RS Vfgh 2008/9/29 B2355/07

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

StGG Art12 / Versammlungsrecht
EMRK Art11
Stmk LStVG 1964 §54, §56
VStG §21

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit durch Erteilung einerErmahnung wegen konsensloser Benützung einer Straße im Rahmen einerordnungsgemäß angezeigten und nicht untersagten Kundgebung gegenPelzhandel und -bekleidung vor einem Bekleidungsgeschäft in Graz;Verkennung der entscheidungswesentlichen Frage der Rechtswidrigkeitder konsenslosen Straßenbenützung angesichts der vom UVS angenommenenVerpflichtung der Straßenverwaltung zur Erteilung der Zustimmung zurBenützung der Straße

Rechtssatz

Auch die Erteilung einer Ermahnung bewirkt einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, da ein Bescheid nach §21 VStG einen Schuldspruch enthält und daher auch eine bloße Ermahnung wegen konsensloser Benützung einer Straße die Abhaltung der Versammlung hintanhalten will.

Im vorliegenden Fall wurde um Zustimmung der Straßenverwaltung zur Benützung einer bestimmten öffentlichen Verkehrsfläche in Graz (rund um ein Bekleidungsgeschäft) an jedem Donnerstag, Freitag und Samstag von 28.12.06 bis 31.12.11 nach §54 Abs1 Stmk LStVG 1964 angesucht. Ablehnung dieses Ansuchens durch die Straßenverwaltung hinsichtlich der Kundgebung am 28.12.06 aufgrund "kurzfristiger" Antragstellung; keine gesonderten Überlegungen hinsichtlich der später in Aussicht genommenen Kundgebungen.

Es ist dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Nichterteilung der Benützungsbewilligung für Versammlungszwecke in Anspruch zu nehmen. Die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage ist - ungeachtet der etwaigen Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - nämlich nicht geeignet, die ungehinderte Ausübung des grundrechtlich geschützten Rechtes zu gewährleisten, sich an öffentlichen Orten zu versammeln.

Ausgehend von der Verpflichtung der privatwirtschaftlich handelnden Straßenverwaltung, insofern grundrechtskonform vorzugehen, als die Zustimmung für die im Zuge einer Versammlung geplante Benützung der Straße im Lichte des Erkenntnisses VfSlg 17600/2005 grundsätzlich zu erteilen ist, haben die Strafbehörden daher insbesondere zu prüfen, ob allenfalls die Rechtswidrigkeit der konsenslosen Straßenbenützung ausschließende Rechtfertigungsgründe - wie etwa die Versagung der Zustimmung nach §54 Abs1 Stmk LStVG 1964, ohne dass von der Straßenverwaltung wahrzunehmende private oder öffentliche Interessen entgegengestanden wären - bestehen.

Wenn der UVS zu dem Schluss gelangt, dass die Straßenverwaltung dazu verpflichtet gewesen wäre, die Zustimmung zur Straßenbenützung für die am 13.01.07 geplante Kundgebung zu erteilen, hätte er diesen Umstand nicht nur als Milderungsgrund berücksichtigen, sondern das erstinstanzliche Straferkenntnis ersatzlos beheben müssen.

Der UVS hat somit aber die - für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens - entscheidungswesentliche Frage verkannt, ob die konsenslose Benützung der Straße für die am 13.01.07 geplante Kundgebung überhaupt rechtswidrig war.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Versammlungsrecht, Straßenverwaltung, Zivilrecht,Privatwirtschaftsverwaltung, Verwaltungsstrafrecht, Strafe,Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B2355.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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