TE Vfgh Erkenntnis 2006/3/7 B266/04

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Veröffentlicht am 07.03.2006
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97 Öffentliches Auftragswesen
97/01 Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Wasserverband Ossiacher See schrieb Bauarbeiten für die Kanalisationserweiterung in Feldkirchen im Wege des offenen Verfahrens aus. Der geschätzte Auftragswert lag mit € 505.000,-- im Unterschwellenbereich. Die Beschwerdeführerin behob die Ausschreibungsunterlagen in der Absicht, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen.

Da nach Auffassung der Beschwerdeführerin einige Vertragsbestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprachen und die Angebotsfrist zu kurz bemessen war, stellte sie mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2003 einen (ordnungsgemäß vergebührten) Nachprüfungsantrag auf Nichtigerklärung bestimmter Festlegungen des Auftraggebers in den Ausschreibungsunterlagen und bezifferte ihren Nichterfüllungsschaden mit zumindest ca. € 15.000,--. Der Auftraggeber widerrief die Ausschreibung am 14. Oktober 2003.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin gemäß §175 Abs1 Bundesvergabegesetz, BGBl. I Nr. 99/2002 (im Folgenden: BVergG), einen Antrag auf Feststellung, dass hinsichtlich der im Nachprüfungsantrag angefochtenen Auftraggeberentscheidungen ein Rechtsverstoß vorliegt.

Das Bundesvergabeamt (im Folgenden: BVA), das in der Folge den Nachprüfungsantrag auf Grund des Widerrufes der Ausschreibung durch den Auftraggeber zurückwies und dem Feststellungsantrag vollinhaltlich stattgab, forderte die Beschwerdeführerin zunächst auf, die (auch) für den Feststellungsantrag fällige Pauschalgebühr in Höhe von € 2.500,-- zu bezahlen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid erlegte das BVA schließlich der Beschwerdeführerin, die der Aufforderung keine Folge geleistet hatte, die Pauschalgebühr in Höhe von € 2.500,-- auf und forderte zur Überweisung des Betrages binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution auf. Das BVA begründete den Bescheid damit, dass für einen Antrag nach §175 Abs1 BVergG eine Pauschalgebühr gemäß §177 Abs1 und 2 iVm Anhang X BVergG sowie der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002 (im Folgenden: PauschalgebührenV), zu entrichten sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Gleichheitssatzes, des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung und eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin regt an, hinsichtlich der PauschalgebührenV sowie des §177 Abs1, 2, 3 und 5 und des Anhanges X BVergG ein Normenkontrollverfahren einzuleiten.

4. Das BVA legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof beschloss aus Anlass der vorliegenden Beschwerde, gemäß Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §177 Abs1 sowie der Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" in der fünftletzten Zeile des Anhanges X des BVergG sowie zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der gleichlautenden Wortfolge in der vorletzten Zeile des §1 der PauschalgebührenV einzuleiten.

2. Mit Erkenntnis vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, wurde ausgesprochen, dass die Wortfolge "und 175 Abs1" in §177 Abs1 sowie die Wortfolge "Bauaufträge ... 2 500 €" in der fünftletzten Zeile des Anhanges X verfassungswidrig und die gleichlautende Wortfolge in der fünftletzten Zeile des §1 der PauschalgebührenV gesetzwidrig waren. Die belangte Behörde hatte diese Bestimmungen bei Bescheiderlassung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung der Bestimmungen für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Diese wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes bzw. einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B266.2004

Dokumentnummer

JFT_09939693_04B00266_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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