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97 Öffentliches AuftragswesenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. schrieb im Wege des offenen Verfahrens die "Generalsanierung Schwackhöfer Haus" aus. Im Rahmen dieser Generalsanierung wurden auch Fliesenlegerarbeiten ausgeschrieben. Der geschätzte Auftragswert des gesamten Vorhabens betrug € 15,587.910,--, der geschätzte Auftragswert der Fliesenlegerarbeiten € 108.480,--.
Nachdem der Beschwerdeführerin von der Auftraggeberin mitgeteilt worden war, dass ihr Angebot ausgeschieden werden musste und beabsichtigt sei, den Zuschlag einer Mitbieterin zu erteilen, beantragte die Beschwerdeführerin die Nichtigerklärung der bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidung. Das Bundesvergabeamt (im Folgenden: BVA) erteilte daraufhin der in diesem Zeitpunkt noch unvertretenen Beschwerdeführerin einen umfangreichen Verbesserungsauftrag, mit dem u. a. allgemein auf die Notwendigkeit der Vergebührung des Nachprüfungsantrages und des fehlenden Nachweises einer solchen sowie darauf hingewiesen wurde, dass die Gebühr im Unterschwellenbereich @ 2.500,-- und im Oberschwellenbereich € 5.000,-- betrage. In der Folge brachte die Beschwerdeführerin einen verbesserten Schriftsatz ein und entrichtete die Pauschalgebühr in Höhe von € 2.500,-- mit der Bemerkung, dass es sich "um ein Nachprüfungsverfahren im Unterschwellenbereich handelt". Eine Pauschalgebühr in gleicher Höhe leistete die Beschwerdeführerin ferner für die ebenfalls beantragte Erlassung einer einstweiligen Verfügung, welche bewilligt wurde.
Im Hinblick auf die Äußerung der Auftraggeberin, dass von einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich auszugehen und daher die Vergebührung unzureichend war, bezog sich die Beschwerdeführerin in ihrer Replik auf ein Telefongespräch mit dem BVA kurz nach Erhalt des Verbesserungsauftrages, in dem ihr angeblich mitgeteilt worden sei, dass € 2.500,-- an Gebühren für den Nachprüfungsantrag und für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entrichten seien. Weiters betonte die Beschwerdeführerin ihren Willen, dem Verbesserungsauftrag nachzukommen, obgleich sie einstweilen weiterhin von einem Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich ausgehe, da mit ihrem Nachprüfungsantrag lediglich eine andere Zuschlagsentscheidung hinsichtlich der Fliesenlegerarbeiten beabsichtigt sei. Sie habe jedenfalls eine Gesamtgebühr von € 5.000,-- - wenn auch mit abweichender Zweckwidmung - entrichtet, so dass eine Konversion dieses Betrages in dem Sinne, dass die Gebühr für den Nachprüfungsantrag zur Gänze entrichtet wurde, zu beachten und daher der Nachprüfungsantrag nicht zurückzuweisen sei. Für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei ein neuer Verbesserungsauftrag zu erteilen.
2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 6. Oktober 2003 wurde der Nichtigerklärungsantrag gemäß §166 Abs2 Z5 BVergG 2002, BGBl. I Nr. 99/2002 (im Folgenden: BVergG), zurückgewiesen und mit Spruchpunkt II. der Beschwerdeführerin aufgetragen, den ausständigen Teil der Pauschalgebühr, insgesamt € 5.000,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu entrichten. Begründet wurde dies damit, dass Nachprüfungs- und Feststellungsanträge sowie Anträge auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen abhängig vom durchgeführten Verfahren zu vergebühren seien. Auch für Lose richte sich die Gebühr nach dem für die Vergabe des betreffenden Loses durchgeführten Verfahren. Das vorliegende Vergabeverfahren sei in mehrere Lose unterteilt, wovon eines Fliesenlegerarbeiten darstelle, und habe ein Gesamtvolumen von € 15,587.910,--, sodass im vorliegenden Fall - nach Maßgabe der in §9 Abs1 Z3 BVergG bei Bauaufträgen genannten Betragshöhe von € 5 Mio. - die Voraussetzungen des Oberschwellenbereichs gegeben seien. Gemäß §177 Abs1 und 2 iVm Anhang X BVergG 2002 wären daher von der Beschwerdeführerin bei Antragstellung € 5.000,-- für den Nachprüfungsantrag zu entrichten gewesen. Da der Antrag trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde, sei der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen gewesen. Die noch offenen € 2.500,-- für den Nachprüfungsantrag sowie die noch offenen € 2.500,-- für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurden der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt II. vorgeschrieben.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Gleichheitssatzes, von Art5 StGG, Art83 Abs2 B-VG sowie Art6 EMRK und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird. Ferner wird die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.
4. Das BVA erstattete als belangte Behörde eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof beschloss aus Anlass der
vorliegenden Beschwerde, gemäß Art140 Abs1 und 139 Abs1 B-VG von Amts
wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge
"Bauaufträge ... 5 000 €" in der vorletzten Zeile des Anhanges X des
BVergG sowie zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der gleichlautenden Wortfolge in der vorletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes einzuleiten. Mit dem am 3. März 2006 gefällten Erkenntnis G91/05, V69/05 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die beiden Wortfolgen verfassungs- bzw. gesetzwidrig waren.
2. Die Beschwerde ist begründet.
Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung bzw. eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung sowie einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B1417.2003Dokumentnummer
JFT_09939693_03B01417_2_00