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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richterdurch Inanspruchnahme einer der belangten Behörde nicht zukommendenZuständigkeit zur bescheidmäßigen Aufhebung einerVerordnungsbestimmung seitens der Aufsichtsbehörde; Unzulässigkeiteiner - auch aus dem UniversitätsG 2002 nicht ableitbaren - Kompetenzzur Aufhebung von Verordnungen mittels Bescheid; Widerspruch zu denindividuellen und generellen Rechtssatztypen und zumRechtsschutzsystem; Monopol des Verfassungsgerichtshofs zurVerordnungsprüfung; Beschwerdelegitimation der Wirtschaftsuniversitätgegeben; keine Befugnis zur Erhebung einer "Organbeschwerde"Rechtssatz
Zulässigkeit der Beschwerde der Wirtschaftsuniversität Wien, vertreten durch das Rektorat, gegen einen Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Aufhebung einer vom Senat beschlossenen Satzungsänderung in Ausübung des Aufsichtsrechts.
Weder dem Rektorat noch dem Senat käme (im eigenen Namen) eine Beschwerdelegitimation an den Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG zu, da sie zwar Organqualität, nicht aber Rechtspersönlichkeit besitzen. Eine Befugnis zur Erhebung einer "Organbeschwerde" hat der Gesetzgeber für das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht vorgesehen; er wäre dazu auch nicht ermächtigt (vgl VfSlg 15079/1998, 17220/2004).
Rechtsverletzungsmöglichkeit der Universitäten als juristische Personen öffentlichen Rechts (§4 UniversitätsG 2002) durch einen aufsichtsbehördlichen Bescheid.
Übertragbarkeit der Aussagen in den Erkenntnissen VfSlg 13429/1993 und VwSlg A14762/1997 zum selbständigen (autonomen) Wirkungsbereich der Universitäten auf die Rechtslage nach Erlassung des §2 Abs2 UOG 1993 als Verfassungsbestimmung und auf das UniversitätsG 2002.
Die Erhebung von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof ist der Kompetenz des Rektorats zur Vertretung der Universität nach außen gem §20 Abs1 UniversitätsG 2002 zu subsumieren (auch im Fall aufsichtsbehördlicher Bescheide aus Anlass einer Entscheidung des Senats).
Kein Ausschluss der Beschwerdeberechtigung in §45 leg cit.
Inanspruchnahme einer der belangten Behörde nicht zukommenden Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Aufhebung einer Verordnungsbestimmung.
Verordnungscharakter der Satzung einer Universität.
Wenn der Gesetzgeber mit den Begriffen "Entscheidungen" bzw "Beschlüsse" in §45 UniversitätsG 2002 Verordnungen (Satzungen) von Universitätsorganen nicht erfassen wollte, hätte die belangte Behörde, indem sie eine Bestimmung der Satzung der WU Wien aufgehoben hat, schon deswegen eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen und dadurch die beschwerdeführende Universität im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Sollte der Gesetzgeber mit den Begriffen "Entscheidungen" bzw "Beschlüsse" jedoch auch Verordnungen gemeint haben, so liefe die Rechtslage darauf hinaus, dass der einfache Gesetzgeber der Bundesministerin (dem Bundesminister) die Kompetenz zur Aufhebung von Verordnungen durch Bescheid eingeräumt hätte. Damit wäre der Vorschrift jedoch ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt: Zum einen widerspräche diese Deutung der dem Rechtsschutzsystem des B-VG innewohnenden strengen Unterscheidung zwischen generellen und individuellen verwaltungsbehördlichen Rechtssatztypen, die es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt, eine Aufhebung von Verordnungen (verstanden als deren direkte Beseitigung aus dem Rechtsbestand, wie sie im angefochtenen Bescheid beabsichtigt ist) mittels Bescheides vorzusehen. Zum anderen käme diese Deutung in Konflikt mit dem dem Verfassungsgerichtshof iSd Art139 B-VG übertragenen Prüfungsmonopol, liefe eine solche Interpretation doch darauf hinaus, dass auf Grund einer Anordnung des einfachen Gesetzgebers über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung letztlich der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hätte (vgl VfSlg 3892/1961).
Schlagworte
Hochschulen, Organisation, Behördenzuständigkeit, Satzung,Selbstverwaltung, Aufsichtsrecht, Verordnungsbegriff,Rechtsquellensystem, Stufenbau der Rechtsordnung, Rechtsschutz, VfGH/ Legitimation, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B2007.2006Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009