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97 Öffentliches AuftragswesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung des Individualantrags einer öffentlichen Auftraggeberin aufAufhebung von Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 betreffenddas Gebot der Heranziehung geeigneter Leitlinien, wie der ÖNORMen,bei der Leistungsbeschreibung; keine verfassungswidrige dynamischeVerweisung durch bloßes Anknüpfen an bestimmte allgemein anerkannteStandards; keine verfassungswidrige Eigentumsbeschränkung angesichtsder im öffentlichen Interesse gelegenen Standardisierung und derMöglichkeit von Abweichungen; keine GleichheitswidrigkeitRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags einer öffentlichen Auftraggeberin auf Aufhebung des §97 Abs2 und §99 Abs2 BundesvergabeG 2006.
Die genannten Bestimmungen beschränken die Antragstellerin in der Gestaltung ihrer Ausschreibungen und beschreiben somit die Grenzen ihrer Vertragsfreiheit.
Kein zumutbarer Umweg; Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesvergabeamt nicht legitimiert, verfahrenseinleitende Anträge zu stellen.
Um einen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid zu erhalten, müsste die Antragstellerin eine - in der Regel äußerst aufwendige - öffentliche Ausschreibung unter Außerachtlassung vorhandener Leitlinien durchführen. In der Folge hätte sie es dennoch nicht in der Hand, ein Verfahren einzuleiten. Sie wäre vielmehr davon abhängig, dass ein Bieter die Ausschreibungsbedingungen erfolgreich bei den Vergabekontrollbehörden bekämpft.
Abweisung des Antrags.
Das Gebot zur "Heranziehung" geeigneter Leitlinien, wie der ÖNORMen, ohne dass diese iSd §5 NormenG für verbindlich erklärt werden, ist keine Verweisung iSd verfassungsgerichtlichen Judikatur (vgl zB VfSlg 12384/1990). Der Hinweis auf Normen, die in geeigneten Leitlinien, wie den ÖNORMen, in Bezug auf einen jeweiligen zeitbezogenen Standard festgeschrieben sind, ist nicht als dynamische Verweisung zu verstehen, sondern als bloßes Anknüpfen an bestimmte allgemein anerkannte Standards.
Der Begriff der geeigneten Leitlinie (wobei unter "geeigneten Leitlinien" nur solche verstanden werden können, die für Lieferungen oder Dienstleistungen in einer bestimmten Branche vorhanden sind und üblicherweise in dieser Branche auch verwendet werden) oder der standardisierten Leistungsbeschreibung ist nicht derart unbestimmt, dass öffentliche Auftraggeber, die über den nötigen Sachverstand verfügen, nicht beurteilen könnten, welche Leitlinien in ihrer Branche vorhanden und ob sie für die Beschreibung oder Aufgliederung bestimmter Leistungen üblich sind.
Kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht.
Die Standardisierung von Leistungsmerkmalen von Dienstleistungen und Produkten hat den Zweck, Leistungen und Produkte besser vergleichbar und Produkte untereinander austauschbar zu machen, aber auch verschiedene Komponenten von Produkten aufeinander abzustimmen.
Für die Vergabe durch öffentliche Auftraggeber ist die Vergleichbarkeit von Dienstleistungen und Produkten von besonderer Bedeutung. Sie gehört auch zum Wesen der öffentlichen Auftragsvergabe. Die Vergaberegelungen streben eine rationale, nicht diskriminierende und Kosten sparende Vergabe an, die ohne eine derartige Vergleichbarkeit innerhalb des öffentlichen Sektors kaum erreichbar ist. Die Standardisierung liegt daher im öffentlichen Interesse.
Das BundesvergabeG 2006 trifft auch keine unverhältnismäßige Regelung. Die Heranziehung von geeigneten Leitlinien wird nicht zwingend vorgesehen, vielmehr räumt das Gesetz dem öffentlichen Auftraggeber einen Spielraum für Abweichungen ein. Das Gesetz eröffnet dem öffentlichen Auftraggeber eine weite, nur durch das Missbrauchsverbot beschränkte Möglichkeit, die Ausschreibung abweichend von Leitlinien an die Besonderheiten des einzelnen Auftrages anzupassen.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
Das Vergaberecht bezieht sich ausschließlich auf öffentliche Auftraggeber, die zur sparsamen und nicht diskriminierenden Vergabe und damit Verwendung öffentlicher Mittel verpflichtet werden. Der Vergleich mit privaten Auftraggebern ist daher von vornherein verfehlt.
Schlagworte
Vergabewesen, Verweisung dynamische, Determinierungsgebot,Legalitätsprinzip, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsbegriffe unbestimmte,Eigentumsbeschränkung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G174.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009