TE Vfgh Erkenntnis 1980/2/28 B300/78

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Veröffentlicht am 28.02.1980
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §68 Abs1
DVG §1
DVG §13
GehG 1956 §12 Abs3

Leitsatz

Gehaltsgesetz 1956; Verweigerung einer Sachentscheidung bei Feststellung des Vorrückungsstichtages; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol.

Vom 9. Juli 1962 bis 31. August 1964 war er in der Hauptverwaltung, Abteilung Leitungsbau, der Tir. Wasserkraftwerke AG (TIWAG) in Innsbruck beschäftigt. In den folgenden Jahren studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und wurde am 21. Juni 1969 zum Doctor juris promoviert.

In den Tir. Landesdienst trat er mit 2. Juni 1975, und zwar zunächst als Vertragsbediensteter.

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1976 wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Tir. Landesregierung vom 15. Dezember 1975 auf einen Dienstposten der Dienstklasse VI im Dienstzweig Rechtskundiger Verwaltungsdienst ernannt. In diesem Ernennungsdekret wird weiters ausgeführt:

"Nach §12 des Gehaltsgesetzes 1956 wird als Vorrückungsstichtag der 3. 3. 1966 festgestellt. Demnach gebührt Ihnen ab dem Tag der Ernennung die Gehaltsstufe 2 mit nächster Vorrückung am 1. Jänner 1978. Die mit dem letzten Monatsentgelt bezogenen Zulagen und Beihilfen werden weiterhin gewährt."

Eine Begründung für diese Festsetzung des Vorrückungsstichtages enthält dieser - in Rechtskraft erwachsene - Bescheid nicht. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich jedoch ua., daß bei der Feststellung des Vorrückungsstichtages die Zeit vom 9. Juli 1962 bis 31. August 1964, während der er bei der TIWAG beschäftigt war, nur zur Hälfte angerechnet wurde.

Am 12. August 1976 beantragte der Beschwerdeführer, ihm diese Zeit voll anzurechnen. Er zog jedoch am 3. März 1977 diesen Antrag zurück.

b) Am 2. Jänner 1978 begehrte der Beschwerdeführer neuerlich die Vollanrechnung der Dienstzeit bei der TIWAG. Er verwies darauf, daß in einem ähnlich gelagerten Fall, den er allerdings nicht näher anführte, zugunsten des Antragstellers entschieden worden sei. Mit Bescheid der Tir. Landesregierung vom 28. März 1978 wurde dieser Antrag gem. §§1 und 13 DVG iVm §68 Abs1 AVG wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung war nach §2 Z4 des Tir. Landesbeamtengesetzes, LGBl. 57/1974, idF der Nov. LGBl. 42/1977, auf das Dienstverhältnis der Tir. Landesbeamten ua. das Gehaltsgesetz 1956 idF der 30. Gehaltsgesetz-Nov., BGBl. 318/1977 (im folgenden kurz als "GG 1956" zitiert), sinngemäß anzuwenden.

Nach §12 Abs1 GG 1956 ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a) Die im Abs2 angeführten Zeiten zur Gänze;

b) die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

§12 Abs3 GG 1956 lautet:

"Zeiten gemäß Abs1 litb, in denen der Beamte eine Tätigkeit

ausgeübt ... hat, können ... im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit ... für die

erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist."

Dem §12 Abs9 zufolge ist der Vorrückungsstichtag mit Bescheid festzustellen. Die Feststellung soll möglichst gleichzeitig mit der Ernennung des Beamten vorgenommen werden.

Die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der TIWAG fällt nicht unter §12 Abs2 GG 1956.

2. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, daß mit Bescheid vom 15. Dezember 1975 in einer förmlichen, der Rechtskraft fähigen Weise über den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers abgesprochen worden sei, wobei der Stichtag gleich wie im Dienstvertrag vom 3. Juni 1975 (der Beschwerdeführer war vor seiner Ernennung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis Vertragsbediensteter des Landes Tirol) festgelegt worden sei. Bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtages sei nach den vom Antragsteller gemachten Angaben vorgegangen worden. Da somit über den Vorrückungsstichtag und damit auch über das Ausmaß der Anrechnung der Vordienstzeiten rechtskräftig abgesprochen worden sei, stehe einer neuerlichen Sachentscheidung §68 Abs1 AVG iVm §§1 und 13 DVG entgegen. Ob von der Möglichkeit des §68 Abs2 AVG Gebrauch gemacht werde, sei in diesem Verfahren nicht zu erörtern.

3. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8098/1977) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann verletzt, wenn die Behörde einen Antrag zu Unrecht zurückweist und damit eine Sachentscheidung verweigert.

Die Zurückweisung wäre im vorliegenden Fall dann zu Unrecht erfolgt, wenn über die den Gegenstand des Antrages bildende Sache gegenüber dem Beschwerdeführer noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen worden wäre oder wenn sich die Sach- oder Rechtslage gegenüber den Verhältnissen, die dem die Sachentscheidung enthaltenden rechtskräftigen früheren Bescheid zugrunde lagen, geändert hätte (vgl. zB VfSlg. 8098/1977).

b) Der Bescheid vom 15. Dezember 1975 gibt keine Begründung für die getroffene Feststellung des Vorrückungsstichtages. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, daß von der Behörde mit der darin enthaltenen Feststellung des Vorrückungsstichtages eine Entscheidung über die Vollanrechnung von Zeiten nach §12 Abs3 GG 1956 beabsichtigt gewesen ist. Weder aus dem Wortlaut dieses Bescheides noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß die Behörde bei Erlassung des Bescheides vom 15. Dezember 1975 das Problem einer derartigen ausnahmsweisen Vollanrechnung überhaupt in Betracht gezogen hat (vgl. VfSlg. 8451/1978).

Die belangte Behörde hat - ausgehend von der unzutreffenden Ansicht, daß über die Frage der Vollanrechnung nach §12 Abs3 GG 1956 der bei der TIWAG verbrachten Zeiten mit Bescheid vom 15. Dezember 1975 rechtskräftig entschieden worden sei - den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1978 zu Unrecht zurückgewiesen und damit eine Sachentscheidung darüber, ob bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtages des Beschwerdeführers diese Zeiten nach §12 Abs3 GG 1956 berücksichtigt werden können, verweigert.

Der Bescheid war daher schon aus den dargelegten Gründen als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Schlagworte

Dienstrecht, Vorrückungsstichtag, Bescheid Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B300.1978

Dokumentnummer

JFT_10199772_78B00300_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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