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86 VeterinärrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit des generellen Verbots der Verwendungelektrisierender Dressurgeräte im Tierschutzgesetz; Wertungbetreffend Formen der Tierquälerei im rechtspolitischenGestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Schutz der Tiere vor derVerwendung solcher Dressurgeräte im öffentlichen Interesse;Gleichstellung ua mit Stachelhalsbändern nicht gleichheitswidrig;keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit; Zulässigkeit desIndividualantrags eines Hundehalters und -ausbildnersRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Wortfolge "elektrisierende oder" in §5 Abs2 Z3 lita TierschutzG, BGBl I 118/2004.
Die bekämpfte Bestimmung trifft den Antragsteller jedenfalls als Halter (§4 Z1 TierschutzG) und Ausbildner von Hunden unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre. Auch steht und stand ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der - sanktionsbewehrten (s §38 Abs1 und Abs2 TierschutzG) - angefochtenen Vorschrift an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, zumal es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren zu provozieren.
Im Hinblick darauf kein Eingehen auf die Frage, ob der Antragsteller durch die bekämpfte Vorschrift auch hinsichtlich seiner Tätigkeit als Jagdschutzorgan sowie als Handelstreibender unmittelbar in seiner Rechtssphäre betroffen ist.
Abweisung des Antrags.
Es fällt grundsätzlich in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine Wertung darüber zu treffen, welche Verhaltensweisen als Formen der Tierquälerei verpönt sind und konkretisierende Regelungen hiezu vorzusehen. Zweck des in §5 Abs2 Z3 lita TierschutzG verankerten Verbots der Verwendung elektrisierender Dressurgeräte ist der zweifellos im öffentlichen Interesse liegende Schutz des Tieres.
In Anbetracht dessen ist es dem Gesetzgeber aber im Lichte des Gleichheitssatzes unbenommen, wenn er - offenbar unter der Annahme, dass mit der Zufügung von Stromreizen zum Zwecke der Dressur von Tieren Beeinträchtigungen des Tieres verbunden sind oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können, die nach ihrer Art und Intensität als Qualen iSd §5 Abs1 TierschutzG zu qualifizieren sind - eine Regelung vorsieht, die die Verwendung elektrisierender Dressurgeräte verbietet. Wenn die Verbotsnorm dabei nicht zusätzlich auf die ungerechtfertigte Herbeiführung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwerer Angst beim Tier abstellt, sondern - in einer typisierenden Betrachtungsweise - jeglichen Einsatz sämtlicher elektrisierender Dressurgeräte (auch im sog Niedrigstrombereich) erfasst und als Tierquälerei definiert, zeigt dies die diesen Geräten auf Grund ihrer Funktion und Wirkungsweise vom Gesetzgeber beigemessene, potentiell tierschädigende Wirkung auf.
Gleichstellung mit Stachelhalsbändern nicht gleichheitswidrig. Generelles Verbot statt Abstellen auf Sachgemäßheit bzw geschulten Einsatz der Geräte verfassungskonform.
Keine Gleichheitswidrigkeit auch im Hinblick auf Ausnahmen vom generellen Verbot, zB für Korallenhalsbänder bei der Ausbildung von Diensthunden der Sicherheitsexekutive und des Bundesheeres. Keine Vergleichbarkeit mit elektrischen Weidezäunen.
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit.
Es ist dem Antragsteller unbenommen, seiner Tätigkeit als Hundeausbildner unter Einsatz anderer - erlaubter - Hilfsmittel zur Dressur der Tiere nachzugehen.
Berufsausübungsregeln müssen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken.
Angesichts des Umstandes, dass den vom Antragsteller vorgetragenen Fachmeinungen zu Wirkungsweise und Funktion elektrisierender Dressurgeräte etwa die von der Bundesregierung erstatteten Ausführungen entgegenstehen, ist es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht vorzuwerfen, wenn er bei diesem Widerspruch dem öffentlichen Interesse am Schutz der Tiere und insbesondere dem Schutz vor (möglicher) Quälerei Vorrang einräumt.
Die angefochtene Bestimmung vermag bei Abwägung des öffentlichen Interesses am Schutz des Tieres einerseits und einer möglichen Beschränkung des Hundehalters hinsichtlich der Modalitäten der Ausbildung und des Einsatzes seines Hundes andererseits auch keinen unverhältnismäßigen und daher verfassungsrechtlich verpönten Eingriff in den Eigentumsschutz zu bewirken.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Tierschutz, Hunde, Erwerbsausübungsfreiheit,Berufsausübungsfreiheit, RechtspolitikEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:G220.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009