RS Vwgh 2004/1/29 2001/20/0425

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 29.01.2004
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §17;

Rechtssatz

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an behördlichen oder gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (vgl. E 18.4.2002, 2001/01/0559). An den Beschwerdeführer (Asylwerber) durften daher in Bezug auf die Vermeidung einer allfälligen Unkenntnis von einem Zustellvorgang nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie etwa an einen Rechtsanwalt, der bei der Einrichtung seines Kanzleibetriebes durch entsprechende Organisation und Kontrolle dafür vorzusorgen hat, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. B 5.9.1990, 90/08/0149, und B 22.3.1991, 91/10/0018). Hier: Der Asylwerber begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den erstinstanzlichen Bescheid u.a. damit, dass er bei X.C. gewohnt, selbst aber keinen Zugang zum "Postkasten" gehabt habe. Er habe seinem Unterkunftgeber nach seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt mitgeteilt, dass er ihm die Zustellung eines Schriftstückes des Bundesasylamtes umgehend bekannt geben müsse, damit die Berufungsfrist gewahrt werden könne. X.C. habe den Asylwerber jedoch nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass die Anzeige von der Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheids "in seinem Postkasten deponiert wurde". Der unabhängige Bundesasylsenat hat nicht nachvollziehbar begründet, dass bestimmte Umstände vorgelegen wären, die den Schluss zugelassen hätten, der Asylwerber habe schon vor dem Zeitpunkt der Bescheidzustellung im Asylverfahren begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit seines Unterkunftgebers hegen müssen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001200425.X02

Im RIS seit

19.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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