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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchAbberufung eines emeritierten Universitätsprofessors von der Funktionals Mitglied des Universitätsrates der Medizinischen Universität Wienwegen schwerer Pflichtverletzung infolge einer öffentlichen Rede amGrab eines NS-Majors; kein Verstoß gegen dieMeinungsäußerungsfreiheit angesichts der in der Rede zum Ausdruckkommenden unkritischen Haltung zum NationalsozialismusRechtssatz
Der unbestimmte Gesetzesbegriff der "schweren Pflichtverletzung" iSd §21 Abs14 UniversitätsG ist, insbesondere im Zusammenhang mit den Bestimmungen des UniversitätsG über die Ziele, Leitenden Grundsätze und Aufgaben der Universität sowie über die Aufgaben des Universitätsrates, einer Auslegung zugänglich und damit - unter dem Gesichtspunkt des aus dem Art18 B-VG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Determinierungsgebotes - hinreichend bestimmt. Ebenso wenig ist bedenklich, dass die Abberufung eines Mitgliedes des Universitätsrates durch den zuständigen Bundesminister - also ein oberstes Organ der Vollziehung des Bundes iSd Art19 B-VG - entsprechende, mit qualifizierter Mehrheit zu beschließende Willenserklärungen des Senats und des Rektorats der betreffenden Universität voraussetzt (vgl VfSlg 17101/2004 S 54).
Kein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung.
Es kann "im Interesse ... des Schutzes ... der Rechte anderer" (vgl
Art10 Abs2 EMRK), hier der Universität als einer juristischen Person
des öffentlichen Rechts auch "in einer demokratischen Gesellschaft
... unentbehrlich" sein, gesetzlich vorzusehen, dass ein Mitglied des
Universitätsrates wegen einer Meinungsäußerung, die eine "schwere Pflichtverletzung" iSd §21 Abs14 UniversitätsG darstellt, von seiner Funktion abberufen werden kann. Daher keine Bedenken gegen §21 Abs14 leg cit.
Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie wegen der in der Rede des Beschwerdeführers am 12.11.06 am Grab von Walter Nowotny zum Ausdruck kommenden "unkritischen Haltung zum Nationalsozialismus" das Vorliegen einer schweren Pflichtverletzung iSd §21 Abs14 UniversitätsG annimmt (vgl dazu insb die ständige Rechtsprechung [zB E v 16.03.07, B1954/06], derzufolge "die kompromißlose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der [1945] wiedererstandenen Republik" ist).
Die bescheidmäßige Abberufung von einer Organfunktion an einer Universität, also einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, stellt weder eine Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen noch über eine strafrechtliche Anklage iSd Art6 EMRK dar.
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Bei Erlassung des bekämpften Bescheides lagen die gemäß §21 Abs14 UniversitätsG erforderlichen, mit entsprechender Mehrheit gefassten Beschlüsse sowohl des Senats als auch des Rektorats der Medizinischen Universität Wien vor, die sich für die Abberufung des Beschwerdeführers von seiner Funktion als Mitglied des Universitätsrates wegen schwerer Pflichtverletzung aussprachen.
Eine Verletzung der Vereins- oder Versammlungsfreiheit bzw des Eigentumsrechts kommt von vornherein nicht in Betracht; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und gegen Art7 EMRK ("nulla poena sine lege").
Schlagworte
Hochschulen Organisation, Determinierungsgebot, Rechtsbegriffeunbestimmte, Oberste Organe der Vollziehung,MeinungsäußerungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:B225.2007Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010