RS Vfgh 2008/2/28 B963/06

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Veröffentlicht am 28.02.2008
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L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §6 Abs1 litb, Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung dergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs aufgrundder Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; gleichheitswidrigeGesetzesauslegung durch Nichtberücksichtigung einer möglichenSelbstbewirtschaftung durch den Sohn der Beschwerdeführerin; keineVermeidung möglicher Inländerdiskriminierung bei dieser Auslegung;verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung derBestimmungen des Grundverkehrsrechts über die Selbstbewirtschaftungim Sinne einer möglichen Bewirtschaftung auch durch hiezu befähigteFamilienangehörige geboten

Rechtssatz

Kein Widerspruch der angewendeten Regelung des §6 Abs1 litb iVm Abs2 Tir GVG 1996 zum Gemeinschaftsrecht:

Die hier (allein) in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt der Bewirtschaftung des Grundstückes durch die Erwerberin gemeinsam mit einem Familienangehörigen zu prüfende Regelung des §6 Abs1 litb iVm Abs2 Tir GVG (in der angewendeten Fassung) führt - bei gebotener verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung - zu keiner verfassungswidrigen Schlechterstellung gegenüber anderen EU-Bürgern aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts:

Die Definition der Selbstbewirtschaftung in §6 Abs2 Tir GVG ist nämlich nach ihrem Wortlaut und Sinngehalt auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH im Fall Ospelt (EuGH vom 23.09.03, Rs C-452/01, Slg 2003, I-9743) und der daran anknüpfenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 17422/2004, 17554/2005, 17555/2005; VfGH 05.12.06, G121,122/06) verfassungskonform dahin zu verstehen, dass dem Erfordernis der "Selbstbewirtschaftung" nicht nur im Fall der persönlichen Bewirtschaftung durch den Eigentümer (Erwerber) genüge getan wird, sondern auch dann, wenn die Bewirtschaftung durch einen (hiezu befähigten) Familienangehörigen des Erwerbers garantiert wird; in einem solchen Fall sind der Erwerber und jenes Familienmitglied, von dem die fachgerechte Bewirtschaftung erwartet werden kann, als (das erworbene Grundstück gemeinsam bewirtschaftende) Einheit iSd §6 Abs2 Tir GVG anzusehen.

Die belangte Behörde ist jedoch von der - irrigen - Rechtsansicht ausgegangen, dass die Vorschrift des §6 Abs1 litb Tir GVG jedenfalls die persönliche (physische) Mitarbeit des Erwerbers im Betrieb verlangt, ohne Definition und Zielsetzung des Abs2 leg cit (sowie die Vermeidung einer möglichen Inländerdiskriminierung) zu berücksichtigen und sich mit der im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Behauptung der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks durch den Sohn der Beschwerdeführerin, der auch über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt, auseinanderzusetzen.

Insoweit hat es die belangte Behörde verabsäumt, den Tatbestand des §6 Abs1 litb Tir GVG jener gebotenen verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung zuzuführen, die der Intention der Regelung Rechnung trägt, womit der Vorschrift aber ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt wurde: Käme es bei der vorgenommenen Interpretation doch auch in Fällen zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, in denen dies weder nach dem Telos des Gesetzes noch aufgrund der Konsequenz der Schlechterstellung inländischer Staatsbürger gegenüber Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten sachlich gerechtfertigt wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, EU-Recht,Inländerdiskriminierung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B963.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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