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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über das Begehren des Antragstellers auf Räumung und Übergabe zweier Eigentumswohnungen auf einer in ein laufendes Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaft; keine Zuständigkeit der Agrarbehörden gemäß dem Tiroler Flurverfassungs- Landesgesetz 1996Spruch
Zur Entscheidung über das Begehren des Antragstellers, die Beklagten zur Räumung und Übergabe zweier Eigentumswohnungen auf der EZ 924 Grundbuch Weißenbach zu verpflichten, sind die ordentlichen Gerichte zuständig.
Der entgegenstehende Beschluss des Bezirksgerichtes Reutte vom 26. September 2005, 2 C1370/05 y, wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 2.340 €
bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der vorliegende Antrag begehrt die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz und dem Bezirksgericht Reutte. Der Einschreiter hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2005 bei der Agrarbehörde den Antrag gestellt, die beiden Antragsgegner zu verpflichten, zwei mit seinem bücherlichen Miteigentum verbundene Wohnungseigentumseinheiten in der KG Weißenbach von ihren Fahrnissen zu räumen und dem Antragsteller geräumt zu übergeben. Die Liegenschaft ist in ein laufendes Zusammenlegungsverfahren einbezogen. Gleichwohl hat die Agrarbehörde den Antrag mit Bescheid vom 14. September 2005 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Hierauf erhob der Einschreiter am 22. September 2005 Klage beim Bezirksgericht Reutte mit dem Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, die in Rede stehenden zwei Wohnungseinheiten von ihren Fahrnissen zu räumen und geräumt zu übergeben (und die Prozesskosten zu ersetzen). Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 26. September 2005 wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.
Antrag und Klage sind damit begründet, dass die Gegner die Wohnungseinheiten seit etlichen Jahren titellos benützten. Mitte der 70er Jahre seien die Schwäger einer Miteigentümerin der Liegenschaft wegen Wohnbedarfes in die Wohnung im Parterre sowie in die Garage eingelassen worden; sie hätten aber nie Zins gezahlt und es sei weder ein Mietvertrag noch eine sonstige Vereinbarung über Wohn- oder Nutzungsrechte geschlossen worden. Nunmehr behaupteten sie, an Wohnung und Garage gemeinsam "wohlerworbene Rechte" zu besitzen. In einer vor der Agrarbehörde abgeführten Verhandlung hat der Antragsteller das Räumungsbegehren (auch) auf die Zusage des Zweitantragsgegners gestützt, die Räumung vorzunehmen (der Erstantragsgegner ist, wie aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes hervorgeht, nach Deutschland verzogen).
II. Agrarbehörde und Gericht sind unterschiedlicher Auffassung über die Bedeutung des auf §34 Abs4 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 (FlVGG) zurückgehenden §72 Abs4 und 5 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1996 (TFLG); diese zufolge des anhängigen Zusammenlegungsverfahrens maßgebliche Vorschrift lautet im Zusammenhang:
"§72
Zuständigkeit der Agrarbehörde im Zuge eines Verfahrens
(1) - (3)...
(4) Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich von der Einleitung bis zum Abschluß eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs7 nichts anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören.
(5) Diese Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich insbesondere auf:
a) Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken;
b) Streitigkeiten über den Grenzverlauf der in lita angeführten Grundstücke einschließlich der Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücken;
c) Streitigkeiten über Gegenleistungen für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
(6) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind von der Agrarbehörde die Normen, die sonst für diese Angelegenheiten gelten (z.B. die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, des Wasser- und Forstrechtes), anzuwenden.
..."
Die Agrarbehörde argumentiert damit, dass ihr
"nach den geltenden rechtlichen Grundlagen im TFLG 1996 für ein Zusammenlegungsverfahren rechtens jegliche Kompetenz und jede Möglichkeit fehlt, an der Eigentumssituation wie auch an den Nutzungsverhältnissen an einem Privathaus, an Eigentumswohnungen in einem solchen Haus, also auf einer in Anspruch genommenen Liegenschaft, wie dies hier zutrifft, irgendwelche Änderung herbeizuführen. Auch im Besitzstand und Bewertungsverfahren wurden und konnten durch die Agrarbehörde bezüglich der tatsächlichen oder rechtlichen Nutzungsverhältnisse in den Wohnungen einer in Anspruch genommenen Liegenschaft, wie es der Gutsbestand der hier in Rede stehenden EZ 924 GB Weißenbach als reines Privathaus nun ist, keinerlei Feststellungen, Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden. Dies wäre nie Inhalt und Aufgabe eines Z-Verfahrens. Die Nutzung und Verwendung einer in Anspruch genommenen Liegenschaft, von in Anspruch genommenen Grundstücken, von einem Privathaus, d.h. hier konkret von Wohnungen ist für das Z-Verfahren aus rechtlicher Sicht irrelevant. In diesem Bereich, konkret in den Nutzungs- und Bewohnungsverhältnissen einer Wohnung und Garage fehlte der Agrarbehörde vom gesetzlichen Standpunkt jedes (bodenreformatorische) Dnderungs- d.h. Gestaltungsrecht im Zuge eines Z-Verfahrens. Wie schon im bisher durchgeführten Z-Verfahren Weißenbach, so auch in den noch folgenden späteren Verfahrensstufen, insbesondere im abschließenden Z-Plan darf die Agrarbehörde bezüglich einer lediglich in Anspruch genommenen Liegenschaft, auf der Basis der gesetzlichen Grundlagen für das Zusammenlegungsverfahren, als ein Verfahren zur Agrarstrukturverbesserung, bezüglich solcher Nutzungsverhältnisse in den Eigentumswohnungen keinerlei Änderung herbei führen. Eine Eigentums- oder Besitzstreitigkeit liegt hier selbst nach dem Antragsvorbringen nicht vor (dazu gibt es nach dem Vorbringen und in den Augen des Antragstellers auch keinen Zweifel), ganz abgesehen davon, dass auch jede rechtliche und tatsächliche Relevanz der Wohnungs- und Garagennutzung für die Durchführung des Z-Verfahrens fehlt. Über ein Räumungsbegehren hat daher im festgestellten Konntex nicht die Agrarbehörde zu entscheiden."
Demgegenüber hält das Gericht §74 Abs5 TFLG für
"eine Sondervorschrift, die nach dem Motivenbericht eine Erweiterung der Zuständigkeit über die Bestimmung des vorherigen Absatzes hinaus beinhaltet, sodass jeder Streit über Eigentum und Besitz vor die Agrarbehörden gehört, sofern die betroffenen Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind.
Die Zuständigkeit der Agrarbehörde für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz in Bezug auf das eingeleitete Zusammenlegungsverfahren ist umfassend, die durch die sich aus §72 Abs4 TFLG 1996 scheinbar ergebenden Ausnahmen (z.B. ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht) nicht eingeschränkt wird. Wären die Beschränkungen des §72 Abs4 TFLG 1996 auch für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz maßgebend, so würde - entgegen dem Motivenbericht zur Vorgängerbestimmung des §89 Abs3 FLG. Tirol <1952> - §72 Abs5 TFLG 1996 im wesentlichen keine Erweiterung der Zuständigkeit, sondern nur eine demonstrative Aufzählung von Beispielen bedeuten. Die Absicht des Gesetzgebers auf Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens müsste zunichte werden, wenn in jedem Falle erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht, weil die Zuständigkeit je nach dem Ergebnis der keineswegs immer leichten Unterscheidung verschieden wäre. Der Vorteil einer Konzentration der Zuständigkeit ginge aber verloren, wenn infolge Teilung der Zuständigkeit neue Möglichkeiten eines bisher nicht bestandenen Zuständigkeitsstreites geschaffen würden. Hiezu kommt noch, dass dann die Gerichte kaum in der Lage wären, verlässlich zu beurteilen, ob die Lösung eines bestimmten Rechtsstreites eine Voraussetzung für die Durchführung der Zusammenlegung bildet und demnach der Agrarbehörde |berlassen werden muss oder nicht"
und verweist unter anderem auf Entscheidungen des OGH (SZ 59/212) und des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 15.352/1998 und 15.604/1999).
Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstattete die Agrarbehörde unter Aktenvorlage eine Äußerung, in der sie unter anderem Folgendes ausführt:
"Im Kern geht es nach den Antragsvorstellungen um die
Klärung von Nutzungen bzw. Nutzungsfragen an den Wohnungen auf der
hier im Z-Verfahren Weißenbach als in Anspruch genommen geltenden und
in das Z-Verfahren Weißenbach einbezogenen Liegenschaft ... Der
Antragsteller hat dazu (replizierend auf die Ausführungen der
Antragsgegner ...) in der mündlichen Verhandlung ... in Darlegung und
Verdeutlichung seines Antrages und seiner Ausführungen im Schriftsatz
... auf familienrechtliche, gesellschaftsrechtliche bzw.
mietrechtliche Gegebenheiten und Fragen Bezug genommen. So wurde unter anderem die Wohnnutzung der Antragsgegner als 'im Rahmen des familiären Beistandes', 'ohne einen speziellen Rechtstitel etwa im Rahmen eines Mietvertrages oder eines sonstigen Rechtes' bezeichnet. Für die Nutzung der Liegenschaft ... (nicht von Wohnungen) wurden privatrechtliche Regelungen, Absprachen im Rahmen bzw. auf der Grundlage einer 'Gesellschaft' bzw. 'durch das gemeinsame Unternehmen des Hans und Robert ...' angesprochen.
(Es könne) 'nicht davon ausgegangen werden, dass es hier um Fragen des Eigentums und des Besitzes oder sonstiger dinglicher Rechte an der Liegenschaft ... gehen würde. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass es dem Antragsteller darum ging, bei der Agrarbehörde eine Entscheidung über obligatorische Nutzungs- und Rechtsverhältnisse an Wohn- und Garagenräumlichkeiten im Mehrfamilienwohnobjekt auf der Liegenschaft ..., anknüpfend an Familienbeziehungen, an gesellschaftsrechtliche Regelungen oder aus mietrechtlichen Gesichtspunkten oder aus sonstigen obligatorischen Vereinbarungen heraus, gegenüber nicht am Zusammenlegungsverfahren beteiligte Dritte, gegen die beiden Antragsgegner zu erwirken",
und ihre Ansicht wie folgt zusammenfasst:
"Die Liegenschaft ... stellt ein Privatwohnobjekt mit mehreren Wohnungen mit ortsüblichem Hausumstand dar; die Liegenschaft hat mit der Landwirtschaft, mit landwirtschaftlicher Bewirtschaftung nichts zu tun. Diese Liegenschaft könnte als bebaute, als in Anspruch genommene Liegenschaft rechtens ohnehin nur für eine geringfügige Grenzänderung oder zB für die Verbreiterung eines GA-Weges in Anspruch genommen werden (§2 Abs2 litb TFLG 1996). Weitere Änderungen an Liegenschaften dieser Art sind rechtens im Z-Verfahren nicht möglich. Diese Liegenschaft ist wieder den Alteigentümern zuzuteilen."
Dem Bezirksgericht dürfte dagegen ihrer Meinung nach ein wesentlich verkürztes Vorbringen der Klage zugrunde gelegen sein.
Das Bezirksgericht begnügte sich mit der Vorlage des Aktes und dem Hinweis auf VfSlg. 15.604/1999.
III. Der Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonflikts ist zulässig.
Nach Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Es ist offenkundig, dass in derselben Sache ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit abgelehnt haben, diese Ablehnung aber in einem Fall zu Unrecht erfolgt ist (verneinender Kompetenzkonflikt, §46 VfGG, vgl. VfSlg. 13.409/1993 und 14.553/1996).
Für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist nicht erforderlich, dass die Prozessparteien in den zugrunde liegenden Verfahren den Instanzenzug ausgeschöpft haben (vgl. VfSlg. 15.352/1998).
IV. Ein Fall des §72 Abs5 TFLG liegt nicht vor. Gemäß §1 JN ist daher das Bezirksgericht Reutte zur Entscheidung über das Begehren des Einschreiters zuständig.
1. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass es sich bei dem auf Eigentum oder Vertrag gestützten Räumungsbegehren des Einschreiters um eine bürgerliche Rechtssache nach §1 JN handelt. Gleichwohl wäre im laufenden Zusammenlegungsverfahren die Agrarbehörde zuständig, wenn ein Fall des §72 Abs5 TFLG vorläge; in Betracht kommt lita: Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird durch diese Bestimmung die Zuständigkeit für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaften ohne Einschränkung durch den in §72 Abs4 TFLG genannten Zweck den Agrarbehörden übertragen (VfSlg. 3798/1960, 5747/1968, 7800/1976 und 15.352/1998 sowie 15.604/1999). Diese Auffassung teilt auch der Oberste Gerichtshof (SZ 49/128 Teilungsklage und SZ 59/212 Tennenbenützung). Mit dem Hinweis auf die fehlende Dispositionsbefugnis der Agrarbehörde über das in Rede stehende Wohnhaus im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens kann diese daher ihre Zuständigkeit nicht ablehnen. Es reicht aus, dass die Liegenschaft ins Zusammenlegungsverfahren einbezogen ist.
2. Die Agrarbehörde verneint ihre Zuständigkeit im vorliegenden Fall auch nicht bloß deshalb, weil es sich nicht um ein tatsächliches oder rechtliches Verhältnis handle, das zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müsse. Sie ist vielmehr der Meinung, es handle sich gar nicht um eine Streitigkeit über Eigentum und Besitz an einer solchen Liegenschaft. In der Tat sind sowohl Eigentum wie (Sach-)Besitz an der Liegenschaft selbst in den anhängig gemachten Verfahren unstrittig geblieben. Der Einschreiter macht vielmehr sein Recht (auf Räumung der Liegenschaft) aus dem Eigentum an den Wohnungen geltend, auf deren Benützung die Gegner ein (nicht näher bezeichnetes) Recht zu haben behaupten.
Ihrem Wortlaut nach würde die in Rede stehende Zuständigkeitsbestimmung des Agrarrechts nur Eigentumsstreitigkeiten oder Streitigkeiten über den Sachbesitz an Liegenschaften erfassen. Nun hat allerdings die Rechtsprechung sämtlicher Höchstgerichte den Begriff der Streitigkeit über Eigentum und Besitz sehr weit verstanden. Nicht nur für Besitzstörungsverfahren (VfSlg. 5747/1968), sondern auch für die Untersagung der Bauführung auf dem einem Anderen vorläufig zugewiesenen Grundstück (VfSlg. 7984/1977), für Verfahren über eine Benützungsregelung unter Miteigentümern (VfSlg. 15.352/1998 und 15.353/1998) oder für Streitigkeiten zwischen den Eigentümern benachbarter Liegenschaften über die Benützung des Grenzstreifens (VfSlg. 15.604/1999, anscheinend die hier in Rede stehende Zusammenlegung betreffend) hat der Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit der Agrarbehörde festgestellt. Abgesehen von Streitigkeiten über die Gegenleistung für Nutzungen an einbezogenen Grundstücken (die in §72 Abs5 litc ausdrücklich genannt sind, vgl. VfSlg. 3798/1960) hat er jedoch Streitigkeiten über obligatorische Rechte wie über das Zustandekommen eines Kaufvertrages über ein in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenes Grundstück und die Ausstellung einer verbücherungsfähigen Urkunde nicht unter §72 TFLG subsumiert (VfSlg. 7800/1976).
Ähnlich hat der OGH die Zuständigkeit der Agrarbehörde angenommen für eine Aufhebungsklage (Teilungsklage) von Miteigentümern (SZ 49/128), für einen Streit um die Abgrenzung der Befugnisse zweier Liegenschaftsnachbarn in Bezug auf ein gemeinschaftliches Tennengebäude (SZ 59/212 = JBl 1987, 239) oder ein Wegerecht (Evidenzblatt 1988/74, 6 Ob 190/98d und 4 Ob 158/02t) und um die Wirksamkeit eines der agrarbehördlichen Genehmigung unterliegenden Rechtsgeschäfts über die Veränderung der Eigentumsverhältnisse (7 Ob 558/92 ua.), hingegen für Streitigkeiten wegen Schadenersatzes für verursachte Hangrutschungen (4 Ob 11/01y) jene der Gerichte.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ausdrücklich angeschlossen (Z83/07/0223 vom 24. Jänner 1984 Besitzstörung durch Befahren des Abfertigungsgrundstücks mit Traktoren, mwN).
In allen die Zuständigkeit der Agrarbehörde bejahenden Fällen ist es aber - abgesehen von hier nicht weiter zu erörternden Besitzstörungsverfahren - um das Verhältnis mehrerer oder benachbarter Eigentümer von ins Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaften zueinander, insbesondere um die Abgrenzung der Befugnisse der Eigentümer gegeneinander (mit Einschluss behaupteter Grunddienstbarkeiten) oder die Änderung der Eigentumsverhältnisse gegangen. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich nicht ableiten, dass schlechthin alle Streitigkeiten aus dem Eigentum, also über Ansprüche, die sich (auch) auf das Eigentumsrecht stützen - etwa zur Abwehr von Störungen jeglicher Art oder wegen Räumung nach Ende einer Benützungserlaubnis - solche über Eigentum wären. Es wäre nicht einzusehen, warum ein gegen Dritte gerichtetes Verbot, ein Haus zu betreten oder die Aufforderung an einen Gast, das Haus zu verlassen und die eingebrachten Sachen zu entfernen, vor die Agrarbehörde gebracht werden müsste. Der in ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs unterstellte Gesetzeszweck, die Prüfung zu erübrigen, ob der Streit in tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht, schlägt zwar insoweit durch, als es sich um Streitigkeiten über das Eigentum oder den Sachbesitz handelt oder die Angelegenheit einem solchen Streit aus besonderen Gründen gleichzuhalten ist, verliert seine Kraft aber dann, wenn der geltend gemachte Anspruch seiner Art nach damit offenkundig nichts zu tun hat (vgl. in diese Richtung - noch weitergehend - auch Lang, Tiroler Agrarrecht I 1989, 103 ff, 108 ff).
3. Ein solcher Fall liegt hier vor: Weder sind Eigentum noch Sachbesitz strittig, es geht auch nicht um die Abgrenzung der Eigentumsrechte oder Besitzverhältnisse zwischen Miteigentümern oder Eigentümern benachbarter Liegenschaften oder wegen zwischen diesen als bestehend behaupteten Grunddienstbarkeiten, sondern um die Geltendmachung des Eigentums oder eines Rückstellungsanspruchs aus einem obligatorischen Verhältnis gegen dritte Benützer, deren persönliches Recht - welcher Art immer - für beendet erachtet wird. In einem solchen Streit geht es nicht um Eigentum oder Besitz am Grundstück und er ist einem solchen unter dem Blickwinkel des §72 Abs5 TFLG auch nicht gleichzuhalten.
Da die herangezogene Ausnahmebestimmung nicht greift, bleibt die Angelegenheit nach §1 JN in der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
Der dieser Feststellung entgegenstehende Beschluss des Bezirksgerichts Reutte vom 26. September 2005 ist daher aufzuheben (§51 VfGG).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §52 erster Satz VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 360 € sowie eine Eingabengebühr nach §17a VfGG in der Höhe von 180 € enthalten.
Das Mehrbegehren war abzuweisen: Der begehrte Streitgenossenzuschlag war nicht zuzuerkennen, weil weder die im Antrag angeführten zwei "beteiligten Behörden" (Bezirksgericht Reutte, Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde) noch die beiden gegnerischen Beteiligten (§15 RATG) als Streitgenossen des Einschreiters anzusehen sind (vgl. VfSlg. 14.176/1995). Dieser war allerdings gemäß §17a VfGG verpflichtet, Eingabengebühr nur in der Höhe von 180 € zu entrichten.
Dies kann ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Bodenreform, Flurverfassung, Agrarbehörden, Agrarverfahren, Behördenzuständigkeit, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:KI4.2005Dokumentnummer
JFT_09939694_05K00I04_00