RS Vwgh 2004/7/8 2004/07/0032

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 08.07.2004
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §75 Abs3;
AWG 2002 §76;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art18;
VwRallg;

Rechtssatz

§ 75 Abs. 3 AWG 2002 verwendet hinsichtlich der Vorschreibung von Kosten das Wort "können". Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts bedeutet eine "Kann"-Bestimmung nicht zwingend Ermessen. Ob eine "Kann"-Bestimmung der Behörde Ermessen einräumt, ist im Auslegungsweg zu ermitteln. Gegen die Einräumung von Ermessen im § 75 Abs. 3 AWG 2002 spricht, dass nicht ersichtlich ist, nach welchen Kriterien die Behörde ihr Ermessen ausüben sollte. Wie sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 130 Abs. 2 B-VG ergibt, muss dem Gesetz der Sinn, in dem das Ermessen zu handhaben ist, entnehmbar sein. Wenn der Gesetzgeber auch von Verfassungs wegen nicht dazu verhalten ist, das behördliche Handeln bis ins Letzte zu regeln, muss er doch der Behörde Verhaltensrichtlinien an die Hand geben. Das Gesetz muss das verwaltungsbehördliche Handeln in einem solchen Maß determinieren, dass der VwGH und der VfGH in der Lage sind, die Übereinstimmung der verwaltungsbehördlichen Rechtsakte mit dem Gesetz zu überprüfen (Hinweis E VfGH VfSlg. 8209/1977; VfSlg. 8792/1980). Bei einer Deutung des § 75 Abs. 3 AWG 2002 als Ermessensbestimmung müsste diese daher wegen mangelnder inhaltlicher Determinierung als verfassungswidrig erscheinen. Es bietet sich demgegenüber eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend an, dass mit § 75 Abs. 3 AWG 2002 der Behörde nicht Ermessen eingeräumt, sondern nur die Befugnis zur Vorschreibung von Kosten an die Hand gegeben werden sollte. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass ohne diese Bestimmung die allgemeinen Kostentragungsbestimmungen des § 76 AVG zum Tragen kämen. § 75 Abs. 3 AWG 2002 sollte offenbar ein von den Regeln des § 76 AVG unabhängiges Kostentragungsregime schaffen. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG 2002, 984 Blg. XXI GP, sprechen davon, dass im Sinne der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit der Kontrolle, einschließlich der Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl der Verfahren und der raschen Abwicklung Überprüfungskosten vorgeschrieben werden können. Auch dies deutet nicht auf ein Ermessen, sondern auf eine Ermächtigung zur Kostenvorschreibung hin.

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Ermessen Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004070032.X03

Im RIS seit

04.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten