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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art103 Abs2Leitsatz
Präjudizialität und Verordnungscharakter von Teilen der Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten sowie einer dazu in Form eines Schreibens ergangenen Verordnung des Kärntner Landeshauptmannes; Gesetzwidrigkeit mangels Kundmachung im Landesgesetzblatt; normativer Inhalt aufgrund Einschränkung des gesetzlichen Entscheidungsspielraums der Behörde durch Festlegung der Unzulässigkeit einer vom Gesetz nicht ausgeschlossenen Maßnahme bei der Bewilligung bestimmter Anlagen; Verordnungserlassung durch ein Mitglied der Landesregierung im eigenen Namen als im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung unzuständige BehördeRechtssatz
Präjudizialität und Verordnungscharakter von Teilen der Verordnung "Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94", sowie der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten, ergangen in Form eines Schreibens vom 23.06.96, Z8W-Allg-9/7/96, betreffend die Unzulässigkeit von Neubewilligungen für bestimmte Abwasseranlagen im geschlossenen Siedlungsgebiet.
Regelung nicht nur auf die Abwässerverbringung von Einzelobjekten gerichtet.
Wenn der sechste Absatz des Punktes I. der "Leitlinien" vorsieht, dass "in Einzelfällen eine Verbringung der Abwässer in den Untergrund nicht zu umgehen sein" werde, so liegt gleichwohl eine generell-abstrakte Norm vor, die nicht nur den Fall einzelner Objekte im Auge hat. Darin wird nämlich - auch mit Blick auf die systematische Stellung der Bestimmung unter Punkt I. "Allgemeines" - die Regel aufgestellt, dass der Einleitung von gereinigten Abwässern in Fließgewässer in allen Fällen der Vorzug zu geben ist und Ausnahmen davon nur zuzulassen sind, wenn dies aufgrund von Sachzwängen oder raumplanerischen Fehlern nicht zu umgehen ist.
Verordnungserlassung durch mit Hoheitsaufgaben betraute Verwaltungsorgane.
Eingang in die Rechtsordnung durch erforderliches Maß an Publizität (Verteilung ua an sämtliche Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden im Land Kärnten).
Normative Festlegungen trotz Vermeidung imperativer Formulierungen.
Durch die in Prüfung gezogenen Anordnungen - mögen sie auch im Gesetz Deckung finden - wird der Entscheidungsspielraum der Behörde bei der Behandlung eines auf §32 WRG 1959 gestützten Antrages insoweit erheblich eingeschränkt, als die "regelmäßige Unzulässigkeit" einer vom Gesetz her nicht ausgeschlossenen Maßnahme, nämlich von Abwasserreinigungsanlagen mit nachgeschalteter Versickerung oder Verrieselung in den Untergrund, verbindlich normiert wird. Indem die in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine von mehreren Abwasserbeseitigungsmöglichkeiten (die Einleitung von gereinigten Abwässern in Fließgewässer) bindend vorschreiben und Ausnahmen davon nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß zulassen, wird in Wahrheit insoweit eine "neue Gestaltung der Rechtslage" vorgenommen.
Es ist offenkundig, dass zwischen der Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines effizienten Grundwasserschutzes, wie er in den einschlägigen Bestimmungen des WRG 1959 (zB §32 WRG 1959) zum Ausdruck kommt, und dem in den in Prüfung gezogenen Vorschriften festgelegten "regelmäßigen Versickerungsverbot" ein normativer Unterschied liegt.
"Sickererlass" nicht nur "unverbindliche Handlungsanleitung für die Amtssachverständigen", sondern vielmehr auch Entscheidungsgrundlage für die Wasserrechtsbehörden.
Gesetzwidrigkeit des ersten Satzes im dritten Absatz und des sechsten Absatzes des Punktes I. sowie des dritten und siebten Absatzes des Punktes II. der Verordnung "Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94", sowie der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten, ergangen in Form eines Schreibens vom 23.06.96, Z8W-Allg-9/7/96, mangels Publikation.
Als Verordnungen wären die in Prüfung gezogenen Vorschriften, zufolge den Anordnungen des §2 Abs1 Z4 und Z5 des Krnt KundmachungsG, LGBl 25/1986, im Landesgesetzblatt kundzumachen gewesen.
Erlassung durch ein Mitglied der Landesregierung im eigenen Namen als unzuständige Behörde, soweit die "Leitlinien" Bewilligungsvoraussetzungen für eine nach §32 WRG 1959 bewilligungspflichtige Maßnahme normativ (näher) gestalten und damit eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung regeln (siehe §7 der Verordnung der Landesregierung vom 15.12.98, mit der die GeschäftsO der Krnt Landesregierung erlassen wird, LGBl 8/1999: Erlassung im Namen des Landeshauptmannes in Entsprechung des Art103 Abs2 erster Satz B-VG vorgesehen).
Anlassfall: E v 26.06.08, B2061/06, Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Kanalisation, Anschlusspflicht, Wasserrecht, Verordnung, Kundmachung, Verordnungserlassung, Behördenzuständigkeit, Landesregierung, Landeshauptmann, Bundesverwaltung mittelbare, Verordnungsbegriff, RechtsV, VerwaltungsV, Erlaß, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:V312.2008Zuletzt aktualisiert am
25.02.2013