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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung einerMaßnahmenbeschwerde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS)gegen vorläufige Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsträgers betreffend dieObsorge der Eltern zweier minderjähriger Kinder; Zuordnungvorläufiger Maßnahmen der Erziehungshilfe zurPrivatwirtschaftsverwaltung; Maßnahmenbeschwerde nur gegen Akte derHoheitsverwaltungRechtssatz
Siehe bereits VfSlg 11492/1987; so auch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; anders der Oberste Gerichtshof.
Maßnahmenbeschwerde gem Art129a Abs1 Z2 B-VG nur gegen Akte der Hoheitsverwaltung.
Keine Änderung durch das KindschaftsrechtsänderungsG - KindRÄG, BGBl 162/1989: §215 ABGB statt vorher §26 Abs2 JWG.
In den Gesetzesmaterialien zu §215 ABGB idF BGBl 162/1989 geht der Gesetzgeber unverändert davon aus, dass der Jugendwohlfahrtsträger bei der Ergreifung einstweiliger Maßnahmen nach der in Rede stehenden Norm nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig wird (vgl RV 172 BlgNR 17. GP, 22).
Der vom Obersten Gerichtshof allein in den Vordergrund der Argumentation gestellte Umstand, dass eine Maßnahme des Gesetzgebers auch den "Interessen der Allgemeinheit" dient, bedeutet keineswegs, dass deren Vollziehung schon deshalb hoheitlich ausgestaltet sein muss.
Die Rechte, welche die Jugendwohlfahrtsbehörde als gesetzlicher Vertreter (früher: Sachwalter) des minderjährigen Kindes (zu dessen Schutz auch unter den Gesichtspunkten seiner Grundrechte nach Art2 und Art8 EMRK) wahrzunehmen hat, sind einerseits privatrechtlicher Natur (Aufenthaltsbestimmung, sonstige Maßnahmen der Obsorge), dieselben Maßnahmen der Jugendwohlfahrtsbehörde - wie auch die sich daran anschließenden Anordnungen des Gerichtes - greifen aber zugleich auch in Rechte der Eltern, insbesondere auch in das Grundrecht der Eltern auf Familienleben im Sinne des Art8 EMRK, ein.
Der Jugendwohlfahrtsträger ist nach dem Gesetz an sich nicht befugt, sich die Ermächtigung zum Tätigwerden als Vertreter des Kindes selbst (mit Mitteln der Hoheitsverwaltung, etwa durch Erlassung eines Bescheides) zu arrogieren. Der erste Satz des §215 Abs1 ABGB verpflichtet die Behörde vielmehr, vor einer Maßnahme die gerichtliche Genehmigung dazu einzuholen. Dies spricht entschieden gegen eine hoheitliche Befugnis des Jugendwohlfahrtsträgers in diesem Sachzusammenhang.
Der Umstand, dass der Jugendwohlfahrtsträger bei Gefahr im Verzug kraft Gesetzes Maßnahmen setzen darf, die "wirksam" sind, d.h. für einen Zeitraum von acht Tagen den Vorrang vor Obsorgemaßnahmen der Eltern genießen, wie im Falle der Bestimmung des Aufenthaltes des Kindes, der von dem der Eltern abweicht, spricht nicht gegen die Deutung der Maßnahme als eine privatrechtliche, zumal der Jugendwohlfahrtsträger binnen dieser Frist auch in diesem Fall die Entscheidung des Gerichtes einzuholen hat.
Die Inanspruchnahme der in §215 Abs1 Satz 2 ABGB dem Jugendwohlfahrtsträger bei Gefahr im Verzug eingeräumten rechtsfürsorglichen Befugnis zur Obsorge, einschließlich der vorläufigen Aufenthaltsbestimmung des minderjährigen Kindes, ist daher privatrechtlicher Natur und keine Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Schlagworte
Zivilrecht, Kindschaftsrecht, Jugendfürsorge, Hoheitsverwaltung,Privatwirtschaftsverwaltung, Ausübung unmittelbarer Befehls- undZwangsgewalt, Unabhängiger Verwaltungssenat, Behördenzuständigkeit,Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von VerwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B881.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009