RS Vfgh 2008/9/25 G162/07 ua

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Veröffentlicht am 25.09.2008
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Index

34 Monopole
34/01 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
GlücksspielG §25 Abs3
ABGB §1311, §1489
ZPO §273 Abs1

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der sechsmonatigen Frist für die gerichtlicheGeltendmachung der Haftung von Spielbanken im Glücksspielgesetz;keine sachliche Rechtfertigung der Benachteiligung spielsüchtigerPersonen bei der Geltendmachung existenzgefährdender Verlustegegenüber Geschädigten mit einem der allgemeinen Verjährungsfrist desABGB unterliegenden Ersatzanspruch

Rechtssatz

Aufhebung des §25 Abs3 7. Satz GlücksspielG idF BGBl I 105/2005.

Keine übermäßige Belastung der Spielbanken durch Wegfall der kürzeren Sechsmonatsfrist angesichts der Vernetzung von Spielbanken und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten einer modernen elektronischen Datenverarbeitung, keine Ausdehnung der aus der Haftungsregelung resultierenden, inhaltlich (über die Aufzeichnungspflichten gem §25 Abs1 GlücksspielG) weitergehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsverpflichtungen, beschränkt auf Spieler, deren Spielverhalten wegen der Häufigkeit und Intensität der Spielteilnahme die Annahme der Gefährdung des Existenzminimums begründet.

§25 Abs3 GlücksspielG stellt ein Schutzgesetz iSv §1311 ABGB zugunsten der Spielteilnehmer dar, sodass eine Beweislastumkehr zulasten der Spielbankbetreiber besteht. Widerlegung einer vorgeworfenen rechtswidrigen und schuldhaften Vernachlässigung von Schutzpflichten unproblematisch aufgrund der vorhandenen Aufzeichnungen.

Bereinigt um ihren siebenten Satz enthielte die Bestimmung keine Regelung über die Frist zur Geltendmachung des Schadens, es gelangte mithin §1489 ABGB zur Anwendbarkeit, ohne dass §25 Abs3 GlücksspielG ungeachtet seines im Übrigen relativ zwingenden Charakters einer vertraglichen Verkürzung entgegen stünde.

Die Gerichte legen zwar wegen der meist nicht vollständigen Dokumentation von Gewinnen und Verlusten die Angaben des Spielers einer sachverständigen Wahrscheinlichkeitsrechnung zugrunde, um unter Anwendung des §273 Abs1 ZPO den Gesamtverlust eines Spielers in einem Zeitraum bestimmen zu können. Eine Bestimmung des Schadens nach §273 Abs1 ZPO findet allerdings auch in anderen Schadenersatzprozessen statt. Allein die Häufigkeit der Bestimmung des Schadens nach freiem richterlichen Ermessen rechtfertigt die deutliche Verkürzung der Frist nicht.

Beschränkung der Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits; kein risikoloses Spiel angesichts der Beschränkung des Anspruchs des Spielers aufs Existenzminimum auch im Fall von erheblichen Verlusten.

Unsachlichkeit der sechsmonatigen Frist auch durch den normierten Beginn des Fristenlaufes ab dem "jeweiligen Verlust"; Erschwerung der Geltendmachung des Ersatzanspruchs bei einer sich über mehr als sechs Monate hinziehenden Schutzpflichtverletzung der Spielbank. Ein Schaden in existenzbedrohendem Ausmaß wird einem Spieler typischerweise nicht bereits im Zeitpunkt der Realisierung eines verlorenen Spieles bewusst sein, zumal §25 Abs3 GlücksspielG eine Garantenstellung des Spielbankbetreibers gerade in Bezug auf pathologische Spieler begründet.

Keine Rechtfertigung der Regelung mit dem gesetzgeberischen Ziel einer raschen Klärung der Sach- und Rechtslage angesichts der Verpflichtung zur Aufbewahrung der Aufzeichnungen für fünf Jahre;. keine Beweisschwierigkeiten daher auch im Fall der Geltung (bloß) des §1489 ABGB.

Ausspruch, dass die aufgehobene Gesetzesstelle auf die am 25.09.08 bei Gericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist; größere Anzahl gleich gelagerter Verfahren bei Gericht anhängig.

Mit dieser Verfügung erübrigt sich eine Erledigung der Anträge des OLG Innsbruck zu G109/08 und des OGH zu G122/08. Einbeziehung dieser Anträge in das Gesetzesprüfungsverfahren nicht möglich; Einlangen erst nach der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungstexte

  • G 162/07 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 25.09.2008 G 162/07 ua

Schlagworte

Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Zivilrecht, Verjährung,Schadenersatz, Beweise, Beweislast, VfGH / Anlassverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G162.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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