Lebensmittel-)Polizei, die für sich genommen mit konkreten gerichtlichen Verfahren in Wahrnehmung der Strafrechtspflege nicht unmittelbar zusammenhängen.

Dass sich in bestimmten Fällen bei Durchführung der verwaltungspolizeilichen Maßnahmen der Verdacht auf Begehung von in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Straftaten ergeben kann, in denen die zur Verwaltung berufenen Behörden (oder Anstalten) zur Anzeige an das zuständige Gericht verpflichtet sind, führt nicht dazu, dass jene Untersuchungen, die der Feststellung eines solchen Verdachts zugrunde liegen, hinsichtlich ihrer Einordnung in die für die Kostentragungspflicht nach §2 F-VG maßgeblichen Aufwandskategorien jenen gleichzustellen wären, die über konkrete Gerichtsersuchen durchgeführt werden.

Die regelmäßige, von Amts wegen durchzuführende Erstellung von Befunden oder Gutachten sowie die darauf folgende Erstattung von Anzeigen erfolgt in Besorgung der Angelegenheiten der "Nahrungsmittelkontrolle" (vgl Art10 Abs1 Z12 B-VG). Auf dieser Grundlage ist die Beurteilung der Kostenfolgen nach §2 F-VG 1948 vorzunehmen.

Da die Angelegenheiten der Lebensmittelpolizei durch die Länder in mittelbarer Bundesverwaltung (vgl Art102 B-VG) zu besorgen sind, ist der damit zusammenhängende Personal- und Amtssachaufwand von ihnen zu tragen.

Der Gerichtshof interpretiert die Regelung des §381 Abs1 Z3 StPO iVm §45 LMG 1975 im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Länder auf dem Gebiet der Lebensmitteluntersuchung (mittelbare Bundesverwaltung) jedoch als spezielle (abweichende) Kostentragungsregel in dem Sinn, dass die Länder zwar den (gewöhnlichen) Personal- und Sachaufwand zu tragen haben, und zwar auch dann, wenn es im Gefolge von Untersuchungen zu Anzeigen und gerichtlichen Strafverfahren kommt, dass aber insoweit ein Ersatzanspruch gegenüber dem Bund besteht, als der Bund seinerseits einen Anspruch auf Ersatz der Untersuchungsgebühren nach §381 StPO gegen eine zum Kostenersatz verpflichtete Partei hat.

Keine Pflicht zur unentgeltlichen wechselseitigen Hilfeleistung (vgl VfSlg 16992/2003).

Abweisung der Klage auf Ersatz des konkreten Sachaufwandes für Tätigwerden der Lebensmitteluntersuchungsanstalten im Fall gerichtlicher Aufträge nach dem Zwischenerkenntnis VfSlg 16992/2003.

Den klagenden Parteien ist es im vorliegenden Verfahren über die Höhe des Anspruches nicht gelungen, ihrer Behauptungslast zur Geltendmachung (der Höhe) eines konkreten Sachaufwandes im Zusammenhang mit der erwähnten Tätigkeit der Anstalten nachzukommen:

die vorgelegten Listen von Untersuchungsfällen und "Gebühren" vermögen nicht darzutun, wodurch und in welcher Höhe ein konkreter Sachaufwand eingetreten ist. Ihnen ist darüber hinaus insbesondere nicht die Behauptung zu entnehmen, dass und in welchen Fällen den aufgelisteten Untersuchungsfällen überhaupt ein gerichtliches Ersuchen zugrunde liegt. Vielmehr ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der klagenden Parteien, dass sämtliche von ihnen behaupteten (und in den mit Schriftsatz vom 10.02.06 vorgelegten Listen bezifferten) Untersuchungsfälle solche sind, die von Amts wegen und nicht über konkreten Auftrag von Gerichten vorgenommen wurden.

Entscheidungstexte

  • A 4/02
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 07.03.2007 A 4/02

Schlagworte

Amtshilfe, Auslegung eines Antrages, Bundesverwaltung mittelbare,Finanzverfassung, Finanzausgleich, Kompetenz Bund - LänderErnährungswesen, Kostentragung, Lebensmittelrecht, Strafprozeßrecht,Kosten, VfGH / Klagen, VfGH / Verfahren, Zivilprozeß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:A4.2002

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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