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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG-Nov 1974 ArtVIILeitsatz
Abweisung eines Drittelantrags von Abgeordneten des burgenländischenLandtags auf Aufhebung des im Burgenländischen Grundverkehrsgesetz2007 festgelegten Ziels der "ökologischen Verträglichkeit"; keineKompetenzwidrigkeit der Regelung als nähere Umschreibung einerwesentlichen Voraussetzung für die Erhaltung, Stärkung oder Schaffungeines lebensfähigen Bauernstandes; kein Verstoß gegen dasLegalitätsprinzip, das Eigentumsrecht, dieLiegenschaftsverkehrsfreiheit und den Gleichheitssatz; Aufhebung desErfordernisses der "Multifunktionalität" als kompetenzwidrig;Multifunktionalität keine unerlässliche Voraussetzung für einenlebensfähigen BauernstandRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags von mehr als einem Drittel der Mitglieder des burgenländischen Landtages gem Art36 Abs1 Bgld L-VG 1981 auf Aufhebung der Wortfolge "ökologischer Verträglichkeit und Multifunktionalität" in §1 Abs1 Z1 sowie der Abs3 und Abs4 des §2 Bgld GVG 2007.
Keine Kompetenzwidrigkeit der Wortfolge "ökologischer Verträglichkeit" und des sie erklärenden §2 Abs3 Bgld GVG 2007.
Das Instrument der Verhinderung eines Rechtserwerbs steht dem Landesgesetzgeber nur "im Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes" offen (ArtVII B-VG Novelle 1974, BGBl 444). Soweit dies nicht in Frage kommt, reicht das allgemeine Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes aus.
Für eine intrasystematische Fortentwicklung des Inhaltes des Kompetenztatbestandes ist schon deshalb kein Raum, weil an der Land- und Forstwirtschaft seit jeher viele weitere öffentliche Interessen bestehen, solche also in der Zielrichtung der Kompetenz sich nicht neu entwickelt, sondern nur größere Bedeutung erlangt haben.
Aus der Beschränkung auf die Verfolgung bestimmter Zwecke folgt nicht, dass es dem Landesgesetzgeber verwehrt wäre, diese Zwecke näher zu umschreiben oder einzugrenzen. Die ökologische Verträglichkeit der beabsichtigten Verwendung von Grund und Boden für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft kommt als solche nähere Umschreibung einer wesentlichen Voraussetzung für die Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes in Betracht. Es ist nämlich offenkundig, dass ökologische Unverträglichkeit einer Nutzung die Grundlage einer lebensfähigen Land- oder Forstwirtschaft selbst gefährden und auf längere Sicht vernichten kann.
Der Begriff der ökologischen Verträglichkeit muss im strengen Sinn des Wortes als Voraussetzung der nachhaltigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit von Grund und Boden verstanden werden und darf nicht für allgemeine Interessen des Naturschutzes oder das Interesse von Konsumenten herangezogen werden. Soweit §2 Abs3 ein weiteres Verständnis ermöglichen würde, ist diese Beschränkung ein Gebot kompetenzkonformer Auslegung.
Das Grundverkehrsrecht ist nicht darauf beschränkt, nur verbotene Nutzungen hintanzuhalten. Es reicht hin, dass die geplante oder zu erwartende Nutzung wegen ökologischer Unverträglichkeit dem Ziel der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes widerspricht, damit die Versagung der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts im Rahmen der Kompetenz des Landesgesetzgebers bleibt.
Kein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip, das Eigentumsrecht, die Liegenschaftsverkehrsfreiheit und den Gleichheitssatz.
Teilziel der ökologischen Verträglichkeit nicht schwieriger zu bestimmen als "lebensfähiger Bauernstand" und zudem in §2 Abs3 Bgld GVG 2007 näher erläutert.
Keine Ungleichbehandlung von Erwerbern und Besitzern von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, weil der Erwerb nicht unter denselben Bedingungen möglich sein muss wie die Ausübung einmal erworbener Rechtspositionen; Erfordernis ökologischer Verträglichkeit nicht unverhältnismäßig und zwar auch dann nicht, wenn für die Anforderungen beim Erwerb kein Ausgleich gewährt wird; keine Schaffung zweier Klassen von land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzern. Auch sonst keine Unsachlichkeit der Regelung.
Aufhebung der Wortfolge "und Multifunktionalität" in §1 Abs1 Z1 sowie des §2 Abs4 Bgld GVG 2007 als kompetenzwidrig.
Dass eine geplante oder zu erwartende Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nicht multifunktional ist - also nicht insbesondere den Kriterien des §2 Abs4 Bgld GVG 2007 Rechnung trägt -, muss weder die Lebensfähigkeit des betreffenden Betriebes in Frage stellen noch der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes widersprechen. Die Multifunktionalität ist keine unerlässliche Voraussetzung für einen lebensfähigen Bauernstand. Die land- und forstwirtschaftliche Struktur der Umwelt bleibt auch durch eine nicht multifunktionale (ökologisch verträgliche) Nutzung bestehen.
Soll die Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes auch im Falle bloßer Multifunktionalität angenommen werden können, darf die Berücksichtigung der Multifunktionalität nicht als Ziel iSd §1 Abs1 Z1 formuliert werden, zu dem das Rechtsgeschäft nicht in Widerspruch geraten darf (§4 Abs2 Z1), um genehmigungsfähig zu sein. Welche Rolle die Multifunktionalität im Genehmigungsverfahren spielen soll, muss der Landesgesetzgeber dann in anderer Weise und an anderer Stelle - zB in §4 Abs2 - klarstellen.
Dass in §1 Abs1 Z1, der schon bisher sprachlich nicht geglückt ist, der nach Aufhebung verbleibende Text die zu berücksichtigenden Kriterien noch holpriger verbindet, tut seiner Verständlichkeit keinen Abbruch und schafft keinen untrennbaren Zusammenhang mit der ökologischen Verträglichkeit.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Kompetenz Bund - Länder Grundverkehr,Legalitätsprinzip, Liegenschaftserwerbsfreiheit, Auslegungverfassungskonforme, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:G187.2007Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010