TE Vfgh Erkenntnis 2006/3/8 A24/05

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Veröffentlicht am 08.03.2006
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art137 / Liquidierungsklage
AVG §66 Abs4
Wr SozialhilfeG

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Auszahlung einer zuerkannten Geldaushilfe nach dem Wiener Sozialhilfegesetz aus einem erst im Berufungsbescheid herangezogenen Rechtsgrund infolge bereits erfolgter vollständiger Liquidation; vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte Zahlung als a conto Zahlung anzusehen; keine (allenfalls unzulässige) Aufrechnung

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Dezember 2004 wurden dem Kläger nach dem Wiener Sozialhilfegesetz - WSHG für den Zeitraum 2. Dezember 2004 bis inklusive 1. Februar 2005 folgende Geldleistungen zuerkannt:

Richtsatz für drei Kinder (60 Tage) ...........EUR  722,46

Höchstmiete 12/04 .............................EUR  264,07

Höchstmiete 1/05 ..............................EUR  264,07

Gasrechnung 9+11/04, 1/05 .....................EUR  356,40

Heizkostenzuschuss 2004 .......................EUR   50,--

Summe .........................................EUR 1657,--

        Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Berufung an den UVS

Wien; mit Berufungsbescheid vom 11. August 2005 setzte dieser die dem

Kläger gebührenden Leistungen in folgender Höhe fest:

Richtsatz für drei Kinder (2.12.2004-1.2.2005) EUR  727,10

Richtsatz für einen Erwachsenen

(2.12.2004-1.2.2005) ......................... EUR  394,10

Heizkostenzuschuss für drei Kinder

(1.12.2004-29.4.2005) ........................ EUR   98,50

Summe ........................................ EUR 1219,70

2. Die vorliegende, auf Art137 B-VG gestützte Klage begehrt, das Land Wien schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von EUR 394,10 samt 4 vH Zinsen seit 8. Oktober 2005 sowie die mit EUR 729,65 bezifferten Kosten dieses Rechtsstreites binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu zahlen.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die dem Kläger vom UVS Wien - in Stattgebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid - zur Deckung seines eigenen Lebensbedarfes (zusätzlich) zuerkannte Geldaushilfe sei dem Kläger - auch innerhalb der von ihm gesetzten Nachfrist - nicht ausbezahlt worden.

Das beklagte Land erstattete eine Gegenschrift; darin wird beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger replizierte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 16.858/2003 mwN) - Klage erwogen:

1. Der Kläger übersieht, dass die für den Zeitraum 2. Dezember 2004 bis 1. Februar 2005 bescheidmäßig festgesetzte Geldaushilfe (EUR 1219,70) insgesamt geringer ist als jener Betrag, den die Behörde erster Instanz dem Kläger für denselben Zeitraum zuerkannt (und auch ausbezahlt) hat (EUR 1657,--). Damit ist aber - auch - die erst vom UVS Wien zuerkannte, nunmehr eingeklagte Geldaushilfe als vollständig liquidiert anzusehen.

2. Die beklagte Partei hat auch - entgegen dem vom Kläger in seiner schriftlichen Gegenäußerung vertretenen Standpunkt - keine (allenfalls unzulässige) "Aufrechnung" vorgenommen:

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei noch vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides Zahlung geleistet, als Ergebnis des Berufungsverfahrens hat sich jedoch herausgestellt, dass dem Kläger aus den im erstinstanzlichen Bescheid herangezogenen Rechtsgründen ein Teil der Zahlung nicht gebührt, ihm dafür aber aus einem anderen Rechtsgrund eine (betragsmäßig geringere) Leistung zusteht. Für die schon geleistete Zahlung ergibt sich daraus, dass deren Titel zum Teil im Nachhinein weggefallen ist (mit der Folge, dass diese Zahlung insoweit nunmehr als ohne Rechtsgrund geleistet anzusehen ist), zum Teil hat diese Zahlung einen neuen Rechtsgrund erhalten.

Die Zulässigkeit der Abänderung eines Bescheides durch die Berufungsbehörde "nach jeder Richtung" (also auch zum Nachteil des Berufungswerbers) ergibt sich aus §66 Abs4 AVG. Soweit daher im erstinstanzlichen Bescheid zuerkannte Leistungen - im Interesse der Partei - vorzeitig, dh. noch vor Rechtskraft dieses Bescheides, liquidiert werden, sind solche Zahlungen bis zum Eintritt der Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides immer nur als a conto der im Verfahren insgesamt strittigen Ansprüche geleistet anzusehen.

Soweit daher die beklagte Partei die Liquidierung von Leistungen aus einem erst im Berufungsbescheid herangezogenen Rechtsgrund mit der Begründung ablehnt, der Kläger habe bereits mehr erhalten, als ihm nach dem Berufungsbescheid insgesamt an Leistungen zusteht, hat sie damit nicht etwa einen Leistungsanspruch, der erst aus dem Berufungsbescheid entstanden ist, mit einem Rückforderungsanspruch aus dem Wegfall des erstinstanzlichen Bescheides aufgerechnet.

Ob sich der Berufungsbescheid des UVS Wien vom 11. August 2005 im Rahmen der Sache im Sinne des §66 Abs4 AVG hält und auch sonst dem Gesetz entspricht, ist in diesem Verfahren nicht zu untersuchen.

3. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Dem anwaltlich nicht vertretenen beklagten Land waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen (vgl. VfSlg. 17.115/2004 mwN).

5. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

VfGH / Klagen, Sozialhilfe, Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:A24.2005

Dokumentnummer

JFT_09939692_05A00024_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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