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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzSpruch
1. Die Beschwerdeführer sind durch die Spruchpunkte I.2. und I.3. des angefochtenen Bescheides in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 3024,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
2. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind Vertragsärzte der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Mit inhaltlich gleich lautenden Schriftsätzen vom 1. Februar 2002 bzw. vom 11. März 2002 beantragten sie bei der Paritätischen Schiedskommission für Oberösterreich, diese möge feststellen,
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dass §10 Abs4 letzter Satz des Gesamtvertrages den Antragstellern gegenüber unwirksam sei und
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dass die mit Rundschreiben Nr. 707/2001 auferlegte Verpflichtung, bestimmte komplementärmedizinische Leistungen (Aromatherapie, Aura-Heilung, Bachblütentherapie, Baunscheidtieren, Biologische Terrain-Analyse, Bioresonanztherapie, Colonhydrotherapie, Edelsteinmedizin, Eigenurintherapie, Haaranalyse, Honigtherapie, Irisdiagnostik, Klangmassage, Magische Heilmethoden, Magnettherapie mit Ausnahme der Magnetfeldtherapie, Pendeln, Rei-Ki, Schamanismus, Wünschelrute, Zelltherapie) weder zu erbringen noch gegenüber Patienten oder Privatversicherungen zu verrechnen, nicht bestehe.
In der mündlichen Verhandlung vor der Paritätischen Schiedskommission für Oberösterreich vom 23. Juli 2002 ergänzten die Beschwerdeführer ihre Feststellungsanträge um den Eventualantrag, dass die mit dem zuvor genannten Rundschreiben auferlegte Verpflichtung einzelvertraglich nicht bestehe. Auch konkretisierten sie ihre Anträge dahin, dass sie eine rein "kompetenzrechtliche Entscheidung" beantragten, jedoch ohne die Überprüfung, ob die im Rundschreiben angeführten Methoden tatsächlich erwiesenermaßen wirkungslos oder patientengefährdend seien.
2. §10 Abs4 letzter Satz des zwischen der Ärztekammer für Oberösterreich und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Gesamtvertrages lautete zum Zeitpunkt der Antragstellung:
"Leistungen, die erwiesenermaßen wirkungslos sind oder Patienten gefährden, dürfen von Vertragsärzten nicht erbracht werden; und zwar weder auf Kassenkosten, noch gegen direkte Verrechnung mit dem Patienten."
Mit Rundschreiben vom 1. Juni 2001, Nr. 707/2001, setzte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse gemeinsam mit der Ärztekammer für Oberösterreich alle Vertragsärzte, ausgenommen jene aus den Fachgebieten Radiologie, Labor und Zahnheilkunde, davon in Kenntnis, dass Leistungen, die erwiesenermaßen wirkungslos sind und Patienten gefährden, von Vertragsärzten auch privat nicht erbracht werden dürfen. Auf einem Beiblatt wurden die in den Feststellungsanträgen genannten Methoden angeführt.
3. Die Paritätische Schiedskommission für Oberösterreich wies die Anträge mit mündlich verkündetem Bescheid vom 23. Juli 2002 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen (am 22. November 2002 in schriftlicher Ausfertigung zugestellten) Bescheid jeweils Berufung an die Landesberufungskommission für Oberösterreich.
4. Mit Vereinbarung vom 10. Oktober 2002 wurde §10 Abs4 des Gesamtvertrages mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 geändert und hatte seither folgenden Wortlaut:
"Wissenschaftlich nicht erprobte Heilmethoden dürfen für Rechnung eines Versicherungsträgers nicht angewendet werden. Ärztliche Leistungen, die nicht der Beseitigung oder Linderung gesundheitlicher Störungen dienen, werden vom Versicherungsträger nicht vergütet. Leistungen, von denen Versicherungsträger und Kammer gemeinsam der Auffassung sind, dass sie wirkungslos sind oder Patienten gefährden, dürfen von Vertragsärzten nicht erbracht werden; und zwar weder auf Kosten des Versicherungsträgers noch gegen direkte Verrechnung mit dem Patienten. Diese Leistungen sind in einer von den Gesamtvertragsparteien (Ärztekammer und Versicherungsträger) gemeinsam zu erstellenden taxativen Liste (Beilage) anzuführen. Änderungen dieser Liste sind wiederum nur im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien möglich."
In der als Beilage bezeichneten Liste sind die strittigen, bereits im Rundschreiben Nr. 707/2001 angeführten Methoden aufgezählt.
5. In der mündlichen Verhandlung vor der Landesberufungskommission für Oberösterreich vom 19. Mai 2003 brachten die Beschwerdeführer vor, dass diese Vertragsänderung unwirksam sei, was auch einen von der Berufungsbehörde zu prüfenden Umstand darstelle.
In einem Gespräch zwischen den beteiligten Parteien am 2. Februar 2005 sagte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführern zu, bei Erbringung einer der strittigen Leistungen bis zum Abschluss des Verfahrens keine rechtlichen Schritte zu setzen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Landesberufungskommission für Oberösterreich vom 22. Juni 2005 wurde das Verfahren auf die Fragen der Zulässigkeit der Berufung und des Feststellungsinteresses eingeschränkt.
6. Mit Bescheid dieser Behörde vom 22. Juni 2005 wurde den Berufungen keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass sämtliche Anträge zurückgewiesen wurden. "Soweit die Berufungen über die Bekämpfung des Bescheides der Paritätischen Schiedskommission vom 23. Juli 2002 hinausgehen", wurden sie zurückgewiesen.
Begründend wird dazu Folgendes ausgeführt:
"Die Begehren der Antragsteller richten sich auf die Feststellung, dass §10 Abs4 des Gesamtvertrages in der alten Fassung ihnen gegenüber unwirksam sei und ihnen mit einem Rundschreiben auferlegte Verpflichtungen nicht bestünden.
Voraussetzung für die Zulässigkeit von bloßen Feststellungsbescheiden ist nach ständiger Recht[s]prechung und herrschender Lehre entweder eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, ein öffentliches Interesse oder, dass dies für die Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist, insbesondere, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klargestellt wird. Ein Rechtsanspruch auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aus dem (noch) keine rechtlichen Konsequenzen gezogen worden sind, besteht nicht (VwGH 17.12.1996, 94/01/0797). ...
...
Wie festgestellt, wird von Seiten der Antragsgegnerin bei Erbringung einer der [strittigen] Leistungen ... durch die [Antragsteller] bis zum Abschluss dieses Verfahrens keine Konsequenz gesetzt. Für die Vergangenheit und Dauer des Verfahrens sind die angestrebten Feststellungen daher ohne Bedeutung, da die [Antragsteller] in so weit ohnehin keine Konsequenzen zu erwarten haben. Für die Zukunft haben die angestrebten Feststellungen jedoch jede Bedeutung verloren, da §10 Abs4 des Gesamtvertrages sowie das Rundschreiben 707/2001 durch die Neufassung des §10 Abs4 am 10. Oktober 2002 außer Kraft gesetzt wurden. Soweit die Berufung daher den Bescheid der Paritätischen Schiedskommission vom 23. Juli 2002 bekämpft, ist ihr nicht Folge zu geben, aus Anlass dieser Berufung sind die Anträge auf Feststellung mangels Feststellungsinteresses zurückzuweisen.
Erschließbar richtet sich die Berufung aber auch gegen die Anwendung der während des laufenden Verfahrens geänderten Bestimmung des §10 Abs4 des Gesamtvertrages. In so weit ist sie jedoch nicht zulässig. Nach ständiger Recht[s]prechung und herrschender Lehre zu §66 Abs4 AVG ist eine Berufung unzulässig, wenn sie sich auf die Entscheidung einer anderen Sache richtet, als jene, die Gegenstand des angefochtenen Bescheides war. Das ist hier der Fall. §10 Abs4 des Gesamtvertrages in der alten und der neuen Fassung unterscheiden sich ganz wesentlich. So genügt es nach der Neufassung dieser Bestimmung, wenn Versicherungsträger und Kammer gemeinsam der Auffassung sind, dass Leistungen wirkungslos oder gefährlich sind. Zuvor mussten sie es tatsächlich sein. Weiters ist nun normiert, dass eine Liste anzuführen ist, die gemeinsam erstellt wird und zudem taxativ ist. Zuvor fehlte im §10 Abs4 des Gesamtvertrages jeder Hinweis auf eine Liste, sie wurde nur 'informativ' und demonstrativ von der Antragsgegnerin erstellt. Es handelt sich also um einen völlig anderen Entscheidungsgegenstand, die Berufung dagegen ist unzulässig.
Auch der Einwand der [Antragsteller], §10 Abs4 in der neuen Fassung se[i] in Folge mangelnder Kurienbeschlüsse nicht wirksam zustande gekommen, ist verfehlt. Nach §84 Abs4 Ziff. 2 Ärztegesetz liegt die Zuständigkeit für den Abschluss von Gesamtverträgen auf Seiten der Ärztekammer bei der Kurienversammlung. Diese fasst ihre Beschlüsse nach §21 Abs4 in Verbindung mit §8 der Geschäftsordnung der Ärztekammer OÖ mit einfacher Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Diese Vorgangsweise wurde eingehalten. Auch wenn das Protokoll vom 12.9.2002 falsch bezeichnet ist, so fand damals doch ohne Zweifel eine Sitzung der Kurienversammlung und nicht des Kurienausschusses statt. Die bloße Falschbezeichnung des Protokolls schadet jedenfalls nicht.
Ebenso unrichtig ist der Einwand, die Änderung des Gesamtvertrages sei nicht kundgemacht worden. Nach §23 der Satzung der Ärztekammer für OÖ informiert die Ärztekammer ihre kammerangehärigen in sogenannten 'Mitteilungen der Ärztekammer für OÖ'. Nach §44 des Gesamtvertrages werden Abänderungen des Gesamtvertrages in der 'Österreichischen Ärztezeitung' und der Zeitschrift 'Soziale Sicherheit' verlautbart. Die Kundmachung erfolgte dementsprechend sowohl in einer Sonderausgabe der Mitteilungen der Ärztekammer, als auch in der Zeitschrift 'Soziale Sicherheit'. Die Antragsteller konnten so ihre Einwände, es existierten keine die Unterschriften rechtfertigenden Kurienbeschlüsse und die gesamtventragliche Vereinbarung sei nicht kundgemacht worden, auch nicht näher konkretisieren.
§10 Abs4 in der neuen Fassung ist daher wirksam zustande gekommen.
Zum Abschluss ist festzuhalten, dass weder die Beisitzer der Paritätischen Schiedskommission, noch jene der Landesberufungskommission befangen sind. Die [Antragsteller] sehen die Befangenheit der Beisitzer in ihrem Naheverhältnis zur Antragsgegnerin. Dieses Naheverhältnis besteht tatsächlich, kann jedoch keine Befangenheit begründen, da es gesetzlich vorgesehen und somit gewollt ist. So bestimmt §344 Abs2 ASVG etwa, dass zwei der vier Mitglieder der Paritätischen Schiedskommission vom Krankenversicherungsträger bestellt werden, der Partei des Einzelvertrages ist. §345 Abs1 ASVG legt für die Landesberufungskommission fest, dass zwei Beisitzer auf Vorschlag des Hauptverbandes zu bestellen sind. Lediglich Versicherungsvertreter(innen) und Arbeitnehmer(innen) jenes Versicherungsträgers, der Vertragspartei des Gesamtvertrages ist, auf dem der streitgegenständliche Einzelvertrag beruht, dürfen im jeweiligen Verfahren nicht Beisitzer sein. Aus dieser Bestimmung ist der Umkehrschluss zu ziehen, dass Arbeitnehmer(innen) eines Versicherungsträgers grundsätzlich Beisitzer sein dürfen, solange dieser Versicherungsträger nur nicht Vertragspartei des Gesamtvertrages ist, um den es geht. Schon aus diesen Gründen steht daher fest, dass keiner der Beisitzer befangen war."
7. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §345 Abs3 iVm §346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde; darin behaupten die Beschwerdeführer, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§§344 Abs2 und 345 Abs1 ASVG) in ihren Rechten verletzt zu sein, und stellen den Antrag, den angefochtenen Bescheid zur Gänze kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Die beteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine schriftliche Äußerung; darin verteidigt sie den angefochtenen Bescheid und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebende Rechtslage stellt sich dar wie folgt:
Gemäß §341 Abs1 ASVG sind die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten durch Gesamtverträge zu regeln; diese sind vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (für die Träger der Krankenversicherung) mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge haben ua. "die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte ..., insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung" zu regeln (§342 Abs1 Z3 ASVG). Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt geschlossenen Einzelvertrages (§341 Abs3 ASVG).
Gemäß §344 Abs1 ASVG ist zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten; diese besteht aus vier Mitgliedern, von denen zwei von der zuständigen Ärztekammer und zwei vom Krankenversicherungsträger, der Partei des Einzelvertrages ist, bestellt werden (§344 Abs2 ASVG). Gegen den Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission des betreffenden Landes erhoben werden (§344 Abs3 ASVG).
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Entgegen der Beschwerde ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der Regelung der Zusammensetzung der paritätischen Schiedskommission (§344 Abs2 ASVG) den ihm zukommenden rechtspolitischen Spielraum überschritten hätte (vgl. VfSlg. 14.362/1995 und 14.980/1997).
2.1. Nach Art6 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal gehört wird, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt (zuletzt in seinem Erkenntnis vom 27. September 2005, B610/05) dargelegt, dass Streitigkeiten aus einem Einzelvertrag zwar in den Kernbereich der von Art6 Abs1 EMRK erfassten "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" fallen, die (zur Entscheidung solcher Streitigkeiten in zweiter Instanz berufenen) Landesberufungskommissionen den Anforderungen des Art6 Abs1 EMRK jedoch grundsätzlich entsprechen (zur Unbedenklichkeit der Mitwirkung von Interessenvertretern an der Willensbildung dieser Behörden vgl. insbesondere VfSlg. 15.698/1999).
Da die Mitglieder der Landesberufungskommission in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind (vgl. §345 Abs3 iVm §346 Abs6 ASVG), könnte sich - wie der Verfassungsgerichtshof in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt hat - ein Verstoß gegen Art6 Abs1 EMRK nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, so etwa daraus, dass ein Mitglied am Zustandekommen des Gesamt- oder Einzelvertrages, dessen Gültigkeit oder Interpretation im Verfahren bestritten wird, mitgewirkt hat (vgl. VfSlg. 13.553/1993, 15.981/2000), oder sonst "besondere Umstände" vorliegen, welche die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Mitgliedes zur Entscheidung in bestimmten Rechtssachen mit Recht in Zweifel ziehen ließen.
Solche Umstände liegen hier nicht vor; sie könnten auch (der Beschwerde zuwider) nicht allein darin begründet sein, dass jene Ärztekammern und Versicherungsträger, denen die Beisitzer der belangten Behörde angehören, Gesamtverträge mit Bestimmungen geschlossen haben (oder gar erst schließen werden), die den im vorliegenden Fall strittigen gleichen (vgl. auch VfGH 27. September 2005, B1548/04).
2.2. Gemäß §345 Abs1 ASVG in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung der 60. Novelle, BGBl. I Nr. 140/2002, bestehen die Landesberufungskommissionen aus einem (im Zeitpunkt seiner Bestellung bei einem Gerichtshof in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätigen) Richter und vier Beisitzern. Je zwei Beisitzer sind vom Bundesminister für Justiz auf Vorschlag der Österreichischen Ärztekammer und des Hauptverbandes zu bestellen.
Die Beschwerde erblickt in dieser Regelung - gemessen an jener des §341 Abs1 ASVG, wonach Gesamtverträge vom Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind - eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Parteien des Gesamtvertrages: Es sei gleichheitswidrig, nur dem Hauptverband, nicht aber auch den örtlich zuständigen Ärztekammern ein Vorschlagsrecht für Beisitzer der Landesberufungskommissionen einzuräumen.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 27. September 2005, B610/05, ausgeführt hat, entbehrt diese Kritik schon deshalb jeder Grundlage, weil der Hauptverband (entgegen der Beschwerde) nicht Partei des Gesamtvertrages ist, sondern bloß an dessen Abschluss mitzuwirken hat (vgl. VfGH 16. Juni 2005, B1219/04 mwN). Keiner der Parteien des Gesamtvertrages - weder dem zuständigen Träger der Krankenversicherung noch der örtlich zuständigen Ärztekammer - kommt daher ein Vorschlagsrecht für die Beisitzer der Landesberufungskommission zu; dieses liegt vielmehr allein beim jeweiligen "Dachverband", nämlich beim Hauptverband und bei der Österreichischen Ärztekammer.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aus den vorhin angestellten Überlegungen nicht veranlasst, die Bestimmung des §345 Abs1 ASVG (idF der 60. Novelle) - wie in der Beschwerde angeregt - einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen.
3. Die Beschwerde erhebt schließlich - unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes sowie des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - den Vorwurf, die Behörde habe zu Unrecht eine Sachentscheidung über die gestellten Feststellungsanträge verweigert.
Damit sind die Beschwerdeführer zum Teil im Recht:
3.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist nicht nur dann zulässig, wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung hierüber zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse oder insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein solches rechtliches Interesse ist aber nur dann zu bejahen, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung der Partei abzuwenden (zB VfSlg. 11.764/1988).
3.2.1. Streitigkeiten zwischen den Parteien des Gesamtvertrages über dessen Auslegung und Anwendung sind in erster Instanz vor der Landesschiedskommission (§345a Abs2 Z1 ASVG) und in zweiter Instanz vor der Bundesschiedskommission (§§345a Abs3, 346 Abs1 ASVG) auszutragen, zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Einzelvertrages, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist hingegen in erster Instanz die paritätische Schiedskommission (§344 Abs1 ASVG), in zweiter Instanz die Landesberufungskommission (§§344 Abs4, 345 Abs2 Z1 ASVG) zuständig.
Diese letztgenannten Behörden sind zwar befugt, bei Feststellung des Inhalts des Einzelvertrages - vorfrageweise - die Gültigkeit von Bestimmungen des maßgebenden Gesamtvertrages zu beurteilen (vgl. zB VfSlg. 15.178/1998); als Hauptfrage ist die Beurteilung der Gültigkeit eines bestehenden Gesamtvertrages aber der Landes- bzw. Bundesschiedskommission vorbehalten.
Daraus folgt, dass die belangte Landesberufungskommission die von den Beschwerdeführern begehrte Feststellung, dass eine bestimmte gesamtvertragliche Regelung ihnen gegenüber unwirksam sei, im Ergebnis zu Recht - nämlich wegen sachlicher Unzuständigkeit - zurückgewiesen hat.
3.2.2. Die belangte Behörde hat auch zu Recht abgelehnt, über die Wirksamkeit einer Regelung des mit 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen Gesamtvertrages zu entscheiden: "Sache" eines Berufungsverfahrens ist nämlich der durch den Spruch des Bescheides der Unterbehörde begrenzte Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens in dem durch den Berufungsantrag bestimmten Umfang. Die Zuständigkeit der belangten Behörde (als Berufungsinstanz) reichte daher nur so weit, über den bei der Paritätischen Schiedskommission (als Behörde erster Instanz) gestellten Bescheidantrag zu entscheiden. Dieser Antrag bezog sich aber (ua.) auf die Feststellung der Unwirksamkeit des mittlerweile außer Kraft getretenen §10 Abs4 des Gesamtvertrages. Soweit die Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nunmehr auch eine Entscheidung über die Wirksamkeit des mit 1. Oktober 2002, somit erst nach Erlassung des Bescheides der Paritätischen Schiedskommission, in Kraft getretenen §10 Abs4 des Gesamtvertrages begehrten, fiel eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde (vgl. zB VwSlg. 10.305 A/1980; siehe auch VfSlg. 7641/1975, 8886/1980 mwN).
3.2.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen, soweit sie sich auch gegen die Spruchpunkte I.1. und II. des angefochtenen Bescheides richtet.
3.3. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde jedoch als begründet:
3.3.1. Dem im angefochtenen Bescheid vertretenen Standpunkt, auf Grund des "Außerkrafttretens" des Rundschreibens Nr. 707/2001 sei keine - ein Feststellungsinteresse begründende - einzelvertragliche Verpflichtung mehr gegeben, kann nicht gefolgt werden:
Für das Feststellungsinteresse der Beschwerdeführer ist es ohne Belang, ob das genannte Rundschreiben - wie die belangte Behörde dies offenbar angenommen hat - "Normwirkung" entfaltete und ob diese Norm mit der Neufassung des §10 Abs4 des Gesamtvertrages "außer Kraft gesetzt" wurde. Ihr Feststellungsinteresse beruht nämlich vielmehr darauf, dass die Verfasser dieses Rundschreibens zweifelsfrei intendierten, das sich aus §10 Abs4 letzter Satz des Gesamtvertrages ergebende Verbot, erwiesenermaßen wirkungslose oder gar für die Patienten schädliche Leistungen zu erbringen, mit Wirkung für die Beschwerdeführer klarzustellen und die in Betracht kommenden Leistungen aufzuzählen. Ob seine Verfasser diesem Rundschreiben normative Bedeutung (im Sinne einer rechtsgestaltenden Willenserklärung) beilegen wollten oder ob sie bloß eine Wissenserklärung über den Inhalt des §10 Abs4 des Gesamtvertrages abgeben wollten, kann dahinstehen: Ab dem Zugang dieses Rundschreibens konnten sich die Beschwerdeführer nicht mehr darauf berufen, eine der in diesem Rundschreiben genannten Leistungen entschuldbar für nicht verboten gehalten zu haben. Sie konnten sich daher nur mehr unter der Voraussetzung des Nachweises, dass die den genannten Leistungen unterstellte Wirkungslosigkeit (oder gar Schädlichkeit) ungeachtet ihrer Aufzählung im Rundschreiben nicht vorliegt, vor erheblichen Nachteilen (zB Vertragskündigung) schützen.
Nahmen aber die Partner des Gesamtvertrages für sich in Anspruch, die vertraglichen Rechte und Pflichten der Beschwerdeführer aus dem Kassenvertrag auf die beschriebene Weise (nämlich durch ein gemeinsames Rundschreiben) zu konkretisieren, kann an einem Feststellungsinteresse der Beschwerdeführer, sie seien nicht verpflichtet, die in dieser Liste enthaltenen Leistungen zu unterlassen, kein Zweifel bestehen (und zwar unabhängig davon, ob man das Begehren in der Sache für begründet hält oder nicht).
3.3.2. Daran hat aber die während des Verfahrens in Kraft getretene Änderung des §10 Abs4 des Gesamtvertrages nur insoweit etwas geändert, als der rechtliche Maßstab, an dem das Feststellungsbegehren der Beschwerdeführer mit Wirkung pro futuro zu beurteilen ist, ein anderer geworden ist. Das rechtliche Interesse der Beschwerdeführer hätte nur dann wegfallen können, wenn die Vertragspartner des Gesamtvertrages die (mit dem Rundschreiben ausgesprochene) Verpflichtung der Vertragsärzte ausdrücklich für hinfällig erklärt hätten; davon geht die belangte Behörde aber nicht aus.
Auch wenn man der Meinung wäre, dass mit der Neufassung des §10 Abs4 des Gesamtvertrages dem Rundschreiben im Nachhinein ein zwingender Charakter beigelegt werden sollte, ändert dies nichts am Fortbestehen des rechtlichen Interesses: Das Feststellungsinteresse der Beschwerdeführer besteht auch hinsichtlich der Frage, ob §10 Abs4 des Gesamtvertrages in der Neufassung rechtswirksam ist, ohne dass sich am Gegenstand des Verfahrens (nämlich dem Begehren auf verbindliche Feststellung strittiger Pflichten der Beschwerdeführer aus dem Vertragsverhältnis zur Gebietskrankenkasse) etwas geändert hätte. Die Frage der Rechtswirksamkeit des §10 Abs4 des Gesamtvertrages wäre von der belangten Behörde als Vorfrage zu beurteilen (siehe oben Pkt. 3.2.1.).
3.3.3. Die belangte Behörde hat somit insoweit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert und die Beschwerdeführer deshalb - durch die Spruchpunkte I.2. und I.3. des angefochtenen Bescheides - in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der Bescheid war daher insoweit aufzuheben.
4. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer in der Hauptsache durchgedrungen sind und der abgewiesene Teil ihrer Beschwerde keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat, war der Pauschalsatz in voller Höhe zuzusprechen. In den zuerkannten Kosten sind weiters ein Streitgenossenzuschlag von EUR 720,-- und Umsatzsteuer von EUR 504,-- enthalten.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, Behördenzuständigkeit, Kollegialbehörde, Feststellungsbescheid, Behördenzusammensetzung, Berufung, Berufungsgegenstand, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Novellierung, BerufungsgegenstandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B3303.2005Dokumentnummer
JFT_09939692_05B03303_00