RS Vfgh 2008/10/6 V52/07

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Veröffentlicht am 06.10.2008
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
BStG 1971 §4
TrassenV, BGBl II 370/2005, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 2 Wiener Nordrand Schnellstraße, Abschnitt Umfahrung Süßenbrunn
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, 92/43/EWG
Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie
Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-RL) Art4
Richtlinie des Rates vom 27.06.85, 85/337/EWG, über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie) idF der Richtlinien 97/11/EG und 2003/35/EG Art9, Art10a
UVP-G 2000 §1 Abs1 Z3, §9 Abs4, §19 Abs4, §24 Abs11, §24h, §46 Abs18 Z5 und Abs19
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Abweisung des Antrags einer Bürgerinitiative auf Aufhebung einerTrassenverordnung betreffend die S 2 Wiener Nordrand Schnellstraße,Umfahrung Süßenbrunn; keine Rechtswidrigkeit desUmweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens; kein Verstoß gegenGemeinschaftsrecht

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags einer Bürgerinitiative auf Aufhebung einer TrassenV der S 2 Wiener Nordrand Schnellstraße, Abschnitt Umfahrung Süßenbrunn.

Öffentliche Auflage der Projektunterlagen in der Zeit vom 09.12.04 bis 03.02.05. Übergangsvorschrift des §46 Abs19 iVm Abs18 Z5 lita UVP-G 2000 kommt daher zum Tragen.

Ausreichende Unterstützung der Stellungnahme iSd §19 Abs4 UVP-G 2000;

fristgerechte Einbringung der Unterschriftenliste am 03.02.05;

abgedruckter Text auf den Unterschriftenblättern erfüllt noch die Voraussetzungen für eine Stellungnahme iSd §9 Abs4 UVP-G 2000.

Keine Gesetzwidrigkeit der TrassenV, BGBl II 370/2005, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 2 Wiener Nordrand Schnellstraße, Abschnitt Umfahrung Süßenbrunn, im Bereich der Gemeinden Wien und Aderklaa.

Das von der Trassenverordnung betroffene Gebiet des Bahnhofs Breitenlee ist zufolge des eingeholten Sachverständigengutachtens weder als "besonderes Schutzgebiet" iSd Art4 Abs1 und Abs2 Vogelschutz-RL noch als "faktisches Vogelschutzgebiet" iSd Art4 Abs4 Vogelschutz-RL zu qualifizieren.

Dem Vorkommen schützenswerter Vögel sowie anderer nach der Fauna-Flora-Habitat-RL geschützter Tiere wurde im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren die erforderliche Aufmerksamkeit zuteil (Teilgutachten Nr 10, Dienstanweisung).

Die prognostische Berücksichtigung des zu erwartenden Verkehrsaufkommens nach Errichtung des geplanten EKZ Gerasdorf ist nicht nur sinnvoll, sondern geradezu geboten. Das Ergebnis dieser Berücksichtigung - wonach die Errichtung des EKZ Gerasdorf den Kraftfahrzeugverkehr nicht relevant verändert - ist auf Grund sachverständiger Meinung plausibel.

Die Äußerung eines mehr oder minder allgemeinen Verdachts der Gesetzwidrigkeit (hier: Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Projekts), ohne dass dieser Verdacht vom Antragsteller gehörig konkretisiert wird (vgl §57 Abs1 VfGG), genügt nicht, den Verfassungsgerichtshof zur eigenständigen Formulierung oder Konkretisierung jener Bedenken zu veranlassen.

Dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung an sich nicht stattgefunden hätte, ist schon daraus zu widerlegen, dass im Vorprojektstadium die verschiedenen, in Betracht kommenden Trassenvarianten auf die jeweils verursachten Kosten untersucht wurden.

Irrelevanz einer vom Projekt ausgehenden, nicht ins Gewicht fallenden Zusatzbelastung der Luftqualität (vgl VwGH 31.03.05, 2004/07/0199). Wenn als Schwellenwert für die zulässige Zusatzbelastung der Luft von der Behörde 3 % des Jahresmittelwertes angenommen wurden, so liegt dieses Irrelevanzkriterium jedenfalls im Rahmen des der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumten Spielraums; entspricht dem "Stand der Technik".

Hinweis auf VfSlg 16242/2001 zum Vorwurf verminderter Genehmigungsstandards kraft Unterteilung eines zusammengehörigen Straßenbauprojektes.

Keine dem Stand der Technik widersprechende Berechnung der Luftschadstoffe; tatsächliche emissionsmindernde Wirkung von Lärmschutzwänden mit Hilfe einer Kontrollberechnung nach dem dem letzten Stand der Technik entsprechenden Modellsystem ("SELMAgis") festgestellt; insoweit Korrektur der Merkblätter 1992 und 2002 erforderlich.

Keine unzumutbare Erhöhung des Lärmpegels durch die Straßenbenutzung; keine Überschreitung der üblichen Vorsorgewerte von 55 dB am Tag und 45 dB in der Nacht; nachvollziehbarer Schluss des Sachverständigen, dass keine unzulässigen nachteiligen Auswirkungen auf Menschen durch lärmintensive Emissionen zu erwarten sind.

Da keine unzumutbaren Belästigungen iSd §24h Abs1 Z2 litc UVP-G 2000 vorliegen, ist die Anwendung des §24h Abs2 UVP-G 2000 (betr möglichste Geringhaltung der Belästigung der Nachbarn in bestimmten Fällen) entbehrlich.

Mit seiner abschließenden Aussage zur Umweltverträglichkeit aus humanmedizinischer Sicht (Einstufung des Projekts als akustisch umweltverträglich im Fall von Lärmschutzmaßnahmen zur Nutzung der Freiräume) überschreitet der medizinische Sachverständige keinesfalls die Grenzen seiner Wissenschaft. Vielmehr war es erforderlich, gerade die humanmedizinischen Aspekte in das aus gesamthafter Sicht zu erstellende Umweltverträglichkeitsgutachten einzubringen und einzubinden.

Mag die Aufgliederung der Ergebnisse des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens in die mit normativer Kraft ausgestattete Trassenverordnung einerseits sowie in sonstige Maßnahmen und Vorschreibungen andererseits (vgl VfSlg 16567/2002) auch rechtspolitisch unbefriedigend gewesen sein (daher Änderung des Verordnungsregimes durch bescheidförmige Erledigungen mit BGBl I 153/2004 und BGBl I 154/2004), so war die ursprüngliche, auf den Erlass einer Trassenverordnung abstellende gesetzliche Regelung dennoch weder verfassungs- noch gemeinschaftsrechtswidrig.

Da das vor Erlassung der Trassenverordnung durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren den Zweck der UVP-Richtlinie erfüllte, ist davon auszugehen, dass der die Verordnung erlassende Bundesminister über die notwendigen Sachverhaltsfeststellungen verfügte, welche die Genehmigung durch Verordnung und sonstige begleitende Rechtsakte auch europarechtlich unbedenklich machte (vgl EuGH 19.09.00, Rs C-287/98, Linster).

Art10a der UVP-RL idF der Öffentlichkeitsbeteiligung-RL (betr den Rechtsschutz von Mitgliedern der beteiligten Öffentlichkeit) war jedenfalls in Ansehung von Nichtregierungsorganisationen (NGO's) - vor seiner Ausführung und Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber nicht - unmittelbar - anwendbar.

Umsetzung mit der UVP-G-Novelle 2004; Fehlen einer innerstaatlichen Regelung bzw einer Anerkennung in Frage kommender NGO's zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Trassenverordnung.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Trassierungsverordnung, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung,Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Naturschutz,Vogelschutz, EU-Recht Richtlinie, Verordnungserlassung,Verwaltungsverfahren, Anhörungsrecht, Übergangsbestimmung,Rechtsschutz, VfGH / Legitimation, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:V52.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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