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97 Öffentliches AuftragswesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Regelung des Bundesvergabegesetzes 2002 betreffend die zu leistende Pauschalgebühr für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes im Nachprüfungsverfahren für Bauaufträge im Oberschwellenbereich; Oberschwellengebühr bei Gesamtaufträgen auch hinsichtlich des Auftragswertes eines im Unterschwellenbereich liegenden einzelnen Loses zu entrichten; verfassungskonforme Auslegung angesichts des Wortlautes der geprüften Bestimmungen nicht möglich; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der gleichlautenden Bestimmung in der Pauschalgebührenverordnung mangels gesetzlicher GrundlageSpruch
I. Die Wortfolge "Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des Anhanges X des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002, war verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Die Wortfolge "Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, war gesetzwidrig.
Die Bundesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1417/03 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
2. Die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. schrieb im Wege des offenen Verfahrens die "Generalsanierung Schwackhöfer Haus" aus. Im Rahmen dieser Generalsanierung wurden auch Fliesenlegerarbeiten ausgeschrieben. Der geschätzte Auftragswert des gesamten Vorhabens betrug € 15,587.910,--, der geschätzte Auftragswert der Fliesenlegerarbeiten € 108.480,--.
Nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin deren Nichtigerklärung. Der daraufhin vom Bundesvergabeamt (im Folgenden: BVA) erteilte Verbesserungsauftrag enthielt den Hinweis auf die Notwendigkeit der Vergebührung des Nachprüfungsantrages und des fehlenden Nachweises eines solchen, wobei die Gebührenhöhe für den Unterschwellenbereich mit € 2.500,-- und für den Oberschwellenbereich mit € 5.000,-- mitgeteilt wurde. Die Beschwerdeführerin verbesserte ihren Schriftsatz und entrichtete die Pauschalgebühr in Höhe von € 2.500,-- mit der Bemerkung, dass es sich "um ein Nachprüfungsverfahren im Unterschwellenbereich handelt". Eine Pauschalgebühr in gleicher Höhe leistete die Beschwerdeführerin ferner für die ebenfalls beantragte Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
3. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde der Nichtigerklärungsantrag gemäß §166 Abs2 Z5 BVergG 2002, BGBl. I Nr. 99/2002 (im Folgenden: BVergG), zurückgewiesen und mit Spruchpunkt II. der Beschwerdeführerin aufgetragen, den ausständigen Teil der Pauschalgebühr, insgesamt € 5.000,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu entrichten. Begründet wurde dies damit, dass Nachprüfungs- und Feststellungsanträge sowie Anträge auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen abhängig vom durchgeführten Verfahren zu vergebühren seien. Auch für Lose richte sich die Gebühr nach dem für die Vergabe des betreffenden Loses durchgeführten Verfahren. Das vorliegende Vergabeverfahren sei in mehrere Lose unterteilt, wovon eines Fliesenlegerarbeiten darstelle, und habe ein Gesamtvolumen von € 15,587.910,--, sodass im vorliegenden Fall - nach Maßgabe der in §9 Abs1 Z3 BVergG bei Bauaufträgen genannten Betragshöhe von € 5 Mio. - die Voraussetzungen des Oberschwellenbereichs gegeben seien. Gemäß §177 Abs1 und 2 iVm Anhang X BVergG 2002 wären daher von der Beschwerdeführerin bei Antragstellung € 5.000,-- für den Nachprüfungsantrag zu entrichten gewesen. Da der Antrag trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt worden sei, sei der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen gewesen. Die noch offenen € 2.500,-- für den Nachprüfungsantrag sowie die noch offenen € 2.500,-- für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurden der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt II. vorgeschrieben.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Gleichheitssatzes, von Art5 StGG, Art83 Abs2 B-VG sowie Art6 EMRK und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird.
5. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des Anhanges X des BVergG sowie der Gesetzmäßigkeit der gleichlautenden Wortfolge in der vorletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des BVA entstanden.
Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 24. Juni 2005 ein Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zur Prüfung der Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit dieser Wortfolgen eingeleitet.
6. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§177 BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002, lautet samt Überschrift:
"Gebühren und Gebührenersatz
§177. (1) Für Anträge gemäß den §§163 Abs1, 164 Abs1, 171
Abs1 und 175 Abs1 hat der Antragsteller eine Pauschalgebühr zu entrichten.
(2) Die Höhe der Pauschalgebühr gemäß Abs1 richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren und ist gemäß den in Anhang X ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten.
(3) Für Anträge auf Teilnahme am Nachprüfungs- oder Feststellungsverfahren gemäß §165 Abs2 und 4 ist eine Pauschalgebühr in der Höhe von 50% von den in Anhang X genannten Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Die Höhe der Pauschalgebühr richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren.
(4) Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte zu entrichten. Die über die Barzahlung und Einzahlung mit Erlagschein hinausgehenden zulässigen Entrichtungsarten sind durch das Bundesvergabeamt nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und entsprechend bekannt zu machen.
(5) Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß Abs1 oder 3 entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner."
Weiters lautet der in §177 Abs2 genannte Anhang X des BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002 (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben; bei einigen Positionen enthält der Anhang X keine Gebührensätze):
"Anhang X
Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes
Direktvergaben.......................................... 200 €
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs3
Bauaufträge............................................. 400 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 300 €
Geistig-schöpferische Dienstleistungen.........
Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs1
Bauaufträge............................................. 600 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............
Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich
Bauaufträge.............................................2 500 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............
Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich
Bauaufträge.............................................5 000 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............"
§191 Abs4 BVergG ermächtigt die Bundesregierung zur Anpassung der in Anhang X normierten Gebührensätze und lautet in der Stammfassung:
"§191.
...
(4) Die Bundesregierung hat die Gebührensätze in Anhang X durch Verordnung entsprechend anzupassen, falls es der mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes verbundene Personal- und Sachaufwand zur Deckung der Kosten der Rechtschutzeinrichtung erfordert."
Die Bundesregierung hat eine Verordnung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, erlassen, in der sie die Gebührensätze des Gesetzes betreffend Bauaufträge im Oberschwellenbereich übernahm. Die Verordnung lautet (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§1. Die Gebührensätze in Anhang X des Bundesvergabegesetzes 2002 werden wie folgt angepasst:
Direktvergaben.......................................... 200 €
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs3 und 4
Bauaufträge............................................. 400 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 300 €
Geistig-schöpferische Dienstleistungen.................. 350 €
Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs1
Bauaufträge............................................. 600 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 350 €
Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich
Bauaufträge.............................................2 500 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 800 €
Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich
Bauaufträge.............................................5 000 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge.....................1 600 €
§2. Diese Verordnung tritt mit 1. September 2002 in Kraft."
§13 BVergG 2002 betrifft die Berechnung des geschätzten
Leistungswertes bei Bauaufträgen und Baukonzessionsverträgen. Dieser Wert ist u.a. dafür maßgebend, ob ein Bauauftrag in den Ober- oder Unterschwellenbereich fällt. §13 BVergG lautet:
"§13. (1) Besteht ein Bauwerk aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen. Als Lose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Anhanges I (Gewerke).
(2) Durch die Aufteilung eines Bauauftrages oder eines Baukonzessionsvertrages darf insbesondere nicht die Anwendung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes für den Oberschwellenbereich umgangen werden.
(3) Bei der Berechnung des geschätzten Leistungswertes von Bauaufträgen oder Baukonzessionsverträgen ist neben dem Auftragswert auch der geschätzte Wert aller für die Ausführung der Arbeiten erforderlichen Waren und Dienstleistungen einzubeziehen, die dem Unternehmer vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Der Wert der Waren oder Dienstleistungen, die für die Ausführung eines bestimmten Bauauftrages nicht erforderlich sind, darf zum Wert dieses Auftrages insbesondere nicht mit der Folge hinzugefügt werden, dass die Vorschriften dieses Bundesgesetzes für den Oberschwellenbereich für die Beschaffung dieser Waren oder Dienstleistungen umgangen werden."
An die Art des Verfahrens knüpft auch die Gebührenregelung des §177 Abs2 und des Anhanges X zum BVergG an, so dass §13 BVergG auch für die Vergebührung maßgebend ist.
Nach §166 Abs2 Z5 ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn
"trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde."
Mit BGBl. I Nr. 17/2006 trat das Bundesvergabegesetz 2006 (im Folgenden: BVergG 2006) per 1. Februar 2006 in Kraft (§345 Abs1 Z7 BVergG 2006). Zugleich mit dem Inkrafttreten des BVergG 2006 trat das BVergG 2002 außer Kraft (§345 Abs1 Z3 BVergG 2006). §345 Abs4 ordnet allerdings an, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes beim BVA anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des nach §345 Abs1 Z3 außer Kraft getretenen BVergG 2002 fortzuführen sind. Mit §345 Abs11 BVergG 2006 wurde die PauschalgebührenV aufgehoben.
7. Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Prüfungsbeschluss folgende Bedenken gegen die im Spruch genannten Bestimmungen:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bindet der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001 ua.) und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. 14.039/1995, 16.407/2001). Dem Gleichheitsgrundsatz ist aber auch das Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte immanent (s. etwa VfSlg. 2956/1956, 5208/1966, 8435/1978). Ungleiches darf nicht unsachlicherweise gleich behandelt werden (s. zB. VfSlg. 6410/1971, 9204/1981).
Der Gerichtshof hat zwar in ständiger Rechtsprechung betont, dass es der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber nicht verbiete, bei der Normsetzung von einer auf den Regelfall abstellenden Durchschnittsbetrachtung auszugehen und zu typisieren (zB. VfSlg. 10.455/1985, 13.659/1993, 16.048/2000) sowie auch pauschalierende Regelungen zu treffen (VfSlg. 9624/1983). Der Gerichtshof hat allerdings auch die Grenzen dieser Maßnahmen aufgezeigt und festgehalten, dass pauschalierende Regelungen, auch wenn sie im Interesse der Verwaltungsökonomie getroffen werden, nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen dürfen (zB. VfSlg. 4930/1965, 5022/1965, 9608/1983, 13.726/1994); die gewählten Maßstäbe müssten den wirtschaftlichen Erfahrungen entsprechen (VfSlg. 4409/1963, 5160/1965, zuletzt VfSlg. 16.048/2000). Diesen Anforderungen scheinen die in Prüfung zu ziehenden Bestimmungen nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht zu entsprechen.
Wird ein Auftrag in Losen (Gewerken) vergeben und beteiligen sich Bieter nur an einzelnen Losen, so kann der geschätzte Auftragswert des einzelnen Loses im Unterschwellenbereich liegen und innerhalb dieses ganz geringfügig sein. Dennoch dürfte die selbe Gebühr, wie für ein Verfahren im Oberschwellenbereich mit einem ganz bedeutenden Auftragswert, zu entrichten sein.
Der Anlassfall scheint die Konsequenzen einer solchen Regelung deutlich aufzuzeigen: Der geschätzte Auftragswert des Loses, für das die beschwerdeführende Partei angeboten hat, betrug € 108.480,--, die Nettoanbotssumme lag bei € 61.808,50. Für den Antrag auf Nachprüfung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung waren € 10.000,-- zu entrichten, was 16 % der tatsächlichen Nettoauftragssumme entspricht.
Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig keine Rechtfertigung dafür zu finden, dass für ein Kontrollverfahren betreffend einen Auftrag, der, würde er allein vergeben, im Unterschwellenbereich läge (so dass auch die Gebühr für ein Vergabekontrollverfahren im Unterschwellenbereich anfiele), allein deshalb eine doppelte Gebühr anfällt, weil der Auftrag im Rahmen eines Gesamtauftrags vergeben wird, der im Oberschwellenbereich liegt. Dies erscheint dem Verfassungsgerichtshof vorläufig als unsachlich, weshalb er die Einleitung eines Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens beschließt.
Dem Gesetzgeber kann an sich nicht entgegen getreten werden, wenn er mit Einführung einer Gebührenpflicht auch die Schaffung einer Verfahrensbarriere für vollkommen aussichtslose Rechtsschutzanträge bezweckt; dies kann jedoch nicht so weit führen, dass ganz allgemein gerade kleinere Unternehmen ein beachtliches Gebührenrisiko zu tragen haben.
Im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren wird auch zu beurteilen sein, ob eine Auslegung der im Spruch genannten Bestimmungen in der Weise möglich ist, dass in Fällen, in denen die Auftragssumme im Unterschwellenbereich liegt, aber wegen §13 BVergG 2002 das Verfahren im Oberschwellenbereich geführt wird, ohnehin nur die Gebühr für den Unterschwellenbereich anfällt."
Zu den Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes hätte die Verfassungswidrigkeit der eine Verordnung tragenden Gesetzesbestimmung zur Folge, dass die Verordnung ihrer notwendigen gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. zuletzt VfGH 15.10.2004, G36/04, V20/04 mwH). Zwar enthalten weder §177 noch der Anhang X des BVergG die Verordnungsermächtigung. Da aber die Verordnungsermächtigung des §191 Abs4 nur eine Anpassung der Sätze des Anhanges X erlaubt, wird die Verordnungsermächtigung bei Wegfall von Bestimmungen des Anhanges X des BVergG in diesem Umfang inhaltsleer."
8. Die Bundesregierung hat im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren mitgeteilt, dass sie von einer meritorischen Äußerung Abstand nimmt. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist von 6 Monaten, alternativ eine Frist bis zum Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 2006 zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogenen Wortfolgen anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, ist das Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Die Bundesregierung hat - wie erwähnt - von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen. Im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was die oben wiedergegebenen, im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken zerstreut hätte.
Im Prüfungsbeschluss hat der Verfassungsgerichtshof Überlegungen angestellt, ob die in Prüfung gezogenen Wortfolgen allenfalls dahingehend ausgelegt werden könnten, dass auch in Fällen, in denen die Auftragssumme im Unterschwellenbereich liegt, aber wegen §13 BVergG das Verfahren im Oberschwellenbereich geführt wird, ohnehin nur die Gebühr für den Unterschwellenbereich anfällt. Angesichts des Wortlautes des Gesetzes kommt aber letztlich eine derartige, sei es auch verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht. Dies verdeutlicht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. 28.7.2004, 2004/04/0101; ferner dazu G. Gruber, ZVB 2005, 120 [Glosse]).
Damit verstößt die in Prüfung gezogene Wortfolge im Anhang X des BVergG gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz (Art7 B-VG). Da gemäß §345 Abs1 Z3 BVergG 2006 mit 1. Februar 2006 das BVergG 2002 außer Kraft getreten ist und die Weitergeltung der als verfassungswidrig erkannten Vorschrift in Übergangsfällen ihren Geltungsgrund in den entsprechenden Übergangsbestimmungen hat, war auszusprechen, dass die in Prüfung stehende Wortfolge verfassungswidrig war.
3. Da nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 9535/1982) die Aufhebung jener Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig, die eine Verordnung trägt, zur Folge hat, dass die Verordnung der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt, war auch - angesichts §345 Abs11 BVergG 2006 - auszusprechen, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge in der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes gesetzwidrig war.
III. 1. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruches, dass die Wortfolge "Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des Anhanges X des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002, verfassungswidrig war, stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG, die Verpflichtung der Bundesregierung zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruches, dass "Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, gesetzwidrig war, stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
Vergabewesen, Rechtsschutz, Gebühr, Auslegung verfassungskonforme, KostenrisikoEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G91.2005Dokumentnummer
JFT_09939697_05G00091_00