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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z11Leitsatz
Verstoß einer - durch zulässigen Drittelantrag vonNationalratsabgeordneten angefochtenen - Regelung desLandarbeitsgesetzes über die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zurLand- und Forstwirtschaft, zB in Reitställen,Schlägerungsunternehmen, Natur- und Nationalparks, gegen dieKompetenz des Bundes zur Regelung des Arbeitsrechts; aufGrundsatzgesetzgebung beschränkte Kompetenz des Bundes zurRegelung des Landarbeitsrechts nur hinsichtlich von Tätigkeitenfür einen land- und forstwirtschaftlichen BetriebRechtssatz
Zulässigkeit eines Drittelantrags von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates.
Aufhebung des §1 Abs5 des Bundesgesetzes betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechts in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz), BGBl 287/1984, idF BGBl I 36/2006.
Ein land- und forstwirtschaftlicher Dienstvertrag liegt nur vor, wenn es sich um eine Tätigkeit für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (Betriebszweig) handelt (vgl VfSlg 8539/1979 und 13639/1993).
§1 Abs5 LandarbeitsG 1984 umschreibt nicht Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, sondern ordnet bestimmte Tätigkeiten, nämlich in Reitställen, Schlägerungsunternehmen, Natur- und Nationalparks, in der Betreuung von Park- und Rasenanlagen, in Büros, deren Unternehmensziel überwiegend in der Beratung und Verwaltung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben besteht, in land- und forstwirtschaftlichen Vermarktungs- und Dienstleistungsunternehmungen und in landwirtschaftlichen Biomasseerzeugungseinrichtungen schlechthin der Land- und Forstwirtschaft zu, und zwar "unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten in Gewerbebetrieben ausgeübt werden".
Eine - wie immer geartete - Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb zählt nicht zur Land- und Forstwirtschaft. Vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen waren nach ArtV lita Kundmachungspatent zur Gewerbeordnung 1859 (idF 1933 und 1934) nur bestimmte Nebengewerbe sowie die in ArtIV Abs2 KdmPat genannten Betriebe.
Keines der im neuen Absatz 5 genannten Unternehmen ist schon für sich ein zur Land- und Forstwirtschaft gehörender Betrieb. In dieser Richtung ist auch keine systemimmanente Fortentwicklung dieses Begriffs im Verhältnis zur übrigen Wirtschaft erkennbar.
Die in Prüfung stehende Vorschrift benennt nicht etwa (bloß klarstellend) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, sondern stellt kompetenzwidrig auf Tätigkeiten in Unternehmen oder Bereichen ab, die typischerweise nicht zur Land- und Forstwirtschaft gehören, sondern allenfalls ausnahmsweise und jedenfalls nicht schon wegen der im Gesetz genannten Merkmale und Eigenschaften darunter fallen können. Es ist das erklärte Ziel dieser Regelung, solche Tätigkeiten gerade ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit des Betriebes zur Land- und Forstwirtschaft dem Landarbeitsgesetz 1984 zu unterwerfen. Selbst nach Entfernung der Wortfolge "unabhängig davon, ob ..." kann sie im Zusammenhang des §1 und vor dem Hintergrund des §5 nicht so gelesen werden, dass die getroffene Anordnung nur insoweit gelten soll, als es sich (ausnahmsweise) um (Neben-)Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des Absatzes 2 handelt. Eine bloße Klarstellung war also nicht beabsichtigt und ist auch nicht gelungen. Die zur Prüfung gestellte Vorschrift überschreitet vielmehr insgesamt die Kompetenz des Bundes als (Grundsatz-)Gesetzgeber nach Art12 Abs1 Z6 B-VG (Landarbeitsrecht) in Richtung der ausschließlichen Bundeskompetenz nach Art10 Abs1 Z11 B-VG (Arbeitsrecht).
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder, Arbeitsrecht, Landarbeitsrecht, AuslegungVerfassungs-, Versteinerungstheorie, Grundsatz- undAusführungsgesetzgebung, GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G212.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009