TE Vfgh Erkenntnis 2006/2/27 V104/05

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Veröffentlicht am 27.02.2006
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Bebauungsplan der Gemeinde Maria Wörth vom 26.02.97
Krnt GemeindeplanungsG 1995 §13 Abs1, §26, §27

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung eines Bebauungsplanes betreffend seitliche Baulinien; Verständigung der betroffenen Grundeigentümer entsprechend dem Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 erfolgt

Spruch

§8 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Maria Wörth vom 26. Februar 1997, mit der ein Bebauungsplan für das ganze Gemeindegebiet erlassen wurde, genehmigt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 23. Mai 1997, kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung vom 19. Juni 1997, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Gemeinde Maria Wörth wies mit Bescheid vom 15. Mai 2003 das Bauansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Errichtung von zwei Lagerhallen auf dem Grundstück Nr. 973/1, KG Reifnitz ab. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bauvorhaben nicht den Bestimmungen des "allgemeinen textlichen Bebauungsplanes" entsprechen würde. Gemäß §8 Abs2 leg. cit. könnten Garagen und Nebengebäude mit Flachdach mit einer Länge von 8,00 m und einer maximalen Höhe von 2,80 m an die Nachbargrundgrenze herangebaut werden, wenn Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Schutzes des Ortsbildes nicht verletzt würden. Das Lagergebäude 1 weise im Gegensatz dazu eine Gesamtlänge von 10,00 m und eine Gebäudehöhe von 2,90 m im Grenzbereich auf. Das Lagerhaus 2, welches an ein bestehendes Lagergebäude (Länge 6,20 m) angebaut werde, weise eine Anbaulänge von 6,75 m (Gesamtlänge: 12,95 m) und eine Traufenhöhe von 3,00 m im Grenzbereich auf.

Der Gemeindevorstand der Gemeinde Maria Wörth wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 20. Oktober 2003 als unbegründet ab.

Die Kärntner Landesregierung gab der dagegen erhobenen Vorstellung mit Bescheid vom 29. April 2004 aufgrund des Widerspruchs zu der im Bebauungsplan normierten Baulinienbestimmung und mangels Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des §8 Abs2 zweiter Satz des Bebauungsplans keine Folge.

Im Zuge des Vorstellungsverfahrens wurde die Stellungnahme eines bautechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung zu der Frage eingeholt, ob die Voraussetzungen der in §8 Abs2 zweiter Satz des Bebauungsplanes enthaltenen Ausnahmebestimmung vorliegen, wonach der Abstand zur Grenze des Nachbargrundstückes verringert werden oder überhaupt entfallen kann, wenn das Vorhaben wegen der Beschaffenheit des Baugrundstückes sonst nicht ausgeführt werden könnte und wenn ihm öffentliche Interessen im Sinne der einschlägigen Gesetze nicht entgegenstehen oder wenn Bauvorhaben lediglich mitteilungspflichtig sind. Der Amtssachverständige verneinte mit Hinweis auf die flächenmäßige und topographische Beschaffenheit des Baugrundstückes das Vorliegen der genannten Voraussetzungen.

2. Die auf Art144 B-VG gestützte, zu B778/04 geführte Beschwerde behauptet die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass dieser Beschwerde am 10. Oktober 2005 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des §8 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Maria Wörth vom 26. Februar 1997, mit der ein Bebauungsplan für das ganze Gemeindegebiet erlassen wurde, genehmigt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 23. Mai 1997, kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung vom 19. Juni 1997 von Amts wegen zu prüfen.

2. Im Prüfungsbeschluss ist der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon ausgegangen, dass die zu B778/04 protokollierte Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat und dass auch er sie zur Beurteilung des vorliegenden Falles anzuwenden hätte.

3.1. Der Entwurf des Bebauungsplanes der Gemeinde Maria Wörth wurde in der Zeit vom 21. Oktober 1996 bis 18. November 1996 im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Die Auflage wurde durch Kundmachung vom 21. Oktober 1996 bekannt gegeben. Der Gemeinderat der Gemeinde Maria Wörth beschloss am 26. Februar 1997 einen Bebauungsplan für das ganze Gemeindegebiet, genehmigt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 23. Mai 1997, verlautbart in der Kärntner Landeszeitung vom 19. Juni 1997.

3.2. §8 Abs1 und 2 des Bebauungsplanes lauten:

"§8

Baulinien

(1) Die Baulinien werden in bereits bebauten Gebieten von den bestehenden Gebäuden bestimmt, ansonsten ist ein Mindestabstand von 5,00 m von öffentlichen Verkehrsflächen einzuhalten. Bestehende Trafostationen oder sonstige Einrichtungen der Energieversorgung bzw. des Straßendienstes, sind nicht geeignet, eine Baulinie festzulegen. Wenn es die örtliche Lage oder die Bauparzelle erfordert, kann mit Zustimmung der Baubehörde der Mindestabstand von öffentlichen Verkehrsflächen unterschritten werden.

(2) Die seitlichen Baulinien werden bei offener Bebauungsweise für alle Gebäude mit einem Abstand von mindestens der halben Traufenhöhe, jedoch mit mindestens 3,00 m bis zur Nachbarschaftsgrundstücksgrenze festgelegt.

Der Abstand zur Grenze des Nachbargrundstückes kann verringert werden oder überhaupt entfallen, wenn das Vorhaben wegen der Beschaffenheit des Baugrundstückes sonst nicht ausgeführt werden könnte und wenn ihm öffentliche Interessen im Sinne der einschlägigen Gesetze nicht entgegenstehen oder wenn die Bauvorhaben lediglich mitteilungspflichtig sind.

Garagen und sonstige Nebengebäude mit Flachdach, mit einer max. Länge von 8 m und einer max. Gesamthöhe von 2,80 m, können an die Nachbargrundgrenze herangebaut werden, wenn Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Schutzes des Ortsbildes nicht verletzt werden.

Für Garagen und sonstige Nebengebäude mit geneigten Dächern, einer max. Länge von 8,0 m und einer max. Traufenhöhe von 2,50 m wird der Abstand zur Nachbargrundgrenze mit mind. 1,50 m festgelegt, wobei eine eventuell notwendige Vergrößerung dieses Mindestabstandes je nach örtlicher Gegebenheit im Baubewilligungsverfahren festgelegt werden kann."

4. Aus folgenden Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Gemeinde Maria Wörth:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die grundbücherlichen Eigentümer, deren Grundflächen in den Entwurf des Bebauungsplanes einbezogen wurden, nicht gemäß §§26, 27 iVm §13 Abs1 K-GplG 1995, LGBl. Nr. 23/1995 zugleich mit der Kundmachung der Auflage des Entwurfes davon schriftlich verständigt worden sind, obwohl eine Abgabestelle für die Verständigung bekannt war oder ohne Schwierigkeiten festgestellt hätte werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in dem Erkenntnis VfSlg. 16.991/2003 (zur Änderung eines Bebauungsplanes nach dem K-GplG 1995) ausgesprochen, dass das Unterlassen der Verständigung einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Bebauungsplanes darstellt, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991 sowie VfSlg. 16.394/2001 zu §7 Abs1 Gemeindeplanungsgesetz 1982 idF LGBl. Nr. 105/1994 - entspricht §13 Abs1 K-GplG 1995; zur Pflicht zur schriftlichen Verständigung im Zusammenhang mit der Kundmachung der Auflage des Entwurfes eines textlichen Bebauungsplans vgl. VfSlg. 17.189/2004).

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung genommene Verordnung vorläufig das Bedenken, dass der Verfahrensmangel beachtlich ist und die gesamte Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet (vgl. VfSlg. 8213/1977, 13.707/1994, 16.991/2003)."

5. Die Kärntner Landesregierung legte den Verordnungsakt vor und erstattet eine Äußerung, in der sie den in Prüfung gezogenen Bebauungsplan im Wesentlichen wie folgt verteidigt:

"Anhand der Zustellverfügung der Kundmachung des Bürgermeisters der Gemeinde Maria Wörth vom 21. Oktober 1996 (siehe Verwaltungsakt ONr. 3) geht eindeutig hervor, dass alle Grundstückseigentümer von Baulandflächen der Gemeinde Maria Wörth davon verständigt wurden, dass seitens des Gemeinderates der Gemeinde Maria Wörth beabsichtigt ist, einen textlichen Bebauungsplan für das gesamte als Bauland gewidmete Gemeindegebiet zu erlassen, in dem die Bebauungsbedingungen nach §25 Abs1 K-GplG 1995, LGBl. Nr. 23/1995, in der geltenden Fassung festzulegen sind.

[...]

Da aus dem Verwaltungsakt eindeutig hervorgeht, dass alle Grundstückseigentümer der Gemeinde Maria Wörth von der beabsichtigten Erlassung eines neuen Bebauungsplanes verständigt und damit den Voraussetzungen des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes entsprochen worden ist, kann daher - entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes - weder §8 Abs2 noch die gesamte Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet sein."

6. Der Gemeinderat der Gemeinde Maria Wörth erstattete eine Äußerung.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Gerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist, und dass der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung genommene Verordnungsbestimmung bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.

2. Die vorläufigen Bedenken des Gerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung treffen jedoch nicht zu:

Dem Gerichtshof liegt nun - anders als zum Zeitpunkt der Einleitung des amtswegigen Verfahrens - der vollständige Verordnungsakt vor. Aus der einen Teil der Kundmachung der Entwurfsauflage bildenden Zustellverfügung ergibt sich, dass die grundbücherlichen Eigentümer aller Baulandflächen gemäß §§26, 27 iVm §13 Abs1 K-GplG 1995, LGBl. Nr. 23/1995 zugleich mit der Kundmachung der Auflage des Entwurfes davon schriftlich verständigt worden sind.

3. Die in Prüfung gezogene Verordnung war daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Verordnungserlassung, Verfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V104.2005

Dokumentnummer

JFT_09939773_05V00104_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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