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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
EStG 1972; keine Bedenken gegen §29 Z1; keine denkunmögliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Beschwerdeführerin hat mit Kaufvertrag vom 22. Jänner 1963 ihr gehörende Anteile der Liegenschaft EZ 1396 KG L, Haus in der P-straße verkauft. Die ab 1. Feber 1963 an die Verkäuferin (Beschwerdeführerin) zu bezahlende monatliche Leibrente betrug 2000 S. Sie wurde nach dem Verbraucherpreisindex II wertgesichert. Der Käufer übernahm die auf den verkauften Anteilen hypothekarisch sichergestellten Schulden von zusammen 810585 S und verpflichtete sich, die Verkäuferin hinsichtlich dieser Hypotheken klag- und schadlos zu halten.
Der Käufer hat der Aktenlage zufolge folgende Leibrentenbeträge an die Beschwerdeführerin geleistet:
Bis Ende 1964 46000 S, 1965 24000 S, 1966 26250 S, 1967 27150 S, 1968 28800 S, 1969 28800 S, 1970 30012 S, 1971 31728 S, 1972 34680 S, 1973 36240 S, 1974 39180 S, 1975 42312 S; somit bis Ende 1975 insgesamt:
395152 S.
Im Jahre 1976 bezahlte der Käufer den Aktenunterlagen zufolge an die Beschwerdeführerin Leibrenten in der Höhe von insgesamt 45192 S.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 24. Oktober 1977 wurden die der Beschwerdeführerin im Jahre 1976 zugeflossenen Rentenbezüge als "sonstige Einkünfte" nach §29 Z1 des Einkommensteuergesetzes 1972 (EStG 1972) der Einkommensteuer unterzogen.
Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung dem §29 Z1 EStG 1972 iVm §16 Abs2 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG 1955) zufolge 316800 S betrage. Die bisher vereinnahmten Rentenbezüge hätten daher den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung bereits überschritten. Die im Jahre 1976 erhaltenen Leibrentenbezüge seien sohin als sonstige Einkünfte gem. §29 Z1 EStG 1972 steuerpflichtig.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VfGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.
Mit dem bekämpften Bescheid wird eine Steuer festgesetzt. Er greift sohin in das Eigentum der Beschwerdeführerin ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7736/1976) nur dann verfassungswidrig, wenn der den Eingriffverfügende Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen worden oder wenn er gesetzlos wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht kann nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7836/1976) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
b) Die Beschwerdeführerin bringt Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des den angefochtenen Bescheid vornehmlich tragenden §29 Z1 EStG 1972 vor. Es sind dies die gleichen Bedenken, die auch in der von der Beschwerdeführerin erhobenen anderen, zu B213/77 protokollierten Beschwerde enthalten sind. Der VfGH hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag diese andere Beschwerde abgewiesen und dargetan, weshalb er diese Bedenken für nicht zutreffend erachtet.
c) aa) Bei der Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnte die Beschwerdeführerin sohin im Eigentumsrecht nur wegen denkunmöglicher Gesetzesanwendung verletzt worden sein; eine Verletzung des Gleichheitsrechtes könnte nur bei willkürlichem Verhalten der Behörde vorliegen, wofür allenfalls eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ein Indiz wäre.
bb) Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Beschwerdeverfahren vor, daß die angefochtene Entscheidung den Rentenwert für 1963 errechne, der Wert der Leibrente aber nur im Vergleich mit den wertgesicherten monatlichen Renten für 1977 errechnet werden könne und dürfe. Der im §29 Z1 EStG 1972 bezogene §16 Abs2 BewG 1955 könne nur den Sinn haben, daß bei Berechnung des Wertes inflationistische Geldveränderungen nicht zu Lasten des Leibrentenempfängers gehen dürften. Die Wertsicherung sei vertraglich vereinbart worden; es wäre also der Jahreswert der Rente nicht mit 24000 S anzusetzen gewesen; vielmehr könne der Renten-Jahreswert erst im nachhinein festgelegt werden.
Die belangte Behörde hat den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung mit 316800 S ermittelt. Sie hat sich hiebei auf ihre Berufungsentscheidungen vom 12. Juli 1971 und vom 3. Mai 1973 berufen, die die Einkommensteuer der Beschwerdeführerin für die Jahre 1968 und 1969 betroffen haben und mit denen festgestellt wurde, daß die in Rede stehende Leibrente in diesen Jahren noch nicht steuerpflichtig sei. Im Bescheid vom 12. Juli 1971 wird hiezu ausgeführt:
"Gemäß §22 Z1b EStG sind Leibrenten sonstige Einkünfte. Werden diese als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, so sind sie gemäß §22 Z1c EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung der Einkommensteuergesetz-Novelle 1970 (BG vom 30. November 1970, BGBl. 370/1970) nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§16 Abs2 BewG) im Zeitpunkt der Übertragung übersteigt. Die Bestimmung über die Wertermittlung nach §16 des Bewertungsgesetzes wurde gemäß ArtII Abs1 der EStG-Novelle 1970 rückwirkend für das Jahr 1969 geschaffen und war zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1969 (26. August 1970) noch nicht bekannt. Demnach beträgt der Wert der übertragenen Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt der Übertragung S 316800,- (28800 x 11)."
Der VfGH ist der Ansicht, daß diese Berechnung des kapitalisierten Wertes der Rentenverpflichtung jedenfalls nicht zu einem denkunmöglichen Ergebnis führt: Nach §29 Z1 EStG 1972 sind wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften iS des §2 Abs3 Z1 bis 6 gehören, als "sonstige Einkünfte" einkommensteuerpflichtig. Dem letzten Satz dieser Gesetzesvorschrift zufolge sind die wiederkehrenden Bezüge, wenn sie als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet werden, nur insoweit steuerpflichtig, "als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§16 Abs2 des Bewertungsgesetzes 1955) übersteigt". Eine Ausnahme von dieser Regelung für den Fall, daß die Rentenleistung wertgesichert ist, enthält das Gesetz nicht (vgl. VwSlg. 4294 F/1971). Wie im Erk. B213/77 vom heutigen Tage dargetan wird, ist der Umstand, daß das Gesetz im gegebenen Zusammenhang die Geldwertverdünnung unberücksichtigt läßt, verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Behörde hat das Gesetz iS dieser Nichtberücksichtigung vollzogen.
Die Beschwerdeführerin ist im Jahre 1903 geboren. Der Vertragsabschluß erfolgte im Jahre 1963. Es ist sohin keinesfalls denkunmöglich anzunehmen, daß bei Berechnung des kapitalisierten Wertes die Z7 des §16 Abs2 BewG 1955 anzuwenden ist, wonach bei einem Alter von mehr als 55 bis 60 Jahren das elffache der einjährigen Nutzung als Wert anzunehmen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die einjährige Nutzung mit 2000 x 12 = 24000 S (ursprünglich vereinbarte Rentenleistung) oder - wie die belangte Behörde annimmt - mit 28800 S (im Jahre 1969 von der Beschwerdeführerin erhaltene Leibrentenbeträge) zu bestimmen war, da in jedem Fall im Jahre 1976 die Summe der tatsächlichen vereinnahmten Rentenbeträge das elffache der einjährigen Nutzung überstiegen hat. Keinesfalls berührt der angefochtene Bescheid im Ergebnis ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht.
cc) Auf den von der Beschwerdeführerin relevierten Umstand, daß der Käufer auch eine Hypothek übernommen hat, kommt es nicht an, da nur der Wert jenes Teiles des Wirtschaftsgutes in Betracht zu ziehen ist, für dessen Übertragung die Bezahlung der Rente bedungen wurde.
d) Die Beschwerdeführerin ist sohin durch den angefochtenen Bescheid weder im Eigentums- noch im Gleichheitsrecht verletzt worden.
2. Die Beschwerdeführerin macht noch geltend, dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, daß der VfGH der von ihr zu B213/77 erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.
Dieser Vorwurf trifft nicht zu: Die erwähnte Beschwerde wendete sich gegen einen nach §299 BAO erlassenen, an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid, mit dem (in Ausübung des Aufsichtsrechtes) ein die Einkommensteuer für das Jahr 1975 betreffender Bescheid aufgehoben worden war. Der Umstand, daß der zu B213/77 erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nahm der belangten Behörde keinesfalls die Zuständigkeit, noch vor Entscheidung des VfGH über die erwähnte Beschwerde über die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung gegen einen die Einkommensteuer für das Jahr 1976 (also für ein späteres Jahr) betreffenden Bescheid des Finanzamtes abzusprechen.
3. Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
Da der VfGH gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat (s. o. II.1.b), ist die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Einkommensteuer, Einkunftsarten sonstige (Einkommensteuer), BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B489.1977Dokumentnummer
JFT_10199869_77B00489_00