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65 Pensionsrecht für BundesbediensteteNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des gesamten ÖBB-Pensionsgesetzes mangels (Darlegung) eines unmittelbaren Eingriffs sämtlicher Bestimmungen in die Rechtssphäre des Antragstellers und mangels Darlegung von Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller BestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, die im Antrag wiedergegebenen §§1 bis 71 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes BGBl. I 2001/86, - behaupteter Maßen - idF BGBl. I 2005/80, als verfassungswidrig aufzuheben.
Begründend führt er dazu Folgendes aus:
"Der 1962 geborene Beschwerdeführer (gemeint wohl: Antragsteller) ist 1981 in den Dienststand des Bundes, Österreichische Bundesbahnen, eingetreten.
Im diesbezüglichen Dienstpostenverleihungsdekret wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass auf sein Dienstverhältnis die Dienstordnung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen Bundesbahnen geltenden Bestimmungen Anwendung finden.
...
Konkret hätte der Beschwerdeführer nach den mit ihm vereinbarten Bestimmungen der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 im Mai 2016 in den Ruhestand treten und 83% seines Letztbezuges erhalten können.
Durch das Bundesbahn-PensionsG in der heute geltenden Fassung - dessen Inhalt im Einzelfall nur mit archivarischem Fleiß durch einen Experten zu ermitteln ist - kann der Beschwerdeführer aber nunmehr erst im Jahre 2027, also 11 Jahre später, seinen Ruhestand antreten. Dafür erhält er nach dem Stand von heute - also ohne Berechnung der Inflation und Verzinsung - im Jahre 2027 eine monatlich um rund € 430,-- geringere Pensionsleistung als ihm für das Jahr 2016 vertraglich zugesichert war.
Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78 Jahren beträgt die Differenz zu den vertraglich vereinbarten Betriebspensionszahlungen mindestens € 80.000,--, um die der Beschwerdeführer durch das bekämpfte Bundesbahn-PensionsG aktuell verkürzt wird.
Aufgrund der Bescheidenheit des Einkommens, der bestehenden finanziellen Verpflichtungen und des doch vorgerückten Alters ist es für den Beschwerdeführer so gut wie unmöglich, etwa durch Abschließen einer privaten Versicherung den Ausfall der vormals durch die Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 garantierten Pension wettzumachen.
Dies umso weniger, als dem Bf. von den Aktivbezügen auch noch etwa 30% netto 'entzogen' werden.
Es besteht bei dem Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit, diese unverhältnismäßigen Eingriffe in seine Pensionsansprüche und unsachlichen Belastungen zivilrechtlich zu bekämpfen.
...
Betrachtung der gesamten Situation und historischen Entwicklung:
In diesem Zusammenhang kann die enorme Schmälerung meiner dienstrechtlichen Ansprüche, wodurch ich einen finanziellen Verlust von etwa € 165.000,-- erleide, nicht unberücksichtigt und unerwähnt bleiben. In diese Ansprüche wurde im Zusammenhang mit dem Bundesbahnstrukturgesetz 2003, welches ich unter einem ebenfalls beim Verfassungsgerichtshof angefochten habe einseitig und sittenwidrig eingegriffen. Hierzu gibt es kurioserweise auch noch eine gesetzliche Ermächtigung zur Willkürübung gemäß Art7 Abs4 Z2 BBStG. 2003.
Durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 und die Pensionsreform verliere ich persönlich unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Lebenserwartung insgesamt netto ohne Zinsverlust und Berücksichtigung der Inflation etwa € 217.000.
Dafür muss ich auch noch 11 Jahre länger arbeiten. Meinen Traum von einem schuldenfreien Eigenheim in der Pension kann ich nicht mehr realisieren, weil der Bund seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt.
Keinem anderen Dienstgeber wäre es sanktionslos möglich, sich so seiner vertraglichen Verpflichtungen entziehen zu können.
...
Durch das angefochtene Gesetz bin ich unmittelbar in meinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips und/oder
* Gleichheit vor dem Gesetz gem. Art7 Abs1 BVG,
Art2 Staatsgrundgesetz, und/oder
* Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5
Staatsgrundgesetz, Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur MRK), und/oder
* Recht auf Koalitionsfreiheit (Art12 StGG, Art11 MRK)
* Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art83
B-VG
verletzt.
...
Der Beschwerdeführer vertritt den Rechtsstandpunkt, dass jeder Eingriff in die mit dem Bund vereinbarte Pensionsordnung, jedenfalls aber die ab dem PensionsreformG 2001 erfolgten gesetzlichen Verschlechterungen seiner Pensionsansprüche das Bundesbahn-PensionsG in der heute geltenden Fassung insgesamt verfassungswidrig machen ...
Ein Gesetz, das einen privatrechtlichen Vertrag (Pensionsvertrag) in der dargestellten Weise unmittelbar verändert, greift schon allein dadurch in das durch Art5 StGG und Art1 des 1. ZP EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht ein.
Es handelt sich um einen Missbrauch der staatlichen Gewalt, wenn sich der Staat (Bund) als durch den mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Pensionsvertrag verpflichteter Vertragspartner selbst damit begünstigt, dass die Bundesregierung immer wieder über den Umweg der Gesetzgebung die privatautonomen Zahlungsverpflichtungen des Bundes nach dem Motto 'Mehr Geld für mich - Gesetz bricht Vertrag!' drastisch vermindert.
Nachdem der Staat 20 Jahre lang vom Beschwerdeführer die vertraglich vereinbarten Leistungen entgegengenommen hat, reduziert er nunmehr seine eigenen vertraglichen Verpflichtungen durch die bekämpften gesetzgeberischen Maßnahmen von sich aus einseitig und rückwirkend.
Der Beschwerdeführer hat jahrzehntelang Beiträge in der Erwartung entrichtet, dass durch seine Pensionierung kein erhebliches Absinken des während der Aktivzeit erzielten Standards der Lebensführung eintritt. Dabei spielt es eine wesentliche Rolle, dass der Dienstgeber und Vertragspartner der Bund war und ist, und von dem Bf. erwartet, dass er seine Zusagen und Verträge einhält, und sich diese auch leisten kann. Nunmehr erreicht die gesetzgeberischen Maßnahmen aber eine Intensivität, die das Maß des Erträglichen übersteigt.
Der Sicherheits- und Versorgungsaspekt kompensierte die erheblichen Einkommensverluste im Bundesbahndienst und war der ausschlaggebende Gesichtspunkt, weshalb der Beschwerdeführer auf die wesentlich besseren Erwerbschancen in der Privatwirtschaft verzichtet hat...
Der schon ganz allgemein gerade im Pensionsrecht anerkannte besondere Vertrauensschutz gegenüber Eingriffen in die bestehenden Rechtspositionen wurde dem Beschwerdeführer darüber hinaus auch noch ausdrücklich durch §40 der geltenden Dienstordnung zugesichert, welcher die Unverkürzbarkeit seiner Bezüge besonders gewährleistet.
Eine Vertragsbestimmung, die eben gerade nicht unter dem Vorbehalt der sogenannten 'Jeweilsklausel' im ÖBB-Dienstrecht steht (§67 Abs3 Z16 AVB) und die selbst dort wo sie gilt, ohnedies keinen Freibrief für einseitige Dienstvertragsänderungen darstellen kann.
Dies wurde ausdrücklich durch die Weitergeltung von §40 Dienstordnung gemäß §67 Abs3 Z16 AVB zugesichert. Die Einordnung von Dienstvertragsbestandteilen in die Kategorie der gewährleisteten Rechte bedeutet, dass diese gerade nicht einseitig gegen den Willen des Arbeitsnehmers beeinträchtigt werden können (vgl. die §§4 und 40 Dienstordnung) und damit von der 'Jeweilsklausel' ausgenommen sind.
Würde der Gesetzgeber etwa vergleichsweise alle Sparguthaben in einem derartigen Ausmaß von 30% kürzen, so würde niemand daran zweifeln, dass ein solcher Eingriff gegen das Eigentumsrecht verstößt und auch nicht mit einem Interesse an der Sanierung des Bundesbudgets gerechtfertigt werden kann.
Es kann auch kein öffentliches Interesse an der Reduktion der finanziellen Belastung des Bundes bilden, wenn dieser als Privatrechtssubjekt vertragliche Verpflichtungen übernommen hat, hinsichtlich derer er sich aktuell überfordert sieht.
Andernfalls würde letztlich jeder privatrechtliche Vertrag mit dem Bund automatisch unter dem Vorbehalt jederzeit möglicher gesetzlicher Reduktion der vom Bund geschuldeten Leistungen stehen. Dann entfernen wir uns aber von einem demokratischen Rechtsstaat zu einem Ständestaat zwischen Begünstigten des Bundes und weniger Begünstigten, bzw. wird aus der Republik Österreich ein totalitärer (Schein-) Rechtsstaat.
Weiters stellen die gesetzlichen Eingriffe in den Dienstvertrag des Beschwerdeführers auch einen schweren Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit (Art12 StGG, Art11 EMRK) dar, weil es der Staat nicht in der Hand hat, ihm aus irgendwelchen Gründen missliebige Kollektivvertragsinhalte ohne weiteres mittels Gesetz außer Kraft zu setzen.
Durch die dargestellten gesetzlichen Eingriffe, die das Bundesbahn-PensionsG in der heute geltenden Form geschaffen hat, wurde in einem Maße in die bisher koalitionär ausverhandelte Vertragsschablone 'Bundesbahn-Pensionsordnung 1966' eingegriffen, die der gesetzlichen Außerkraftsetzung von Kollektivvertragsbestimmungen gleichkommt und bereits Ausverhandeltes in einer ganzen Reihe von bedeutsamen Punkten geradezu total vernichtet.
Das Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten ist als Betriebspensionsrecht bis zur bekämpften Kodifizierung durch das Bundesbahn PensionsG weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag mit Normwirkung geschaffen worden, sondern stets durch Vereinbarungen der gewerkschaftlich organisierten betrieblichen Personalvertretung mit der Unternehmensleitung, wobei die Umsetzung dieser Vereinbarungen letztlich einzelvertraglich erfolgte.
Völlig außer Acht wurde gelassen, dass das mit dem bekämpften Bundesbahn-PensionsG beseitigte, einzelvertraglich begründete Pensionsrecht gemäß der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 ein Betriebspensionssystem darstellt und selbstverständlich die Betriebspension gerade auch in Zukunft und auch bei einer Harmonisierung der gesetzlichen Pensionssystem als sogar immer wichtiger werdende weitere Säule der Alters- und Hinterbliebenenvorsorge aufrecht bleiben muss und wird ... Warum dies bei ÖBB Bediensteten anders sein soll, verstehe ich nicht.
Das Bundesbahn-PensionsG in der heute geltenden Fassung schafft in ganz ungewöhnlicher und unüblicher Weise gleichheitswidrig ein Sonderrecht für nur einen Arbeitgeber und etabliert einen singulären Arbeitgeberschutz bzw. einen Schutz des hinter den ÖBB stehenden, für die Pensionen zahlungspflichtigen Staates gegenüber allen anderen Dienstgebern, die ähnliche Zusagen gemacht haben.
Ferner verstoßen diese für den Beschwerdeführer massiv verschlechternden Regelungen des Bundesbahn-PensionsG gegen den aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz.
Die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes, die Erhöhung der Abschlagspunkte und der Steigerungspunkte bewirkt für den Beschwerdeführer innerhalb von drei Jahren eine Reduktion der Pensionsleistung von etwa 15 Prozent.
Der schwerwiegende Charakter dieser Eingriffe ist damit evident. Der Beschwerdeführer ist aber gerade in Bezug auf seine Betriebspension besonders schutzbedürftig, weil er durch seine Arbeit als aktiver Bundesbahn-Beamter vorgeleistet hat und als Gegenleistung dafür nach Beendigung des Dienstverhältnisses Anspruch auf eine Betriebspension hat, die ihm durch §40 Dienstordnung besonders zugesichert und gewährleistet wurde.
Es ist sachlich nicht nachvollziehbar, warum gerade der Bund, der selbst auf Grundlage koalitionärer Verhandlungen die entsprechenden Verpflichtungen gegenüber den ÖBB-Bediensteten einzelvertraglich begründet und über Jahrzehnte sowie über die verschiedensten Koalitions- und Alleinregierungen hinweg aufrechterhalten hat, diese solcherart kollektivvertraglichen Regelungen einfach mittels Gesetztes beseitigen könnte.
Ein öffentliches Interesse an einer vollständigen 'Umwandlung' einer Betriebspension in eine gesetzliche Pension, noch dazu mit Kürzungen in einem derart gravierenden Ausmaß, ist keineswegs ersichtlich ... Dies geht auch aus dem Gesetz nicht hervor."
2. Der Antrag ist nicht zulässig.
Kraft §62 Abs1 VfGG 1953 hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Es ist daher Prozessvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG, dass sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Normen im Einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8594/1979, 11.610/1988). Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich ausschließlich auf die Behauptung des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10.353/1985, 11.610/1988).
Wendet man diese ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf den vorliegenden Antrag an, ergibt sich Folgendes:
Der Antrag auf Aufhebung des gesamten BB-PG erweist sich schon deshalb als unzulässig, weil es offenkundig ist, dass keineswegs jede einzelne der angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen kann (vgl. etwa VfSlg. 9620/1983, 12.442/1990). Auch der Antrag selbst enthält keine iSd. §62 Abs1 VfGG 1953 erforderliche Darlegung darüber, dass alle diese Regelungen für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden sind.
Im Übrigen kommt es bei der Prüfung der Prozessvoraussetzungen für die Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG auch darauf an, ob sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der im einzelnen gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes seinem ganzen Inhalt nach oder einer bestimmten Gesetzesstelle sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8700/1979). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich auf ein Gesetz seinem ganzen Inhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes darlegen (vgl. VfSlg. 7593/1975, 12.464/1990, 13.140/1992). Auch diese Voraussetzung wird durch den vorliegenden Antrag nicht erfüllt.
Der Antrag ist somit schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 13.916/1994 S 411 f.; s. im Übrigen auch VfSlg. 16.616/2002 S 106).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bundesbahnen, Bundesbahnbedienstete, VfGH / Individualantrag, Dienstrecht, Ruhestandsversetzung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G137.2005Dokumentnummer
JFT_09939772_05G00137_00