RS Vfgh 2008/6/16 G16/08

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Veröffentlicht am 16.06.2008
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §2 Abs2
StbG 1985 §12 Z3, §16 Abs1 Z2, §17 Abs1

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des Erfordernisses der rechtmäßigenNiederlassung gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im Falledes Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an ein mit einemAuslandsösterreicher im gemeinsamen Haushalt lebendes minderjährigesWahlkind; keine vereinzelten Härtefälle

Rechtssatz

Aufhebung der Wortfolge "und die Voraussetzungen nach §16 Abs1 Z2 vorliegen" in §12 Z3 StbG 1985 idF BGBl I 37/2006.

Zwar steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Verleihung der Staatsbürgerschaft (auch) als Ergebnis einer erfolgreichen Integration von Fremden in Österreich zu betrachten und als einen der hiefür maßgeblichen Indikatoren den längerfristigen, qualifizierten Aufenthalt im Bundesgebiet festzulegen. Harmonisierung mit anderen, mit dem Staatsbürgerschaftsrecht in Kontext stehenden Materien und Abstimmung der relevanten Tatbestandsvoraussetzungen aufeinander zulässig.

Gleichheitswidrigkeit durch Bindung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft in den Fällen des §12 Z3 StbG 1985 ausnahmslos an die Voraussetzung der Niederlassung iSd §2 Abs2 NAG; Ausschluss des Staatsbürgerschaftserwerbs dadurch für minderjährige Wahlkinder all jener Österreicher, die ihren Aufenthalt - etwa aus beruflichen Gründen - für längere Zeit oder ständig im Ausland haben. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum insofern dem Grundsatz der Familieneinheit - anders als bei minderjährigen Wahlkindern von Österreichern, die im Inland leben - bei minderjährigen Wahlkindern, die im Familienverband mit Auslandsösterreichern leben, nicht (mehr) Rechnung getragen werden sollte, zumal die (einheitliche) Staatszugehörigkeit von Eltern und ihren minderjährigen (Wahl-)Kindern gerade bei im Ausland lebenden österreichischen Familien für die Frage der aufenthaltsrechtlichen Grundlagen im Falle eines (gemeinsamen) Wohnsitzwechsels von besonderer Bedeutung ist.

Der Gesetzgeber hat es damit aber in verfassungswidriger Weise in Kauf genommen, im Wege der formalen Anknüpfung an aufenthaltsrechtliche Vorschriften pauschalierende, keiner Ausnahme zugängliche Regelungen betreffend den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch minderjährige Wahlkinder von längerfristig oder ständig im Ausland lebenden Österreichern zu schaffen.

Keine vereinzelten Härtefälle angesichts der beträchtlichen und aufgrund der zunehmenden beruflichen Mobilität stets im Steigen begriffenen Zahl an Auslandsösterreichern.

Regelung nicht unbedingt erforderlich, um missbräuchliche "Staatsbürgerschaftsadoptionen" hintanzuhalten.

Im Übrigen Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens, Beseitigung der genannten Wortfolge ausreichend; Untersagung einer Verleihung der Staatsbürgerschaft für die minderjährigen Wahlkinder von Auslandsösterreichern auch unter Berufung auf §17 Abs1 nicht zulässig.

Anlassfall: E v 25.06.08, B1098/07 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Staatsbürgerschaftsrecht, Aufenthaltsrecht, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G16.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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