RS Vfgh 2007/9/26 B505/07

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Veröffentlicht am 26.09.2007
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
StaatsanwaltschaftsG - StAG §35 Abs1

Leitsatz

Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung einerMaßnahmenbeschwerde gegen die behauptete Veröffentlichung vonAmtsgeheimnissen durch das Landesgericht für Strafsachen Wien (bzwdurch die Staatsanwaltschaft, die Oberstaatsanwaltschaft und dasBundesministerium für Justiz) mangels Vorliegen eines Aktesunmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Rechtssatz

Eine gegen eine Person gerichtete (dem Staat zurechenbare) Maßnahme stellt nur dann eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, wenn damit dem Betroffenen (ohne dass ein Bescheid erlassen wird) entweder im Sinne eines Befehls eine Verpflichtung auferlegt wird oder aber durch eine zwangsbewehrte faktische Handlung in die Rechtsposition des Betroffenen eingegriffen wird. Daraus ist abzuleiten, dass der Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen unmittelbare Folge der durch das Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung gesetzten Maßnahme ist.

Die behauptete Weitergabe streng vertraulicher und dem Amtsgeheimnis unterliegender Informationen und Aktenbestandteile an Printmedien bzw an einen näher bezeichneten Buchautor ist weder als Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch noch als Ausübung von Zwangsgewalt zu qualifizieren.

Dem Beschwerdeführer stehen im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung des Rechts nach Art6 EMRK auf ein faires Verfahren und der Unschuldsvermutung (behauptete mediale "Vorverurteilung") als Folge der Weitergabe von Informationen andere (etwa strafrechtliche oder datenschutzrechtliche) Wege der Rechtsverfolgung zur Verfügung.

§35 Abs1 StAG, demzufolge eine Einsichtnahme in die Tagebücher und Aktenvorgänge der Staatsanwaltschaften und der ihnen vorgesetzten Behörden vorgesehen ist, steht einer Aktenvorlage im Verfahren vor dem UVS und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht entgegen. Dennoch ist der belangten Behörde von Verfassungs wegen nicht vorzuwerfen, dass sie keine weiteren Ermittlungen angestellt hat. Selbst wenn - wie vom Beschwerdeführer behauptet - Aktenbestandteile weitergegeben worden sein sollten, handelt es sich dabei um keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, weshalb die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zu Recht verneint hat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, UnabhängigerVerwaltungssenat, Behördenzuständigkeit, Strafrecht,Strafprozeßrecht, Amtsverschwiegenheit, Staatsanwaltschaft, fairtrial

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B505.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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